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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Geschichte 1833-68)

verlangten, erfolgte 14. Sept. der Sturz des seit Juni des Jahres bestehenden liberalen Ministeriums Toreño; der Finanzminister Mendizabal (s. d.) trat an seine Stelle. Diesem gelang es, für den Augenblick den revolutionären Sturm zu beschwören, indem er unbeschränkte Preßfreiheit und allgemeine Volksbewaffnung bewilligte und auch eine Revision des Estatuto real versprach und die Cortes wieder einberief. Da aber die radikalen Parteien mit diesen Zugeständnissen sich nicht begnügten, mußte Mendizabal 15. Mai einem Moderado-Ministerium Isturiz (s. d.) Platz machen, das infolge eines Mißtrauensvotums der radikalen Mehrheit 22. Mai die Cortes auflöste. In mehrern Städten brachen Empörungen aus. In der Nacht vom 12. zum 13. Aug. zog das 4. Garderegiment nach dem Lustschloß La Granja (San Ildefonso), wo sich der Hof aufhielt, und zwang die Regentin, sich für die Konstitution von 1812 zu erklären (15. Aug.). Die 24. Okt. einberufenen Cortes bestätigten Maria Christina in der Regentschaft (19. Nov. 1836) und 18. Juni 1837 beschwor sie die von den Cortes revidierte Verfassung. Zugleich ward auch ein neues Kabinett unter Calatrava und Mendizabal gebildet.

In Cabrera war ein hervorragendes militär. Talent an die Spitze des karlistischen Heers getreten. Die Karlisten siegten 24. Mai 1837 bei Huesca in Aragonien, überschritten den Ebro und marschierten gegen Madrid. Aber Espartero (s. d.), zum Oberbefehlshaber der Regierungstruppen ernannt und durch seinen Sieg bei Luchana 24. Dez. 1836 über die Karlisten bereits hervorragend, eilte zum Schutz der Hauptstadt herbei, schlug die Feinde in mehrern Gefechten, zuletzt 14. Okt. 1837 bei Huerta del Rey, und zwang sie, über den Ebro zurückzukehren. Im Frühjahr 1839 war der größere Teil der nördl. Provinzen in Esparteros Gewalt. Die Uneinigkeit im karlistischen Lager kam ihm trefflich zu Hilfe. Hier hatte sich die Apostolische (Castilianische) Partei, deren Hauptstützen die Prinzessin von Beira, Don Carlos' zweite Gemahlin, und der Bischof von Leon waren, mit der Baskischen (Fueristischen) Partei entzweit. In der Armee selbst sprach sich diese Zerrüttung der karlistischen Sache deutlich aus. Der im Aug. 1838 an die Stelle des unfähigen Guergué zum Oberbefehlshaber ernannte Maroto war der Gegenstand einer förmlichen Verschwörung der Apostolischen Partei. Er ließ 19. und 20. Febr. 1839 die zwanzig Hauptverschworenen, darunter General Guergué, erschießen; die Häupter der Apostolischen Camarilla wurden verbannt. Am 31. Aug. 1839 wurde zu Vergara ein Vertrag zwischen Espartero, Maroto und 50 karlistischen Führern unterzeichnet, wonach 18 Bataillone und 5 Schwadronen der Karlisten sofort die Waffen niederlegten und sich in ihre Heimat begaben. Don Carlos sah sich zur Flucht auf das franz. Gebiet genötigt (15. Sept. 1839), wo man ihn in Bourges internierte. Damit waren Navarra und die bask. Provinzen unterworfen. In Niederaragonien und Catalonien hielt sich Cabrera noch einige Zeit, mußte aber 6. Juli 1840 ebenfalls die franz. Grenze überschreiten. Auch die übrigen karlistischen Häuptlinge unterwarfen sich oder flüchteten nach Frankreich, so daß im Spätsommer 1840 ganz S. der Regierung der Königin Isabella II. unterworfen war.

Während der letzten Jahre des Bürgerkrieges hatte das konstitutionelle S. einen ununterbrochenen Parteikampf und wiederholten Ministerwechsel durchgemacht. Gleichzeitig verscherzte die Regentin durch ihre Habsucht und ihren Liebeshandel mit Muñoz alle öffentliche Achtung. Endlich kam es zur Krisis bei Gelegenheit eines von der Regierung vorgelegten Entwurfs einer Gemeindeordnung (s. Ayuntamiento). Die widerstrebenden Cortes wurden im Nov. 1839 aufgelöst und neue gewählt, in welchen die Moderados die Oberhand gewannen. Als von diesen das Ayuntamientogesetz angenommen ward und 15. Juli 1840 die königl. Bestätigung erhielt, brach, während die Regentin auf einer Reise nach Barcelona begriffen war, die Bewegung in Madrid aus und verbreitete sich schnell über ganz S. Maria Christina sah sich genötigt, Espartero, das Haupt der Exaltados oder Progressisten, zum Ministerpräsidenten zu ernennen, der sich sein Ministerium aus der Partei der Progressisten bildete und von der Regentin Zurücknahme des Gemeindegesetzes, Auflösung der Cortes und Verabschiedung der Camarilla verlangte. Maria Christina legte hierauf 14. Okt. 1840 in Valencia die Regentschaft nieder und begab sich nach Frankreich. Vorläufig führte das Ministerium die Regentschaft. Dann erwählten die neu berufenen Cortes 8. Mai 1841 Espartero zum Regenten während der Minderjährigkeit der Königin und Arguelles zum königl. Vormund. Aber auch Espartero fiel bald den Parteikämpfen zum Opfer. Es bildete sich gegen ihn eine Koalition; Malaga und Granada, Catalonien unter General Prim (s. d.) erhoben sich; die Agenten und das Geld Maria Christinas halfen die Bewegung schüren; Narvaez, von Christina gewonnen und ein alter Gegner Esparteros, übernahm in Valencia die Leitung und rückte gegen Madrid vor. Die provisorische Regierung zu Barcelona erklärte 1. Juli 1843 Espartero seiner Würde verlustig; Narvaez zog in Madrid ein. Vorerst bemächtigten sich die Führer der Moderados, Narvaez, als Herzog von Valencia zum Ministerpräsidenten erhoben, O'Donnell und Concha, aller wichtigen militär. Stellen. Ihre reaktionäre Politik weckte neuen revolutionären Widerstand in Catalonien und namentlich in Barcelona. Die Aufstände, die sich bis ins folgende Jahr ausdehnten, wurden allmählich überwältigt.

Unter der Regierung Isabellas II. Die im Okt. 1843 neu zusammentretenden Cortes erklärten die 13jährige Königin Isabella II. 8. Nov. für mündig, und der progressistische Apostat Gonzalez-Brabo (s. d.) kam 1. Dez. 1843 ans Ruder. Er stellte nicht nur die verhaßte Gemeindeordnung vom 15. Juli 1840 unverändert wieder her, sondern berief auch die Königin-Mutter Maria Christina nach S. zurück. Der Ausbruch neuer Unruhen gab den Anlaß, im Febr. 1844 den Belagerungszustand über ganz S. zu verhängen und die Nationalgarden zu entwaffnen. Narvaez ward faktisch mit der Militärdiktatur bekleidet und bildete nach der Entlassung Brabos (Mai 1844), ein neues Moderado-Ministerium, in das auch Martinez de la Rosa eintrat. Mit Hilfe der Cortes wurde die Verfassung von 1837 durchgreifend revidiert (23. Mai 1845), der Grundsatz der Volkssouveränität gestrichen, das Wahlrecht und die Preßfreiheit beschränkt, die Nationalgarde abgeschafft. Indessen hatte die Vermählung der Königin die ganze europ. Politik zu beschäftigen begonnen. Als Bewerber wurden genannt: der Infant Franz (s. d.) de Assisi, der Graf von Trapani, Bruder Ferdinands II. von Sicilien, der Graf Montemolin, zu dessen Gunsten sein Vater Don