Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Spencer; Spencer-Churchill; Spencergewehr; Spencergolf; Spences Pulver; Spendeformel; Spendieren; Spener

140

Spencer (Herbert) - Spener

trat 1803 ins Unterhaus, war unter Fox und Grenville Schatzlord und in dem Whigministerium Grey seit 1830 Schatzkanzler, wobei er durch strenge haushälterische Verwaltung sich hervorthat; mit seiner irischen Kirchenreformbill von 1833 brachte er dafür selbst Spaltung in das Kabinett. Nach seinem Eintritt ins Oberhaus 1834 schied er aus dem Amte und starb 1. Okt. 1845 auf seinem Landsitz Wiseton-Hall in Yorkshire. (Vgl. Le Marchand, Memoirs of John Charles Viscount Althorp, Lond. 1876.) Ihm folgte sein Bruder Frederick, vierter Graf von S., geb. 14. April 1798, der bis zum Konteradmiral (1852) aufstieg und 1854 das Hofamt eines Lord Steward erhielt. Er starb 27. Dez. 1857.

Sein einziger Sohn und jetziger Träger des Namens John Poyntz, fünfter Graf von S., geb. 27. Okt. 1835, wurde herangebildet in Harrow und Cambridge, saß 1857 vorübergehend im Unterhause, bekleidete mehrere Hofämter, bis Gladstone ihm 1868 die Würde eines Lord-Lieutenants von Irland übertrug, die er bis 1874 behielt. In Gladstones neuem Ministerium 1880 war er zuerst Präsident des Staatsrats, 1882‒85 wieder Vicekönig von Irland und führte eine feste, energische Verwaltung. Da er sich mit Gladstone zum Home-Rule bekannte, trat er auch in dessen kurzes drittes Ministerium 1886 als Präsident des Staatsrats ein; in Gladstones viertem Ministerium bekleidete er seit Aug. 1892 das Amt des ersten Admiralitätslords, das er auch unter Rosebery bis Juni 1895 behielt.

Spencer, Herbert, engl. Philosoph, geb. 27. April 1820 zu Derby, war anfangs Ingenieur, gab jedoch seinen Beruf auf, wurde Mitarbeiter beim «Economist» und ließ sein erstes großes Werk «Social statics» 1851 (neue, verkürzte Ausg. 1892) erscheinen. Nach zehnjährigen Vorarbeiten ging S. sodann an die Ausarbeitung und Herausgabe seines «Systems der synthetischen Philosophie». Er lebt in London. Die Philosophie hat es nach ihm lediglich mit den allgemeinsten Erkenntnissen der Erscheinungswelt zu thun. Aus der wichtigsten dieser allgemeinen Wahrheiten, dem Grundsatz der Beharrung der Energie und der Materie, leitet S. zwei überall sich wiederholende Prozesse her: den der Evolution, der in der Ausbreitung der Bewegung und einer Vereinigung des Stoffs besteht, wobei der Stoff eine immer bestimmtere und mannigfaltigere Gliederung erhält; dann den der Dissolution, der in einer Auflösung vorhandener Gestaltungen besteht. Beide Vorgänge laufen nebeneinander her, nur daß stets der eine oder der andere vorwiegt. Auch in der Bewußtseinswelt, und zwar nicht nur beim Individuum, sondern auch in der Gesellschaft und ihren Erzeugnissen sucht S. jene beiden Prozesse nachzuweisen. Er hat um die Ausbildung der Sociologie große Verdienste. Von dem «System of synthetic philosophy», dem Hauptwerk S.s, dessen Programm er 1860 veröffentlichte, sind erschienen: «First principles» (1862; deutsch von Vetter, Stuttg. 1875), «The principles of biology» (2 Bde., 1864‒67; deutsch von Vetter, ebd. 1876‒77), «The principles of psychology» (2 Bde., 1870‒72; deutsch von Vetter, ebd. 1882‒86; eine Umarbeitung des 1855 zuerst von E. herausgegebenen gleichnamigen Werkes), «The principles of sociology» (3 Bde., 1876‒96; deutsch von Vetter, ebd. 1877 fg.), «The principles of ethics» (1879 fg.; deutsch von Vetter und Carus, ebd. 1879 fg.). Von seinen übrigen Schriften sind zu erwähnen: «Education, intellectual, moral and physical» (1861; deutsch von Fritz Schultze, 3. Aufl., Jena 1888), «Essays, scientific, political and speculative» (2 Bde., 1858‒63; neue Ausg., 3 Bde., 1891), «The classification of the sciences» (1864), «The study of sociology» (1873; deutsch von Marquardsen, 2. Aufl., Lpz. 1896), «The man versus the state» (1884). Im Verein mit Duncan, Scheppig und Collier gab S. heraus: «Descriptive sociology, or groups of sociological facts, classified and arranged» (8 Bde., 1873 fg.). – Vgl. Guthrie, On Spencer’s unification of knowledge (Lond. 1882); Michelet, Herbert S.s System der Philosophie (Halle 1882); Naumann, S. wider Kant (Hamb. 1885); Kindermann, Die Entwicklungslehre Herbert S.s (Lpz. 1888); J. H. Collins, An epitome of the synthetic philosophy (Lond. 1889); Hudson, The philosophy of Herbert S. (Neuyork 1894); Gaupp, Herbert S. (Stuttg. 1897).

Spencer-Churchill, s. Marlborough.

Spencergewehr, s. Handfeuerwaffen.

Spencergolf, tiefe Einbuchtung des Indischen Oceans an der Südküste Australiens, unter 136 bis 138° östl. L., wird westlich durch die Halbinsel Eyria von der Großen Australischen Bucht, östlich durch die York-Halbinsel vom Sankt Vincentgolf getrennt. An der nördl. Spitze liegt Port-Augusta.

Spences Pulver, s. Explosivstoffe 2.

Spendeformel beim Abendmahl, s. Distributionsformel.

Spendieren (vom lat. expendere, ausgeben), schenken, freigebig sein; spendābel, gebelustig.

Spener, Phil. Jak., der Vater des Pietismus, geb. 13. Jan. 1635 zu Rappoltsweiler im Oberelsaß, studierte seit 1651 Theologie in Straßburg, Basel, Tübingen, Genf und Lyon, wobei er zu namhaften reform. Theologen in Beziehung trat. Nach Straßburg zurückgekehrt, hielt er akademische Vorlesungen, wurde 1663 Freiprediger und 1666 Senior der Geistlichkeit zu Frankfurt a. M. Seitdem begann seine energische Wirksamkeit für Neubelebung des christl. Sinns in der Kirche, deren Grundgedanken er niedergelegt hat in seinem Schriftchen «Pia desideria oder herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evang. Kirche» (Frankf. 1673; vgl. Henke, S.s Pia desideria, Marb. 1862). Gegenüber einer toten Orthodoxie, die alles Gewicht auf die Korrektheit der Lehre legte, betonte er die Notwendigkeit persönlicher Bekehrung und Wiedergeburt, gegenüber der lediglich auf dogmatische Polemik abzweckenden theol. Bildung seiner Zeit das Studium der Heiligen Schrift, und gegenüber dem einseitigen Lehrkirchentum das allgemeine Priestertum aller Gläubigen. Seine Gesinnungsgenossen unter den Gemeindegliedern sammelte er seit 1670 im eigenen Hause, seit 1682 in der Kirche zu Erbauungsstunden, den sog. collegia pietatis, um sich. 1686 siedelte S. als Oberhofprediger nach Dresden über, geriet aber infolge des in Leipzig durch A. H. Francke (s. d.) veranlaßten Pietistenstreits in Mißhelligkeiten mit der dortigen theol. Fakultät und fiel auch in Ungnade bei Kurfürst Johann Georg Ⅲ. Daher ging er 1691 als Propst und Inspektor der Kirche zu St. Nikolai und Assessor des Konsistoriums nach Berlin, von wo aus er an der Stiftung der Universität Halle großen Anteil nahm. Obgleich ihm die theol. Fakultät zu Wittenberg 1695 in einer förmlichen Klagschrift 264 Irrtümer vorgeworfen hatte, wuchs doch die Zahl seiner Anhänger von Jahr zu Jahr. In seinen theol.