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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Straßenbahnen

Das allgemeine Schema einer elektrischen Straßenbahn mit oberirdischer Stromzuführung ist in Taf. I, Fig. 5, gegeben. Der elektrische Strom wird von der Dynamomaschine A erzeugt, geht in der Richtung der Pfeile in die oberirdische Leitung B, wird von dieser durch die Kontaktrollen C abgenommen und den im Wagengestell befindlichen Elektromotoren D zugeführt, von denen er durch die Schienen E zur Dynamomaschine zurückkehrt. Auf Taf. I, Fig. 8, ist ein Wagen mit oberirdischer Stromzuführung der Straßenbahn zu Zwickau abgebildet. Die beiden andern, weniger gebräuchlichen Systeme sind durch Taf. I, Fig. 6 (Budapester Bahn mit unterirdischer Stromzuführung) und Fig. 7 (Accumulatorenwagen nebst der Vorrichtung zum Einsetzen der Batterie) erläutert. Näheres s. Elektrische Eisenbahn. Bei jedem elektrischen Motorwagen sind die Elektromotoren im Untergestell des Wagens in Achsenhöhe angebracht (s. Taf. II, Fig. 1). Das Motorgestell ist einerseits drehbar mit der Wagenachse verbunden, andererseits hängt es federnd an einer Querverbindung des Untergestells. Die schnelle Rotation der Elektromotoren wird durch Zahnradübersetzung ins Langsame auf die Wagenachsen übertragen. Bei dem abgebildeten Untergestell, wie es die Wagen in Halle besitzen, ist die Räderübersetzung eine doppelte; bei neuern Wagen, wie z. B. dem Zwickauer Wagen auf Taf. I, Fig. 8, ist die Rotationsgeschwindigkeit der Elektromotoren so niedrig, daß nur eine einfache Räderübersetzung nötig ist, wodurch der Reibungsverlust bedeutend vermindert wird.

In den letzten Jahren ist eine große Anzahl neuer Konstruktionen elektrischer S. für unterirdische Stromzuführung ersonnen worden, ohne daß dieselben jedoch praktische Verwendung gefunden haben. Die neueste Anordnung der Accumulatoren geschieht in der Weise, daß eine Batterie von 200 Elementen fest in den Wagen eingebaut und während der Fahrt außerhalb der Hauptstraßen der Stadt, wo oberirdische Zuleitung leicht ausführbar und aus ästhetischen Rücksichten zulässig erscheint, geladen wird. Innerhalb der Stadt, oder in den Hauptstraßen, übernimmt dann die Batterie die Stromlieferung. Dieses System, ausgebildet von der Accumulatorenfabrik, Aktiengesellschaft Hagen, soll sich in Hannover, wo die Einführung zuerst erfolgte, gut bewährt haben und wird neuerdings in Dresden und Paris versucht. Gegenwärtig ist diese Lösung der Frage des elektrischen Betriebes innerhalb der Städte, wo oberirdische Leitung nicht statthaft ist, die vollkommenste. Die zuerst verwendeten Batterien hatten eine Kapacität von 80 Amperestunden bei etwa 390 Volt Entladespannung; in neuerer Zeit hat man 40 Amperestunden als genügend erachtet, was unter Berücksichtigung des erheblichen Gewichts der Batterien einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. Wenn man im Mittel pro Wagenkilometer einen Energieverbrauch von 400-500 Watt annimmt, so kann ein Wagen mit vollgeladener Batterie etwa 10-12 km allein mit der Batterie zurücklegen, unter Berücksichtigung einer 30prozentigen Reservekapacität.

Bei strenger Kälte heizt man die Pferdebahnwagen, wie z. B. in Dresden, vorteilhaft mit Glühstoff, der in einfachen Blechkästen unter den Wagensitzen glimmt. Bei elektrischen Wagen werden Spiralen aus feinem Draht angebracht, die, vom elektrischen Strom durchflossen, erglühen. In den Wagen der Dampfbahnen lassen sich Heizschlangen anbringen, in denen Kessel- oder Auspuffdampf cirkuliert. Die Lührigschen Gasmotorwagen werden durch die vom Motor produzierte Wärme genügend warm gehalten, da sich die Motoren unter den Sitzen befinden.

Neuerdings benutzt man die E. auch für den Güterverkehr. So werden in Gera ganze Eisenbahnwaggons auf den Straßenbahngleisen mittels Trucks nach den Fabriken befördert.

Vergleichung der Systeme. Die Unvollkommenheiten des Pferdebetriebes für S., besonders die Kostspieligkeit, die geringe Geschwindigkeit und die Verunreinigung der Straßen, legen es nahe, allmählich den Motorbetrieb einzuführen. Am elegantesten ist unter allen Umständen der elektrische Betrieb, da der Elektromotor am ruhigsten arbeitet, keinen Geruch verbreitet, die wenigste Wartung und Reparatur erheischt und auch am bequemsten zu regulieren ist. Von den drei elektrischen Betriebssystemen hat das mit Accumulatorenbetrieb die meisten Vorzüge; denn jeder Wagen führt seine Kraftquelle mit sich und braucht daher keine Stromleitung, wodurch er unabhängig von event. Störungen in einer Centrale oder Leitung wird; auch kann ein Accumulatorenwagen ohne weiteres ein Pferdebahngleis befahren, was für Pferdebahngesellschaften, die einzelne Linien elektrisch betreiben wollen, von Vorteil ist. Daß das Accumulatorensystem noch keine allgemeinere Anwendung zuläßt, hat seinen Grund in der bisherigen Unvollkommenheit der Accumulatoren selbst. Einerseits repräsentieren die Accumulatoren eine bedeutende tote Last, andererseits sind die vom Accumulator gelieferten Strommengen nicht sicher vorher zu berechnen, da sie bei verschiedenen gleichen Ladungen sehr verschieden ausfallen, weshalb der Betrieb unter Umständen unökonomisch und unsicher sein kann. Bis jetzt ist am weitesten entwickelt in Bezug auf Ökonomie und Betriebssicherheit, daher auch am weitesten verbreitet, das System mit oberirdischer Stromzuleitung.

Anlage- und Betriebskosten (für eingleisige Strecken und Wagen des Einspännertypus):

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Straßenbahnsysteme Anlagekosten pro Nutzkilometer in Mark Betriebskosten pro Wagenkilometer in Pfennig.

Pferdebahn 70 000 22-28

Zweispännerbetrieb - 30-40

Druckluftbahn 110 000 40

Kabelbahn 120 000 50-65

Elektrische Bahn mit oberirdischer Stromzuleitung 90-100000 20-25

Gasbahn 60-70 000 16*

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* Bei einem Gaspreis von 12 Pf. für 1 cbm.

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Statistisches. Die S. haben sich außerordentlich rasch entwickelt. Beträchtliche Ausdehnung haben die Dampfstraßenbahnen in Italien, vornehmlich in Oberitalien erlangt, wo dieselben sich als ein mächtiges Hebungsmittel des Verkehrs ganzer Gegenden und dabei namentlich wegen der geringen Anlagekosten als lebensfähige Unternehmen erwiesen haben. 1895 waren rund 3000 km E. im Betrieb und gingen von Turin 7, von Brescia, Mantua, Bologna und Alessandria je 4 und von Mailand 10 Dampfstraßenbahnen aus. Diese Anlagen führen oft bis 40 km in das Land hinein und stoßen vielfach mit den angrenzenden S. zusammen, so daß sich jetzt über Oberitalien ein fast zusammenhängendes Netz von S. ausdehnt. (S. Italienische Eisenbahnen.)

Auch in den Niederlanden sind Dampfstraßenbahnen in größerm Umfange vorhanden. (S. Nieder-^[folgende Seite]