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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Strategische Einheit; Strategische Eisenbahnen; Strategische Flankenstellung; Strategische Front

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Strategische Einheit - Strategische Front

Anwendung bringenden Gegner ausgeführt wird. Die S. D. ist unter Umständen mit dem Operieren auf der innern Linie (s. Innere Linie) gleichbedeutend.

Strategische Einheit, s. Einheit.

Strategische Eisenbahnen, Eisenbahnen, für deren Herstellung besonders Rücksichten auf die Landesverteidigung maßgebend sind. Die Entwicklung des Eisenbahnwesens hat dahin geführt, daß seine Ausnutzung zu Kriegszwecken für die Versammlung der Heere, für eine beschleunigte Versetzung derselben von einem Kriegsschauplatz auf einen andern, für den Nachschub im weitesten Sinne des Wortes, für alle Transporte von totem Material in den Vordergrund getreten ist. Nicht immer fallen die Interessen des friedlichen Verkehrs mit den strategischen Interessen der Landesverteidigung zusammen, und manche Bahnlinie ist, obwohl sie vom Standpunkt des friedlichen Verkehrs noch für absehbare Zeiten keine oder nur geringe Rentabilität verspricht, ausschließlich aus strategischen Rücksichten gebaut. Solche Bahnen nennt man S. E. im engern Sinne; im weitern Sinne aber bezeichnet man mit diesem Ausdruck überhaupt solche voneinander unabhängige durchgehende Bahnlinien, welche gleichzeitig zum Aufmarsch der Heere an der Grenze benutzt werden können.

Bei den gewaltigen Massen lebenden und toten Materials, welche bei dem strategischen Aufmarsch eines modernen Heers fortzuschaffen sind, ist es unbedingt erforderlich, das vorhandene rollende Material einer Bahnlinie in unausgesetzter Folge immer von neuem zu benutzen, ohne im Transport der Gesamtheit eine Pause eintreten zu lassen. Ein doppeltes Gleis ist daher ein Haupterfordernis für eine wirklich strategische Bahnlinie.

Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen durch Ausbau des strategischen Netzes, durch Legung der zweiten Gleise auf bisher eingleisigen Strecken, durch Vervollkommnung der Betriebsmittel, durch Schaffung zahlreicher mit den nötigen Vorrichtungen zum Aus- und Einladen der Truppen versehener Stationen sowie andererseits die Sicherung der für den Aufmarsch bestimmten Eisenbahnlinien gegen überraschende feindliche Unternehmungen, teils durch Befestigungsanlagen, teils durch entsprechende Truppendislokationen schon im Frieden, sind Aufgaben einer jeden Heeresverwaltung.

Für die Wichtigkeit der S. E. spricht der Umstand, daß nach dem Kriege von 1870/71 in allen großen Heeren Eisenbahntruppen geschaffen worden sind, denen im Kriegsfalle nicht nur der Betrieb der Eisenbahnen, sondern auch die Herstellung zerstörter und der Bau neuer Linien obliegt.

Deutschland, das infolge seiner innerpolit. Gestaltung vor 1870 für den Ausbau S. E. wenig gethan hatte, so daß Frankreich anfangs einen wesentlichen Vorsprung hatte, hat erst seitdem den S. E. gebührende Aufmerksamkeit zugewendet. 1870 bestanden nur 9 Linien, welche für den Aufmarsch an der Westgrenze benutzt werden konnten; jetzt dagegen 16 zweigleisige von Ost nach West laufende Linien und über 19 Eisenbahnübergänge über den Rhein. Für den Aufmarsch an der Ostgrenze stehen 11 Bahnlinien zur Verfügung, welche durch eine entsprechende Anzahl von Querlinien parallel der ausgedehnten östl. Grenze verbunden sind. Alle wichtigern Küstenpunkte der Ost- und Nordsee sind durch leistungsfähige Bahnlinien mit dem Innern, sowie durch Küstenbahnen untereinander verbunden.

Frankreich verfügt über 10 voneinander unabhängige, fast durchweg zweigleisige Bahnlinien für den Truppentransport nach der Ostgrenze; die Erbauung von Parallellinien für einzelne wichtige Strecken auch zu drei Gleisen und von zahlreichen Ausläufern nach der Grenze erfolgte meist in rein militär. Interesse.

Österreich-Ungarn hat in erster Linie auf die Sicherung eines raschen und ungestörten Aufmarsches der Armee im nördl. Galizien Bedacht genommen, um hier womöglich der drohenden russ. Invasion zuvorzukommen und selbst die Offensive zu ergreifen; fünf leistungsfähige Linien führen aus dem Innern der Monarchie nach dem galiz. Grenzgebiet.

Rußland ist bei dem mit großem Eifer betriebenen Ausbau seines Eisenbahnnetzes ausschließlich von strategischen Gesichtspunkten ausgegangen, indem es in erster Linie die Möglichkeit eines raschen Aufmarsches seiner Armee an der Südwestgrenze anstrebte, zweitens aber auch bei der Anlage seiner ausgedehnten Schienenwege die Ausbreitung der russ. Macht in Central- und Ostasien und den schließlich doch unvermeidlichen Zusammenstoß mit England ins Auge faßte. Dem erstern Zweck diente der Ausbau der Bahnnetze in Polen und in den Grenzdistrikten zwischen der galiz.-rumän. Grenze und dem Dnjepr, sowie derjenigen Linien, welche aus dem Innern nach diesen Grenzdistrikten führen; dem letztern Zweck verdankten die Schienenwege nach der Grenze Asiens und dem Kaukasusgebiet, sowie die Transkaspische Eisenbahn (s. d.) und die teilweise bereits eröffnete Sibirische Eisenbahn (s. d.) ihre Entstehung. Aus dem Innern führen zur Zeit 6 Hauptlinien mit verschiedenen Verzweigungen und Zufuhrlinien konzentrisch nach der stark befestigten Weichsellinie und der galiz. Grenze, über die Weichsellinie hinaus nach der poln.-preuß. Grenze zu ist die Weiterführung der wirtschaftlich wünschenswerten Eisenbahnverbindungen wenig gefördert, während eine Anzahl teils bereits fertiggestellter, teils im Bau begriffener Linien dazu bestimmt sind, eine bessere Verbindung des südwestl. Rußlands mit der galiz.-rumän. Grenze zu schaffen und eine schnelle Versammlung großer Truppenmassen im Militärbezirk Kiew zu ermöglichen.

Italien hat zwei durchgehende Hauptlinien, welche die ganze Halbinsel an der Küste des Adriatischen und Tyrrhenischen Meers entlang durchziehen, mit ihren Verzweigungen die Hauptorte der lombard. Tiefebene berühren und im Verein mit der Linie Rom-Bologna bestimmt sind, die ital. Armee von den verschiedenen Punkten der langgestreckten Halbinsel nach der lombard. Tiefebene zu befördern. In dieser selbst ermöglichen zwei leistungsfähige Querverbindungen mit zahlreichen Nebenlinien und Ausläufern den Aufmarsch sowohl der franz. wie der österr. Grenze gegenüber. Die S. E. Italiens sind vielfach der Gefährdung durch feindliche Flotten ausgesetzt, ihre Sicherung hängt daher von dem Schutz ab, den die ital. Flotte ihnen bietet.

Strategische Flankenstellung, s Strategische Umgehung.

Strategische Front, die Berührungslinie der beiden Grenzgebiete zweier feindlichen Staaten, auf denen ein Zusammenstoß erfolgen kann. Die S. F. zwischen Deutschland und Frankreich z. B. wird auf beiden Flügeln durch die neutralen Staaten Belgien und Schweiz eingeengt. Denkt man sich Belgien aus seiner neutralen Stellung freiwillig oder ge-[folgende Seite]