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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tarquinius Suberbus; Tarquinpol; Tarragona; Tarrakaj; Tarrasa

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Tarquinius Superbus – Tarrasa

Tarquinĭus Superbus, der chronologisch unrichtigen Sage nach der siebente und letzte König Roms (534–510 v.Chr.), Sohn des vorigen und Schwiegersohn des Servius Tullius (s. d.), den er, angereizt von dessen unnatürlicher Tochter, ermordete. Seine Regierung wird mit allen Zügen einer Tyrannis geschildert, als äußerst kraftvoll nach außen, nach innen despotisch, hauptsächlich gegen die Geschlechter. Das röm. Gebiet erweiterte er bedeutend, machte Rom zum Haupt des Latinischen Bundes, erhielt es im Verkehr mit den Griechen und sicherte ihm eine geachtete Stellung außerhalb Latiums. Im Innern stürzte er die Verfassung des Servius Tullius um, ließ viele Senatoren umbringen, ersetzte die Lücken nicht, entschied als Richter ohne Beirat und in Staatssachen ohne Befragen des Senats und entfremdete sich auch das gemeine Volk durch harte Frondienste, die es bei den großartigen Bauten leisten mußte, welche der König zur Vollendung der von seinen Vorgängern angefangenen Werke, insbesondere des kapitolinischen Tempels, vornehmen ließ. Die hierdurch erzeugte Unzufriedenheit kam zum Ausbruch durch den von seinem Sohne Sextus an Lucretia (s. d.) verübten Frevel. Während der König mit der Belagerung von Ardea beschäftigt war, rief Junius Brutus (s. d.) das Volk auf. Dem König mit den Seinen wurde die Rückkehr in die Stadt verweigert und eine republikanische Verfassung mit Konsuln an der Spitze des Staates eingeführt. Tarquinius Collatinus, der Gemahl der Lucretia, war der einzige des Geschlechts, der nicht verbannt wurde. Er soll sogar Konsul geworden, jedoch, dem Mißtrauen des Volks weichend, schließlich auch ins Exil gegangen sein. Die Versuche des vertriebenen Königs, zuerst durch eine Verschwörung junger Patricier, dann angeblich durch die Etrusker unter Porsenna, schließlich durch die Latiner wieder eingesetzt zu werden, waren vergeblich. T. S. zog sich sodann zu Aristodemus, dem Tyrannen von Cumä, zurück und starb 495 v.Chr. Historisch ist an diesen Thaten des T. S. wie an denen des Tarquinius Priscus nur so viel, daß ein vornehmes etruskisches Geschlecht der Tarquinier (Tarchna) existiert (die Grabstätte ist in Cäre [s. Cerveteri] aufgefunden) und wahrscheinlich eine Zeit lang in Rom machtvoll regiert hat. (S. Rom [unter den Königen].)

Tarquinpol (spr. -kängpól), Dorf bei Dieuze (s. d.) im Bezirk Lothringen.

Tarragōna. 1) Span. Provinz im S. von Catalonien und hier nach Gerona die kleinste, liegt zwischen den Provinzen Castellon de la Plana im S., Teruel im W., Saragossa im NW., Lerida im N., Barcelona im NO. und dem Mittelmeer im SO., wo das Ebrodelta die größte Ebene bildet; die übrige Küste steigt schneller an und geht meist alsbald in ein Bergland über, durch das sich der Ebro auf seinem Unterlauf hindurchwindet und das zu dem verzweigten Küstengebirge gehört, das von den Ostpyrenäen kommend durch Catalonien nach Valencia zieht. Im N. ist der Puig de Montagut 953 m hoch, die Sierra de la Llena an der Grenze von Lerida steigt bis 1012 m und die südlichere, zum Ebro und zum Mittelmeer reichende Sierra de Prades ist im Mont-Sant 1071 m hoch. Auf der rechten, westl. Seite des Ebrounterlaufs sind der Monte-Caro (1413 m) und der Tosal des Encanades (1392 m) die bedeutendsten Erhebungen. Die Thäler, besonders das Campo de T. und die Campina ↔ de Tortosa erzeugen namentlich viel Wein, Haselnüsse und Mandeln. Auf 6490,35 qkm sind (1887) 348579 (175019 männl., 173560 weibl.) E. (18474 mehr als 1877), also 53,7 auf 1 qkm. Von Personen über 7 Jahre sind 47,1 Proz. männliche und 63,3 Proz. weibliche Analphabeten. Die Provinz hat 8 Bezirke und 184 Gemeinden. –

2) T., lat. Tarrăco, befestigte Hauptstadt der Provinz T., auf 116 m hohem Hügel links von der Mündung des Francoli, an den Eisenbahnlinien Valencia-T. (275 km), Barcelona-T. (107 km) und T.-Lerida (103 km), gegen S., W. und N. umgeben von dem künstlich bewässerten Campo de T. mit 60 Orten und 150000 E., ist Sitz eines Erzbischofs, der Primas von Spanien heißt, sowie eines deutschen Konsuls und hat (1887) 27225 E. (4179 mehr als 1877); Seidenweberei, Garnspinnerei, Fabrikation von Papier und Weingeist, Ausfuhr von Wein (1895 für 14,5, 1896 für 15,5 Mill. M.), Haselnüssen, Spiritus, Mehl und Mandeln; Einfuhr von Getreide (3,6 und 6,6 Mill. M.), Tabak, Fische, Fässer und Petroleum. Die alte unregelmäßige Oberstadt liegt auf einem 247 m hohen Hügel und hat jetzt meist verfallene Festungswerke, die neuere Unterstadt wird vom königl. Fort beherrscht. T. hat eine große Kathedrale mit reichem Westportal und prächtigem Kreuzgang, 4 Nonnenklöster, Priester- und Lehrerseminar, Instituto, Kunstakademie, Bauschule, Schule für Arithmetik und Mathematik, Bibliothek (4000 Bde. und 200 Handschriften), Altertumsmuseum im Rathause, ein Theater und eine Bank. Aus der Römerzeit sind noch Reste der Stadtmauer, eines Amphitheaters, von Palästen des Augustus, des Pontius Pilatus, der Turm der Scipionen (Grabmal), ein Triumphbogen (Arco de Suro oder Bara) an der Straße nach Barcelona, Inschriften und ein Aquädukt (Puente de las Ferreras) vorhanden, der von Augustus angelegte Hafen ist verschwunden. Seit 1846 ist ein neuer, 10–13 m tiefer Hafen entstanden.

Die Stadt wurde unter dem Namen Tarrakon von Griechen aus Massilia gegründet, von den Scipionen vergrößert und zum Waffenplatze gegen die Karthager gemacht. Später war sie eine Zeit lang Residenz des Augustus und hieß als röm. Kolonie Colonia Victrix Togata und Colonia Julia Victrix Tarraconensis. Hauptstadt der Provinz Hispania Tarraconensis, war sie eine der größten Städte des Römischen Reichs, mit angeblich 1½ Mill. E., Sitz des Prokonsuls, des Obergerichtshofs, später eines Metropoliten. Die Stadt wurde 256 durch die Franken, 475 vom Westgoten Eurich gänzlich verbrannt, 713 von den Arabern unter Musa erobert und teilweise zerstört. Unter Abd ur-Rahman (780) hatte das in der Landschaft El-Bortat belegene Tharrakuna zwar noch 300000 E., sank aber mehr und mehr herab. Nach Vertreibung der Araber durch Raimund Berengar III. von Barcelona 21. März 1118 wurde das Erzbistum wiederhergestellt, und die Stadt blühte von neuem auf, ohne jedoch ihren Glanz wieder zu erlangen. Am 28. Juni 1811 eroberte der franz. General Suchet das tapfer verteidigte T. und erhielt dafür den Marschallsstab.

Tarrakaj, Insel, s. Sachalin.

Tarrasa, Bezirksstadt der span. Provinz Barcelona in Catalonien, 23 km nordwestlich von Barcelona, an der Linie Barcelona-Lerida (-Saragossa) der Nordbahn, hat (1887) 13182 E.; Tuch-, Baumwoll- und Wollzeugweberei.