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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Telegraphenverkehr

von Lissabon, eins von Cadix nach Südamerika (Pernambuco). Ganz Afrika ist von einem Kabelgürtel umspannt, der Ausläufer nach Madagaskar, Seychellen und Mauritius aussendet. Das Mittelländische Meer wird von zahlreichen Kabeln durchzogen, wovon sich drei durch das Rote Meer, Aden nach Bombay fortsetzen, wo sie Anschluß an eine Landlinie nach Hinterindien und eine andere über Madras mit zwei Kabeln nach Pulo-Pinang finden. Zahlreiche Kabel verbinden die ostasiat. Küste mit den Inseln, Batavia, Makassar, Manila, Formosa, Nagasaki; der nördlichste Punkt ist Nikolajcwsk. Südlich breitet sich hier das Netz nach Australien und von da nach Neucaledonien, Neuseeland und Tasmanien aus. Dieses große unterseeische Netz wird ergänzt durch zahlreiche Landlinien. Durch Europa zieht sich ein dichtes Netz von Telegraphenlinien, bis zum Nordkap; bedeutende Linien ziehen von Rußland durch das Innere von Asien; die nördlichste ist Petersburg und Warschau-Moskau-Jekaterinburg-Omsk-Blagowjeschlschensk-Wladiwostok mit südl. Ausläufern nach China; die große indoeurop. Linie, die von London ausgeht und über Odessa, Tiflis, Teheran nach Buschehr am Persischen Meere führt, wohin auch die zweite große Linie über Konstantinopel und Kleinasien gelangt. Die Vereinigten Staaten von Amerika, der südl. Teil von Canada, Mexiko, Argentinien, Chile und das südl. Brasilien sind von zahlreichen Landlinien durchzogen. Die Linien in Australien, auch an den Küsten, sind meistens Landlinien. Das deutsche Schutzgebiet in Ostafrika ist an das Kabelnetz angeschlossen; dagegen ist Deutsch-Südwestafrika nur durch die Post über die Kapkolonie, Deutsch-Neuguinea durch die Post über Singapur oder Batavia zu erreichen.

Die Länge sämtlicher Telegraphenlinien auf der Erde betrügt einschließlich der Eisenbahntelegraphenlinien über 2 Mill. km, etwa 51mal soviel als der Umfang des Äquators. Die einzelnen Leitungen haben eine Ausdehnung von 5423099 km, das ist 134mal der Umfang der Erde. Auf Europa entfallen davon 2560349 km. 1894 wurden auf der gesamten Erde über 351 Mill. Telegramme befördert.

Der deutsche T. (einschließlich Bayern und Württemberg) umfaßte 1895: 132000 km Linien mit 490000 km Leitungen, wovon 43000 km unterirdisch und 7000 km unter Wasser, 20723 Telegraphenämter, von denen über 8000 (auf dem Lande) nur mit Fernsprechern ausgerüstet sind; bei 8500 Ämtern (1896 bei 9800) war der Unfall-Meldedienst eingerichtet. Die Zahl der inländischen Telegramme betrug 389000, die der ausländischen: abgehend 223000, ankommend 228000, durchgehend 18000.

II. Staatsrechtliche Stellung und Gesetzgebung.

Die Wichtigkeit des Telegraphen für den diplomat., militär., administrativen und kommerziellen Nachrichtenverkehr, die Notwendigkeit einer Verhütung der Absendung von Telegrammen, deren Beförderung aus Staatsrücksichten oder aus wirtschaftlichen oder moralischen Gründen unzulässig erscheint, sowie die Fernhaltung ungerechtfertigter Bevorzugung von Privattelegrammen (Börsenmanöver), endlich der Wunsch, das Telegraphengeheimnis zu sichern, und das Erfordernis gleichmäßiger Regelung der Tarife sowie der internationalen Beziehungen der Telegraphie haben in den meisten Staaten (nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika) dazu geführt, die Ausübung der Telegraphenhoheit (nicht durchweg auch Einrichtung und Betrieb von öffentlichem

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Fernsprechverkehr) zu einem ausschließlichen Recht des Staates, zu einem Regal (s. Regalien) zu machen. Privatgesellschaften sind nicht unter allen Verhältnissen im stande, den Telegraphenbetrieb einzig und allein nach den Forderungen des Gemeinwohls zu leiten, wie dies noch jetzt z. B. bei den atlantischen Kabelgesellschaften hervortritt, die die Tarife willkürlich gestalten. Großbritannien sah sich deshalb 1868 genötigt, die bisherigen Privat-Telegraphengesellschaften auf dem Festlande zu beseitigen, ihre Linien anzukaufen und den Staatsbetrieb einzuführen. In den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Telegraphenlinien zum größten Teil in dem Besitz einer Privatgesellschaft, der Western Union Telegraph Company. Deutschland hat begonnen, submarine Kabel in Staatsbetrieb zu nehmen, wie die Linien Borkum-Lowestoft, Greetsiel-Valentia, Hoyer-Arendal, Arcona-Trälleborg und Emden-Vigo.

In Bezug auf die Telegraphengesetzgebung gelten in den verschiedenen Staaten abweichende Bestimmungen. Für das Deutsche Reich gilt das Telegraphengesetz vom 6. April 1892, welches sich auch auf die Fernsprechanlagen erstreckt und die Ausdehnung des Regals auf den Fernsprechverkehr feststellt (vgl. Maas, Das Gesetz über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs vom 6. April 1892, Berl. 1892). Außerdem trifft es Bestimmungen, welche den Telegraphenbetrieb gegen Störungen durch elektrische Beleuchtungsanlagen, elektrische Eisenbahnen und Kraftübertragungen schützt. Zum rechtlichen Schutze der Telegraphenanlagen gegen Beschädigungen sind besondere Strafbestimmungen (§§. 317, 318 u. 318 a. des Reichsstrafgesetzbuchs) erlassen worden; außerdem kommen noch die allgemeinen Strafbestimmungen über Sachbeschädigung und groben Unfug (§§. 304, 305 u. 360) in Betracht. Hierauf bezügliche Gesetze sind in neuester Zeit namentlich auch in der Schweiz, Österreich (Vorlage vom 21. April 1896), Frankreich, Spanien, Griechenland und Belgien erlassen worden. Den internationalen T. regelte der Petersburger Telegraphenvertrag vom 10. Juli 1875 und die internationalen Telegraphenkonferenzen (London 1879, Berlin 1885, Paris 1890, Budapest 1896).

III. Die Verhältnisse der Telegraphenverwaltung zum Publikum.

Der Vertrag zwischen der Telegraphenverwaltung und dem Absender ist nach wissenschaftlicher Auffassung ein Vertrag über Handlungen do ut facias. Nach den gemeinrechtlichen Grundsätzen haftet die Telegraphenverwaltung für Versehen ihrer Beamten (Verstümmelung, Verlust oder Verspätung von Telegrammen) nur dann, wenn sie sich bei der Auswahl dieser Beamten einer sträflichen Nachlässigkeit schuldig gemacht hat. Bei gehöriger Sorgsamkeit der Verwaltung in diesem Punkte ist daher die Haftung als völlig ausgeschlossen zu erachten. Ebenso wird für den Zufall ein Ersatz nicht gewährt, dagegen hat unter Umständen der Telegraphenbeamte civilrechtlich für dolus und culpa zu haften. Demgemäß bestimmt §. 24 der auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung für das Gebiet des Deutschen Reichs mit Gesetzeskraft erlassenen Telegraphenordnung vom 15. Juni 1891 folgendes: Die deutsche Telegraphenverwaltung leistet für die richtige Überkunft der Telegramme oder deren Überkunft und Zustellung innerhalb bestimmter Frist keinerlei Gewähr und hat Nachteile, welche durch Verlust, Verstümmelung oder Verspätung der Tele-