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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Telephonverkehr

gedehnten Verwendung zuerst in Nordamerika, wo die Arbeitskräfte, Botenlöhne u. s. w. sehr teuer sind. Schon 1880 waren die bedeutendsten Städte der Vereinigten Staaten mit Telephonanstalten (telephone exchange) versehen, deren Betrieb Privatgesellschaften meist gegen Zahlung einer gewöhnlich ziemlich hohen Rente an den betreffenden Bundesstaat übernommen hatten. Die von den Teilnehmern zu zahlenden Jahresbeträge sind daher in Amerika oft beträchtlich (jährlich 500-900 M.).

Dem Vorgange Amerikas folgten in Europa zuerst England, Deutschland und Frankreich. In Deutschland wurden 1877 im Oktober in Berlin seitens der Reichstelegraphenverwaltung und 23. und 24. Nov. in Dresden, sowie 6. Dez. zwischen Dresden und Chemnitz (80 km) von Professor Zetzsche und dem Telegraphen-Oberinspektor Pörsch der sächs. Staatsbahnen die ersten Versuche mit dem Telephon angestellt: noch in demselben Jahre wurden die ersten amtlichen Telephonsprechstellen in Berlin und Friedrichsruh eingerichtet. Ende 1877 waren bereits 16 Telephonanstalten im Reichstelegraphengebiet vorhanden, welche als Telegraphenämter dienten, und 1890 betrug die Zahl dieser Verkehrsanstalten 5722 oder rund 33 Proz. aller deutschen Telegraphenämter; bei der Billigkeit der Telephone führte namentlich die Einfachheit der Bedienung derselben zu deren Verbreitung auf dem platten Lande und in kleinen Ortschaften, wo nicht technisch gebildete Beamte, sondern meist Privatpersonen den Dienst versehen. Auch den Feuer- und Unfallmeldedienst und die Wasserstandsmeldungen hat man mit diesen Telephonanstalten zum Nutzen der Gemeinden verbunden. Überaus schnell haben die öffentlichen Stadttelephonanlagen im Deutschen Reiche eine gewaltige Ausdehnung gewonnen. Die ersten Einrichtungen traten 1881 zu Berlin (mit 94 Teilnehmern und 193 Sprechstellen), zu Mülhausen im Elsaß und zu Hamburg ins Leben. Ende 1897 bestanden in 529 Orten Anlagen mit insgesamt 144007 Sprechstellen und 210532 km Leitung. Die Gebrauchsfähigkeit des T. wurde wesentlich erweitert, als man das Mikrophon (s. d.) als Geber benutzte und den Bronzedraht an Stelle des Stahl- oder Eisendrahtes einführte, es gelang dadurch, das gesprochene Wort auch in sehr weiten Entfernungen ganz deutlich wiederzuerzeugen und den Betrieb von Stadt zu Stadt, von Land zu Land (z. B. Paris-London) auszudehnen. 1885 wurde der mündliche Verkehr zwischen den Teilnehmern der Stadttelephonnetze in Berlin und Magdeburg ins Werk gesetzt; dann folgte die Eröffnung des T. zwischen Berlin und Hannover und nach und nach wurden viele Städte in gleicher Weise mit der Reichshauptstadt und untereinander verbunden. Es bestehen Ende 1897: 770 solcher Verbindungsanlagen mit 78554 km Leitung; einige hervorragende darunter sind: Berlin-Memel (1032 km), Berlin-Köln (632 km), Berlin-Frankfurt a. M. (571 km); dazu noch Berlin-Budapest (970 km). Ferner wurde in den dicht bevölkerten industriellen Gegenden Deutschlands zuerst eine größere Anzahl benachbarter Sprechnetze zu einer zusammenhängenden Anlage (Bezirksnetz) vereinigt. (S. Deutschland [und Deutsches Reich, Verkehrswesen].)

Von im Auslande bestehenden Telephonverbindungen zwischen verschiedenen Städten sind noch zu erwähnen: Neuyork-Washington (450 km), Paris-Brüssel (320 km), Oporto-Lissabon (312 km), Buenos-Aires-Montevideo (312 Km), Wien-Budapest

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(270 km), Brüssel-Antwerpen und Brüssel-Gent. Der Versuch, unterseeische Kabel von größerer Länge zu Telephonzwecken zu benutzen, ist auf dem Kabel Cuxhaven-Helgoland (75 km) mit günstigem Erfolg gemacht worden.

II. Mitbenutzung von Telegraphenlinien und Telegraphendrähten für die Telephonie. Bei der Verbindung der Telephonnetze verschiedener Städte oder Ortschaften mußte es aus ökonomischen Gründen wertvoll erscheinen, die Telephondrähte mit auf demselben Gestänge zu führen, auf welchem die Telegraphenleitungen zwischen diesen Städten liegen. Man stößt indessen dabei auf Schwierigkeiten, weil bei der überaus großen Empfindlichkeit des Telephons selbst bei großer Entfernung der verschiedenen Drähte voneinander die Telegraphierströme in den Telephonleitungen Ströme induzieren, welche sich im Telephon deutlich wahrnehmbar machen und daher das Sprechen stören. Man hat sich daher dazu genötigt gesehen, derartige Telephon-Verbindungsleitungen getrennt von den Telegraphenleitungen auf besondere Gestänge zu legen, womöglich auf einem ganz andern Wege.

Weiter tauchte die wichtige Frage auf, ob man nicht nach den für die gleichzeitige Mehrfache Telegraphie (s. d.) maßgebenden Gesetzen die für den gewöhnlichen Telegraphendienst bestimmten Drähte zugleich mit für den T. benutzen könne. Dahin zielende Versuche wurden bereits 1877 von Zetzsche in Dresden angestellt. Sehr nachhaltig hat sich der belg. Physiker F. van Rysselberghe um die Lösung dieser Aufgabe bemüht, seine Anordnungen sind auch in Belgien, Frankreich und Osterreich zur Ausführung gekommen, sie sind aber, ebenfalls wegen der elektrischen Induktion aus benachbarten Drähten, sehr verwickelt und haben sich deshalb noch nicht eine größere Verwendung zu erringen vermocht. Neuerdings sind ähnliche Versuche mit gutem Erfolge in mehrern Ländern, auch in Deutschland, angestellt worden. Eine 1885 von Charles Langdon-Davies in London für denselben Zweck vorgeschlagene, Phonopore oder Elektrophon benannte Anordnung hat bisher noch keine praktische Verwendung gefunden.

III. Staats- und privatrechtliche Stellung des Telephons. Die Frage, ob und in wieweit telephonische Mitteilungen, sofern sie nicht zufolge der Betriebsweise (s. unter I) Telegrammen ganz gleichstehen, in das Gebiet des staatlichen Hoheitsrechts (Monopols) fallen, hat in den verschiedenen Staaten eine abweichende Beantwortung erhalten. Deutschland hat das Recht, Telephonanlagen in Städten und zwischen Städten auszuführen und zu betreiben, dem Staate allein vorbehalten, ebenso die Ausführung oder mindestens die Überwachung von Anlagen, welche bloß bestimmten einzelnen Privatpersonen dienen sollen. Ebenso hat die Schweiz die den Privatgesellschaften erteilten Konzessionen nicht wieder erneuert und in allen Teilen des Landes staatliche Telephonnetze errichtet, so daß zur Zeit die Telephonie in der Schweiz als ein Regierungsmonopol anzusehen ist. In Italien hat sich die Regierung das Recht der Konzessionierung von Telephonanlagen gegen einen Anteil am Reingewinn vorbehalten. In Österreich, England und Frankreich betreibt der Staat die Telephonie und erteilt daneben auch Konzessionen an Privatgesellschaften. Amerika dagegen hat gänzlich freien Betrieb durch Private. Neuerdings haben alle europ. Staaten das Telephon als zu den droits régaliens (jura regalia)