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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Telephonverkehr

gehörig erachtet und dem entsprechende Reglements für die Anlage und den Betrieb desselben erlassen.

Auf den internationalen Telegraphenkonferenzen zu Berlin (1885) und Paris (1890) wurden die Grundsätze für den internationalen Telephondienst hinsichtlich der Wahl der Apparate, Leitungen u. s. w. vereinbart und die Durchschnittsdauer eines Gesprächs bezüglich der Taxierung von 5 auf 3 Minuten herabgesetzt.

Mit der beständigen Ausbreitung der Telephonanlagen in Städten ist auch die Frage wichtig geworden, ob und inwieweit bei Anlage von Telephonleitungen die Verwaltung auf den Grundstücken dritter Personen Stangen und Stützpunkte anzubringen und Drähte über die Gebäude zu ziehen befugt ist, ohne die Genehmigung der Eigentümer zu bedürfen. Während man in Deutschland lediglich im Wege der gütlichen Verhandlungen auszukommen sucht, hat man in Frankreich, Österreich, Ungarn und der Schweiz die Rechte der Verwaltung zur Benutzung von Privateigentum im Wege des Gesetzes festgestellt. Nach dem franz. Gesetz vom 28. Juli 1885, dem ungar. Gesetz über Telegraphen-, Telephon- und andere elektrische Einrichtungen sind die Eigentümer gehalten, die Befestigung der Stützpunkte auf und an den Gebäuden und die Führung der Leitungen ober- oder unterhalb der Erde zu dulden, soweit dadurch die unumschränkte Benutzung des Eigentums nicht behindert wird. Den Eigentümern steht nur das Recht zu, die Erstattung des etwa verursachten Schadens oder die Wiederherstellung des frühern Zustandes zu fordern. Ähnliche Vorschriften hat auch die belg., griech. und die norweg. Gesetzgebung getroffen.

Unter den aus der Benutzung des Telephons von seiten der Angeschlossenen sich ergebenden Rechtsfragen ist besonders von Wichtigkeit, ob die mittels Telephon abgeschlossenen Verträge im Sinne des bürgerlichen Rechts als zwischen Gegenwärtigen, oder als unter Abwesenden geschlossen anzusehen sind. Nach der allgemeinen Rechtsauffassung liegt bei Vertragsschlüssen durch das Telephon ein Vertrag unter Anwesenden insofern vor, als die sofortige, unvermittelte Antwort möglich ist, ein Vertrag unter Abwesenden dagegen, insofern die Parteien ihre Erklärungen an getrennten Punkten des Raums abgeben. Handelt es sich demnach um die Bestimmung des Ortes, an welchem der Vertrag zu stande gekommen ist, so muß der Ort, an welchem der Annehmende seine Erklärung abgab, als der Ort des Vertragsschlusses angesehen werden.

IV. Hinsichtlich der Gebührenfrage kommen bei Stadttelephonanlagen drei verschiedene Verfahrungsweisen vor: die besonders in Schweden anzutreffende Kooperationsbildung, bei welcher die Angeschlossenen einen Verein bilden, welcher das Telephonnetz auf gemeinsame Kosten baut und betreibt, ferner ein Vorgehen, bei welchem die Angeschlossenen die Kosten für Herstellung des Anschlusses, sowie fortlaufend eine bestimmte Jahresgebühr zu zahlen haben, und endlich die auch in Deutschland in Anwendung stehende Zahlung eines bloßen Jahresbeitrags. Die letztere Zahlungsweise begünstigt am meisten die Ausbreitung der Stadttelephonnetze.

Beim T. von Ort zu Ort gestaltet sich das Telephon schon mehr zu einer Abart des Telegraphen. Die Unternehmer der Telephonanlagen haben hier, und in ähnlicher Weise bei den öffentlichen Sprechstellen eines städtischen Telephonnetzes, nicht mehr mit festen Teilnehmern zu thun, welche eine beson-

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dere Leitung beanspruchen, sondern mit beliebigen Personen, mit jedem, der die Gebühr für die Benutzung eines Verkehrsmittels entrichten will. Bei großen Entfernungen erreicht diese Gebühr eine solche Höhe, daß sie ein erhebliches Hindernis gegen Telephonanlagen zwischen weit entfernten Orten bildet. Die Gebühren für die Benutzung der großen Telephonverbindungsanlagen (Überlandleitungen) sind in den einzelnen Staaten sehr verschieden. Sie betragen z. B. für die Linie Buenos-Aires-Montevideo (312 km) für ein Gespräch bis zu 5 Minuten Dauer 5 M., für 5-10 Minuten 12 M. 50 Pf., 10-15 Minuten 25 M. Auf der Linie Wien-Budapest (270 km) 1 Fl. für ein Gespräch von 3 Minuten und 3 Fl. für ein dringendes Gespräch, in Deutschland für alle interurbanen Linien 1 M. für die Zeit von 3 Minuten, in der Schweiz dagegen bis auf eine Entfernung von 50 km 30 Cts., von 50 bis 100 km 50 Cts. und für größere Entfernungen 75 Cts.

Um die Beitragskosten für die ständige Benutzung von Telegraphen- und Telephonleitungen zwischen zwei verschiedenen Städten ermäßigen zu können, hat P. B. Delany in Neuyork 1890 den Vorschlag gemacht, dieselbe Leitung mehrern Personenpaaren zugleich so zugänglich zu machen, daß in regelmäßiger Abwechselung jedem Paar die Leitung in jeder Stunde auf eine bestimmte Zeit, z. B. 5 Minuten, zur Verfügung gestellt wird. Dazu sind Einrichtungen in den Vermittelungsämtern in den beiden Städten nötig, welche wesentlich den für die absatzweise Vielfachtelegraphie (s. Mehrfache Telegraphie) erforderlichen gleichen, jedoch unter Beigabe von Uhren, welche zur rechten Zeit die Umschaltung besorgen und durch geeignete Korrektionsvorrichtungen im übereinstimmenden Gange erhalten werden.

In Deutschland gliedert sich der T. in den Stadtverkehr, den Vorortsverkehr und den Fernverkehr. Die ständigen Zahlungen seitens der Teilnehmer betragen jährlich für den Stadtverkehr 150 M. bei Sprechstellen innerhalb des Postortsbestellbezirks, für Stellen außerhalb dieses Bezirks 50 M. mehr für 1 km Leitung; im Vorortsverkehr außer der Abonnementsgebühr von 150 M. noch 50 M. für die Benutzung der Verbindungsleitung; im Fernverkehr ist ein ständiger Beitritt unzulässig.

Zur Förderung des telephonischen Verkehrs übernimmt die Reichstelegraphenverwaltung die Herstellung von Privatleitungen zwischen Geschäftsstuben oder Wohnungen untereinander; gegen Entrichtung einer Jahresgebühr von 75 M. für eine 1 km lange Leitung und jedes weitere Kilometer mehr 30 M. Die Herstellung solcher Privattelephonanlagen kann auch von Privaten bewirkt werden. Die Genehmigung hierzu wird seitens der Telegraphenverwaltung ohne Anspruch auf Entschädigung in den Fällen erteilt, wenn die Leitung nicht zwei Orte mit verschiedenen Telegraphenanstalten verbindet. Andernfalls wird als Entschädigung eine jährliche Vergütung erhoben, welche dem aus der Einrichtung entstehenden Ausfall an Telegrammgebühren entspricht.

Für eine besondere Gebühr wird es in den Städten verschiedener Länder den Teilnehmern an dem städtischen Telephonnetze gestattet, ihre Telegramme telephonisch dem Telegraphenamte zuzuführen und für sie ankommende Telegramme von diesem Amte telephonisch in Empfang zu nehmen.

Über den Umfang des Verkehrs im J. 1895 giebt die nach der amtlichen Statistik im "Journal télégraphique" (1897) aufgestellte Tabelle Aufschluß: