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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tessera; Tesserales Krystallsystem; Tesseralkies; Tessin

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Tessera - Tessin (Kanton)

Hagen in Pommern, studierte in Greifswald, Tübingen und Berlin Rechtswissenschaft, trat dann in den preuß. Staatsdienst, wurde 1864 Staatsanwalt zu Burg bei Magdeburg, 1867 erster Staatsanwalt am Stadt- und Kreisgericht zu Magdeburg, 1873 an das Stadtgericht zu Berlin versetzt. Zum Senatspräsidenten ernannt, gehörte er 1879-85 den Oberlandesgerichten zu Königsberg und Naumburg als Vorsitzender eines Civilsenats an und wurde 1885 an das Kammergericht zu Berlin versetzt als Präsident des Strafsenats, des sog. Kleinen Obertribunals. Am 1. April 1886 wurde er zum Oberreichsanwalt am Reichsgericht zu Leipzig ernannt, wo er 1. Dez. 1895 starb.

Tessera (lat.), Würfel; Tafel zum Stimmen in Versammlungen.

Tesserales Krystallsystem, s. Krystalle.

Tesseralkies oder Arsenkobaltkies, ein sehr seltenes Mineral, das nur als Einsprengung im Gneis von Skutterud in Norwegen bekannt ist; es bildet reguläre Krystalle sowie körnige Aggregate von ziemlich starkem Glanz, zinnweißer Farbe mit bisweilen bunt angelaufener Oberfläche und ist chemisch Dreifach-Arsenkobalt, CoAs3.

Tessin, Fluß, s. Ticino.

Tessin, ital. Ticino, in der histor. Rangordordnung der 18., dem Flächeninhalt nach der 5., der Einwohnerzahl nach der 7. Kanton der Schweiz, bildet den südlichsten Teil des Landes, grenzt im N. an die Kantone Wallis, Uri und Graubünden, im O. an Graubünden, im S. und W. an die ital. Provinzen Como und Novara und hat eine Fläche von 2818,4 qkm. Der Kanton ist nach dem Flusse Ticino (s. d.) benannt. (S. Karte: Die Schweiz.)

Oberflächengestaltung, Bewässerung, Klima. Das obere T. wird von den Lepontinischen Alpen (s. Westalpen) eingenommen: den Nordrand bildet die St. Gotthardgruppe, den Ostrand die Adulaalpen, den Raum zwischen der Toce und dem Ticino erfüllen die Tessiner Alpen. Die wichtigsten Thäler sind die Thalstufen des Ticino, das Bleniothal, das Verzascathal und das Maggiathal. Im S. des Kantons erhebt sich jenseit des Lago Maggiore und der Sumpfebene des Ticino das fruchtbare, bewachsene und bewaldete Voralpenland der Seegruppe mit dem Monte-Camoghé (2227 m) und dem Monte-Generoso (1695 m). Der äußerste Süden gehört der lombard. Tiefebene an. Der Kanton gehört zum Gebiet des Po (s. d.), welchem die meisten Gewässer durch den Ticino, die des südlichsten Teils durch die Olona (Lambro) und die Adda zugeführt werden. Das Klima ist nach der Lage und Höhe sehr verschieden: während das Hospiz auf dem St. Gotthard (2100 m) ein Jahresmittel von -0,6° C., eine Sommertemperatur von +6,8° und eine Wintertemperatur von -7,4° C. hat, beträgt für Bellinzona (229 m) das Jahresmittel +12,5, die Sommertemperatur +21,8 und die Wintertemperatur +3,1 bei einer Regenmenge von 1,8 m.

Bevölkerung. Der Kanton hatte eine Wohnbevölkerung von 1860: 116 343, 1870: 121 591, 1880: 130 394, 1888: 126 751 (56 006 männl., 70 745 weibl.) E., d. i. 46 E. auf 1 qkm und eine Abnahme 1880-88 von 1,75 Proz., darunter 125 279 Katholiken, 1033 Evangelische, 9 Israeliten und 430 andere; ferner 24 570 bewohnte Häuser mit 30 082 Haushaltungen in 265 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 111 183, in der übrigen Eidgenossenschaft 1730, im Auslande 13 838; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 83 476, einer andern Gemeinde des Kantons 23 152, eines andern Kantons 1840, Ausländer 18 283. Der Muttersprache nach sind 124 502 Italiener, 1843 Deutsche, 242 Franzosen, 71 Romanen und 93 andere. Die Zahl der Geburten (einschließlich der Totgeburten) betrug (1891) 3671, der Eheschließungen 669, der Sterbefälle 2809.

Der Kanton zerfällt in 8 Bezirke:

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Bezirke Einwohner Evangelische Katholiken Israeliten Andere

Bellinzona (Bellenz) 14 910 280 14 578 2 50

Bollenz (Blenio) 7 011 4 7 001 1 5

Livinen (Leventina) 9 627 73 9 535 - 19

Locarno (Luggarus) 23 240 84 23 113 - 43

Lugano (Lauis) 40 350 303 39 833 6 208

Mendrisio (Mendris) 20 801 123 20 641 - 37

Riviera 4 719 165 4 499 - 55

Mainthal (Valle-Maggia) 6 093 1 6 079 - 13

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Landwirtschaft und Bergbau. Von der Fläche sind 1880 qkm, d. i. 66,7 Proz., produktives Land: 486,4 qkm Waldungen, 1313,9 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland und 79,7 Rebland. Von dem verbleibenden Teile sind 34 qkm Gletscher, 66,4 Seen, 9,4 Städte, Dörfer und Gebäude, 46,4 Flüsse und Bäche, 6,8 Schienen- und Straßenwege und 775,6 Felsen, Schutthalden u. s. w. Der Boden ist im obern T. (Sopraceneri) in den höhern Lagen weniger fruchtbar, die Alpen sind steinig, die Thalsohlen häufigen Lawinen und Steinschlägen ausgesetzt, dagegen sind die Ufer des Lago Maggiore und das Land südlich vom Monte-Ceneri (Sottoceneri) sehr fruchtbar. Haupterwerbsquellen sind Ackerbau (Mais, Weizen, Roggen, Hirse, Buchweizen, besonders auch Tabak), Obst- und Weinbau und Alpwirtschaft; wichtige Produkte sind ferner Südfrüchte (Citronen, Pomeranzen) bei Locarno, Bellinzona und Lugano und Edelkastanien in den Waldungen der Voralpen und der untern Thalstufen. Der Wiesenbau steht hinter dem anderer Kantone zurück. Nach der Viehzählung von 1886 hat der Kanton 973 Pferde, 568 Esel, 311 Maultiere, 50 475 Rinder, 10 226 Schweine, 16 462 Schafe, 65 179 Ziegen und 4794 Bienenstöcke. Außerdem sind zu erwähnen die Zucht von Seidenraupen und Tafelschnecken. Die starke Ziegenzucht ist neben der Raubwirtschaft früherer Jahrzehnte und Jahrhunderte die Hauptursache des kläglichen Zustandes der Waldungen im Hochgebirge. Der Bergbau liefert Topf- oder Lavezstein im Val Lavizzara, Marmor bei Mendrisio, Granit und Gneis bei Locarno und andern Orten, besonders bei Cresciano und an der ganzen Gotthardlinie entlang.

Handel und Industrie sind unbedeutend; doch haben die Ortschaften der St. Gotthardbahn lebhaften Fremdenverkehr. Faido, Bellinzona und Lugano sind als Viehmärkte bekannt, in Sottoceneri blüht die Seidenspinnerei, in Brissago die Cigarrenfabrikation, im Onsernonethal die Strohflechterei. Etwa 10 Proz. der Bevölkerung wandert alljährlich aus, um in der Fremde als Maurer, Gipser, Erdarbeiter an Straßen und Eisenbahnbauten, Kastanienbrater, Bilderhändler, Cafetiers u. s. w. zu arbeiten. Alle Hauptthäler werden von guten Straßen durchzogen; der Lago Maggiore und der Luganer See haben Dampfboote. Die Hauptverkehrsader ist die Gotthardbahn (s. d.).

Verfassung, Verwaltung, Finanzen. Die Verfassung ist repräsentativ-demokratisch mit fakultativem Referendum. Der Große Rat, je ein Mitglied auf 1200 E., vom Volke in 8 Kreisen auf