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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Theater

tere, unmittelbar vor der Scene liegende Hälfte der kreisrunden Orchestra; hier spielten die Schauspieler in derselben Ebene wie der Chor, ihr Spielplatz war nicht, wie man früher annahm, auf einer erhöhten Bühne, die durch das Proskenion gebildet wäre, sondern vor dem Proskenion in der Orchestra. Nur in besondern, durch die Handlung gegebenen Fällen, z. B. bei Göttererscheinungen, wurde das Dach des Proskenions oder der Scene oder das zweite Stockwerk (s. Taf. I, Fig. 1) benutzt.

Diese konventionelle Einrichtung der griech. Bühne erhielt sich Jahrhunderte hindurch. Die alte Bühne hat sich der körperlichen und gemalten Dekorationen nicht in dem Sinne realistischer Täuschung bedient, sondern in der scenischen Darstellung manches nur symbolisch angedeutet und der Phantasie der Zuschauer viel zu ergänzen übrig gelassen. Vor allem blieben der antiken Bühne die modernen Lichteffekte versagt, da die Vorstellungen stets bei Tage stattfanden; doch besaß sie viele ähnliche Einrichtungen wie die moderne. Auch war in einigen antiken Stücken, wie in den "Eumeniden" des Äschylos und dem "Aias" des Sophokles, ein Scenenwechsel erforderlich. Gewiß wurde die Scene regelmäßig durch verschieb- und wegnehmbares Getäfel oder Tapeten gebildet. Eine weitere Dekorationsvorrichtung, ähnlich unsern Coulissen, hatten die Griechen in den Periakten, dreiseitigen breiten Pfeilern, deren Wände verschiedene Dekorationsansichten darboten und die, an den Seiten der Bühne nahe den Paraskenien auf Zapfen stehend, umgedreht wurden, wodurch ein sichtbarer Scenenwechsel ausgeführt werden konnte. Daß die antike Bühne eine Ober- und Untermaschinerie besaß, ist wahrscheinlich, denn es wird ein Hebewerk erwähnt, vermittelst dessen die Entführung eines Leichnams und Luftfahrten der Götter und Heroen über die Bühne bewirkt wurden.

Noch zur Zeit der Blüte der dramat. Poesie im 5. Jahrh. v. Chr. bestand in Griechenland kein festes T.; die Sitze sowohl wie das Spielhaus, die Scene, waren von Holz. Erst im 4. Jahrh. v. Chr. trat an die Stelle des Holzbaues ein Steinbau, aber die Art des Spielens und die Einrichtung der Scene blieb zunächst dieselbe. Das älteste erhaltene steinerne T. ist das Dionysostheater in Athen am Fuße der Akropolis; es bot die Aussicht auf das Meer und benutzte einen Teil des Felsens als Hinterwand und Unterbau zum Schauplatz. Es enthielt Raum für etwa 15 000 Personen und wurde auch zu Volksversammlungen u. s. w. benutzt. Man baute auch sonst in Griechenland die T. womöglich an dem Abhang eines Hügels oder Felsens, um hier die Sitze der Zuschauer stufenweise übereinander anlegen zu können. Zwischen den in erweitertem Halbkreis angebrachten Sitzreihen liefen ein oder mehrere breite Gänge umher; Treppen führten zwischen den Sitzräumen strahlenförmig von unten nach oben und zerlegten den ganzen Zuschauerraum in große Keile. Die untersten Reihen hinter der Orchestra galten für die vornehmsten Plätze, wo die Priester und Behörden sowie andere fremde und einheimische Personen, welchen dieses Ehrenrecht verliehen war, saßen.

Bei den Griechen fanden ebenso wie bei den Römern die theatralischen Vorstellungen nur bei religiösen Festen statt. Sie gingen vom Staate aus und standen unter Aufsicht von Staatsbeamten. In Athen stand an der Spitze ein Archon, der die geschäftliche Oberleitung hatte. Der Staat sorgte für die Schauspieler. Von ihm wurden die Protagonisten (erste Schauspieler) ausgewählt und durch das Los den einzelnen Dichtern zugeteilt. Diese hatten dann für die andern Schauspieler zu sorgen. Der Chor (s. d.) wurde von einem reichen Bürger gestellt, ausgerüstet, mit Kostümen versehen und während der Einübung unterhalten; diese vom Staat auferlegte Leistung hieß "Liturgie". Bei jedem Feste wurden mehrere Dramen gegeben, so daß deren Aufführung mehr als einen Tag in Anspruch nahm. Die Dramen (Komödie wie Tragödie) wurden von fünf Kunstrichtern beurteilt. Nach ihrem Ausspruch erteilte man die Preise, die in einem Epheukranze und namhaften Geldsummen bestanden. Der Staat baute die T. Das Gebäude mit Zubehör, also auch den Dekorationen, hatte der Theaterpächter zu erhalten, der seine Auslagen durch das Theorikon (Eintrittsgeld) deckte. Dieses betrug zwei Obolen (25 Pf.) und ward seit Perikles' Zeit den weniger bemittelten Bürgern vom Staate gezahlt.

Das römische T. zeigt bei im ganzen ähnlicher Anlage im einzelnen wesentliche Verschiedenheiten, die sich zum Teil aus den durch den Wegfall des Chors veränderten Bedingungen des Spieles erklären. Das Hauptsächliche ist die Teilung der Orchestra in eine vordere tiefere Hälfte und einen hintern erhöhten Raum, welcher nun als abgegrenzte feste Bühne vor dem Proskenion sich darstellt. Die vordere Hälfte wurde jetzt zu dem Zuschauerraum mit einbezogen, dieser pflegt im Grundriß die Gestalt eines Halbkreises zu haben. Der Theaterbau in Rom beginnt mit dem 2. Jahrh. v. Chr. Die Gebäude waren aus Holz und wurden nach den Spielen jedesmal wieder abgebrochen. Erst im J. 55 v. Chr. erhielt Rom das erste steinerne T. durch Pompejus. Ein zweites erbaute Cornelius Balbus 13 v. Chr., und in demselben Jahre wurde das dritte, das des Marcellus, eingeweiht, von dem noch bedeutende Reste erhalten sind. Neben diesen drei steinernen T. sind aber immer von neuem in der röm. Kaiserzeit auch T. für zeitweiligen Gebrauch aufgeschlagen und oft mit größter Pracht ausgestattet worden. Seit 133 v. Chr. war im römischen T. der Vorhang (Hulaeum) eingeführt, der während des Spiels in einer Vertiefung vor der Bühne ruhte und am Schluß aufgezogen wurde.

Bei den Römern wurden für die scenischen wie für die Circensischen Spiele (s. d.) von Staats wegen Summen bewilligt, aber da die Veranstaltung solcher Spiele ein Weg war, sich die Gunst des Volks zu erwerben, wurden von den mit der Leitung beauftragten Magistraten aus eigenen Mitteln große Summen noch dazu gegeben. Privatpersonen und vollends die Kaiser veranstalteten die von ihnen gegebenen Spiele ganz aus ihren Mitteln.

Reste von altklassischen Theateranlagen sind zahlreich. Das Dionysostheater zu Athen läßt in seinen verschiedenen Umbauten die einzelnen Perioden der Entwicklungsgeschichte des T. erkennen. Das gut erhaltene T. von Epidauros (s. d.), im Altertum berühmt wegen seiner Schönheit, ist besonders wichtig, weil es die ursprüngliche griech. Anlage der Hauptteile unverändert durch spätere Umbauten zeigt. Andere T. sind erhalten in Peiraieus, in Oropus, Eretria, Sikyon, Megalopolis, Sparta, Messene, auf Delos, in Kleinasien in Assus, Pergamon, Priene, Magnesia, Ephesos, Milet. Das T. zu Aspendos in Kleinasien ist durch die noch vorhandenen Reste des Scenengebäudes merkwürdig, von dem bei den