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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Theater

meisten andern nur die Fundamente mehr oder weniger gut erhalten sind. Von den vielen T. in Italien sind, außer denen zu Rom selbst, namentlich die wieder entdeckten zu Herculanum und Pompeji zu erwähnen. In Gallien sind die von Arles, Orange (s. Taf. I, Fig. 1-3), Bordeaux, Besançon in Resten erhalten.

Vgl. Wieseler, Theatergebäude und Denkmäler des Bühnenwesens bei den Griechen und Römern (Gött. 1851); Strack, Das altgriech. Theatergebäude (Potsd. 1843); Geppert, Die altgriech. Bühne (Lpz. 1843); Schönborn, Die Skene der Hellenen (Berl. 1858); Wieseler, Griechisches T. (in der "Allgemeinen Encyklopädie" von Ersch und Gruber, 1. Sekt., 83. Bd., Lpz. 1866); Sommerbrodt, Scaenica (Berl. 1876); Kawerau, Theatergebäude (in Baumeisters "Denkmälern des klassischen Altertums", Münch. 1884-88); Alb. Müller, Lehrbuch der griech. Bühnenaltertümer (Freib. i. Br. 1886); Stengel und Öhmichen, Sacralaltertümer und Bühnenwesen der Griechen und Römer (Münch. 1890); Haigh, The Attic theatre (Oxf. 1890); Öhmichen, Griech. Theaterbau (Berl. 1886); für das röm. Theaterwesen: Becker, Handbuch der röm. Altertümer, Bd. 1 (Lpz. 1843), und in dem "Handbuch" von Marquardt und Mommsen, Bd. 6 (von Marquardt; 2. Aufl. von Wissowa, ebd. 1885), den Abschnitt über die Spiele von Friedländer; R. Opitz, Schauspiel und Theaterwesen der Griechen und Römer (ebd. 1889); Arnold, Das altröm. Theatergebäude (ebd. 1873); Ribbeck, Die röm. Tragödie (ebd. 1875); Bethe, Prolegomena zur Geschichte des T. im Altertum (ebd. 1896); Robert, Die Scenerie des Aias, der Eirene und des Prometheus (im "Hermes", Bd. 31 [1896], S. 530-577); Körting, Geschichte des griechischen und römischen T. (Paderb. 1896); besonders aber Dörpfeld und Reisch, Das griechische T. (Lpz. 1896).

Das moderne T. wuchs wie das antike aus dem Gottesdienst, seine Gestaltung aus den Trümmern der antiken Kunst hervor. Da frühzeitig die Kunst im Dienste der Kirche stand, so bequemte sich die bauliche Anlage der Gotteshäuser dem Zweck der heiligen Festspiele an und gemahnte an die antiken Muster. Bot der Bau der Kirche die örtliche Gelegenheit der Spiele nicht von selbst, so ward sie durch aufgeschlagene Gerüste dazu hergestellt. Und dies geschah auch, als zunehmende Verweltlichung auch allzu personenreiche Texte die Kirchenspiele, Mysterien (s. d.) genannt, aus dem Gotteshause ins Freie auf Kirchhöfe, Straßen, Märkte verbannte.

Während uns erhaltene Grundrisse erweisen, daß anfangs auch im freien Raume die Anordnung der terrassenförmig ansteigenden dreiteiligen Bühne nicht aufgegeben war, so erweiterte und verwirrte sich doch nur zu bald, des kirchlichen Rahmens beraubt, das Scenenbild. In Frankreich, das schon im Mittelalter vorangehend für die theatralische Entwicklung wurde, suchte man die geschlossene Anlage zu bewahren, indem man die Zahl der Emporbühnen hoch übereinander steigerte, oder die drei Bühnenräume durch Zwischenteilung in zahlreiche sog. loges vervielfältigte, oder auch die Bühnenbauten in stumpfen Winkeln um die Zuschauer stellte, die sich nun von einem zum andern wenden mußten, oder man gab den festen Stand ganz auf und verteilte, gleich den Stationsaltären der Fronleichnamsprozessionen, die Handlung auf Einzelbühnen in verschiedenen Gassen. (So beim Einzug Ludwigs XI. in Paris.) Solange dem Schaugerüst eine geschlossene Form gegönnt blieb, ergab der Inhalt der Texte die Verteilung von Himmel ins oberste, Erde ins mittlere und Höllenloch ins unterste Stockwerk. Im Grundsatz hielt man sich an diese Anordnung auch da noch, als die Spiele in Raum und Zeit ausarteten. Sie dauerten mehrere Tage, daher die Abteilungen "Tagewerke" hießen, und dehnten ihren Schauplatz über weite Märkte aus.

Wie in Spanien und England ein Hofraum mit seinen Fenstern oder umlaufenden Galerien den Blick auf ein an der einen Schmalseite des Hofs aufgestelltes Gerüst gewährte, so gab ein Marktplatz mit allen Fenstern, ja den Dächern dreier Häuserreihen vielen Gelegenheit zum Schauen.

Als die Reformation das Bühnenspiel zur lebendigen Zunge des Glaubensstreites machte, verlangte der gesprochene, längst deutsch gewordene Text für Sprecher und Hörer den engern Raum. So zogen sich die Spiele in Höfe, Säle, Scheunen (Stadel), wenn nicht in die Aula einer Schule zurück, denn die Schulkomödie, anfangs als Übung im Lateinischen, war durch Luthers und seiner Anhänger Ermunterung in Aufnahme gekommen und bemächtigte sich gleichfalls des Bekenntnisstreites. Wetteifernd mit diesen waren aus der Meistersingerzunft die Bürgerspiele erwachsen. Als die ihnen nach Einführung der Reformation an den meisten Orten zum Zweck ihrer Singeschule und Spiele eingeräumten Kirchen wegen allzu grober Verweltlichung der Spiele wieder entzogen waren, mußten sie sich mit den Räumen der Wirtshäuser begnügen. Hier mußten sie auf flachem Boden spielen und demgemäß in der Wahl der Spiele sich wieder auf Gespräche, Schwanke oder solche Handlungen beschränken, welche jeder Anforderung an Erhöhung der Bühne oder Versenkung entsagten. Das "Tantzhaus" war ein unbedeckter Hofraum; in ihm war eine Brücke (der süddeutsche Ausdruck für ein Gerüst, das lat. pons) errichtet, hinter welcher eine zweite Emporbühne, "Zinne" geheißen (gleichfalls süddeutscher Ausdruck für Altan), sich erhob, die bald die wirkliche Zinne einer Burg, bald einen Altan, bald auch den Himmel vorstellte; nicht anders wie die Emporbühne der Antike. Ein Thor in der Mittelwand ließ durch Auseinanderschieben der Thürflügel das Innere des Schauplatzes ("im Perspektiv") wahrnehmen, gleich wie die Exostra oder das Ekkyklema der antiken Scene.

Nicht die Not, sondern eigene Wahl bewog die Pariser Société des Comédiens, welche das gelehrte Drama nach dem Muster der Alten aufbrachten, in der Mitte des 16. Jahrh. schon sich der einfachen, teppichumhangenen Scene zu bedienen.

Im grellsten Gegensatze zu dieser gewaltsamen Rückkehr zu schlichter Einfachheit stand der Luxus der Aufzüge, Inventionen und Zauberfeste, welcher mit der aus den Schäferspielen hervorgegangenen Oper auf die Bühnen der italienischen Höfe übergegangen war. Die Architekten Peruzzi und Serlio (Architettura", Par. 1545) brachten hier das System des Theaterbaues zur Sprache. (Vgl. Flechsig, Die Dekoration der modernen Bühne in Italien, Dresd. 1894.) Auch der span. Bühne war durch Lope de Vegas geistliche und weltliche Schauspiele alles zugemutet worden, was die Erfindungskraft jener Zeit nur an theatralischer Täuschung leisten mochte. In die Niederlande hatte die span. Herrschaft diesen theatralischen Pomp verpflanzt.