Thesprotĭa oder Thesprotis, im Altertum die südlichere Hälfte der nordgriech. Landschaft
Epirus (s. d.); sie war im N. durch den Fluß Thyamis (jetzt Kalamas) von Chaonien, im O. durch den Arachthos (jetzt Arta) vom Gebiet der Molosser getrennt
und reichte im S. bis an den Ambrakischen Meerbusen (jetzt Golf von Arta). Die Thesproter, die schon in der Odyssee als ein seefahrendes, von Königen beherrschtes Volk
erscheinen, wurden in der histor. Zeit von den Griechen ebenso wie die übrigen Bewohner von Epirus als Barbaren, d. h. Nichtgriechen, betrachtet. – Vgl. Tozer,
Researches in the highlands of Turkey (Lond. 1869).
Thessalĭen, die östl. Hälfte des nördl. Griechenlands, umfaßt im engern Sinne das Land zwischen dem Pindosgebirge im W. und
dem Thermäischen Golf im O., von dem Lakmon, den Kambunischen Bergen und dem Olymp im N. bis zum Othrys und dem Pagasäischen Golf im S.; im weitern Sinne gehört
aber noch dazu die Thalebene des Spercheios im E., zwischen Othrys, Öta und dem Malischen Golf. Das Centrum der Landschaft bildet ein von hohen Gebirgen rings umwalltes
Tiefland, das Becken von T., welches vom Thermäischen Golf durch den Gebirgszug des Ossa und Pelion abgesondert wird, sich dagegen zum Pagasäischen Golf frei öffnet.
Das große Becken wird durch eine von NW. bis SO. streichende, bis zu 800 m sich erhebende Hügelkette in eine obere und eine untere Ebene zerteilt, welche beide von dem
Peneios (s. d.) durchflossen werden. Die östl. Bergkette, welche sich nach S. als Halbinsel vorstreckt, trug im Altertum den Namen Magnesia. (S. die Karten:
Griechenland und
Das alte Griechenland, Bd. 8.)
Die im engern Sinne T. genannte Landschaft hat nacn ihrem Charakter als Durchgangsland für die von Norden nach Süden gerichteten Völkerwanderungen die Bevölkerung
vielfach gewechselt. Nach der Überlieferung wurde sie in den ältesten Zeiten von urgriech. Stämmen (Perrhäbern, Hestiäern, Böotern [oder Arnäern], Minyern) bewohnt. Diese
verdrängten im 2. Jahrh. die aus Thesprotia einwandernden Thessaler, die der Landschaft ihren histor. Namen gaben. Die zurückbleibenden Reste der Urbevölkerung wurden zu
Leibeigenen oder Hörigen (Penesten) herabgedrückt. Dieses unmittelbar von den Thessalern beherrschte Gebiet zerfiel seit dem 8. Jahrh. v. Chr. in vier Bezirke (Tetraden): die
Hestiäotis im Nordwesten mit der Hauptstadt Trikka (jetzt Trikala); die Pelasgiotis im Nordosten und in der Mitte der Landschaft, mit der Hauptstadt Larissa
(s. d.), neben der besonders noch Atrax, Gyrton, Krannon, Pherä und Pagasä zu erwähnen sind; die Thessaliotis im Südwesten mit der Hauptstadt Arne (später Kierion) und
Phthiotis im Südosten mit den Hauptorten Pharsalos (s. d.), Thebä und Larissa Kremaste. In einem lockern Unterthänigkeitsverhältnis standen zu den
Thessalern außer andern die Magneten, während das Gebiet der Doloper im Südwesten am Pindos und Tymphrestos, und die Gebiete der Änianen und Malier im Thale des
Spercheios (jetzt Hellada) zwischen Othrys und Öta, mit den Städten Hypata, Lamia und Trachis oder Herakleia, größere Unabhängigkeit sich bewahrten. T. galt im Altertum als das
reichste und fruchtbarste Gebiet Griechenlands. Die thessal. Reiterei galt als die beste in ganz Griechenland. Dasselbe Kulturgepräge trägt das Land noch heute, nur ist zu
Getreide- und ↔ Wein- der Baumwoll- und Tabaksbau getreten. Der herrschende mächtige Adel, der rings im Lande umher auf seinen Burgen saß, stand in
häufiger Fehde. Auch die Regierung der größern Städte und ihres Gebietes lag in den Händen einzelner mächtiger Herrengeschlechter, unter denen die Aleuaden in Larissa und
die Skopaden in Krannon die angesehensten waren; nur vorübergehend wurde, besonders in Kriegszeiten, zu einheitlicher polit. und militär. Leitung ein Oberhaupt oder Tagos
erwählt. Erst 376 v. Chr. gelang es dem Fürsten von Pherä, Jason, diese Würde dauernd in Besitz zu nehmen. Aber die blutigen Wechselfälle, welche seiner Ermordung
(370 v. Chr.) folgten, namentlich der Krieg mit Theben, den sein Neffe und Nachfolger Alexander von 369 bis 362 zu führen hatte, machten der von Alexander geschaffenen
militär. Stärke wieder ein Ende und gaben Philipp II. von Macedonien Gelegenheit, sich in die innern Angelegenheiten einzumischen und das Land 352 und 344 zu einem macedon.
Vasallenstaat zu machen; er legte die Herrschaft über die vier alten Tetraden als Tetrarchien (Vierfürstentümer) in die Hände ihm ganz ergebener Männer. Nach der Schlacht bei
Kynoskephalä (197) erhielt T. durch die Römer wenigstens nominell seine Selbständigkeit zurück und wurde als ein Bundesstaat, an dessen Spitze ein jährlich wechselnder
Strategos (Feldherr) stand, organisiert. 146 v. Chr. wurde es zur Provinz Macedonia, 27 v. Chr. zur Provinz Achaia gezogen, später, wahrscheinlich durch Vespasian, wieder mit
Macedonien vereinigt, endlich durch Alexander Severus als besondere Provinz eingerichtet. Unter den ersten byzant. Kaisern hatte das Land durch wiederholte Einfälle erst der
Goten und Hunnen, dann der Bulgaren, viel zu leiden; seit 1084, noch stärker im 12. Jahrh., tritt das (makedo-) walach. Element in den Vordergrund (von dem sich noch jetzt
Nachkommen am Pindos erhalten haben), so daß nachher in der fränk. Zeit das Hochland von T. den Namen Groß-Walachien führte. Seit 1393 fiel T. in die Hände der Türken; der
kleine Landstrich südlich von der Wasserscheide des Othrys gehört dagegen seit 1832 zum Königreich Hellas und bildet in diesem die Eparchie Phthiotis mit der Hauptstadt
Lamia; die Masse des übrigen T. (mit Ausnahme des nördl. Gebirgsrandes) ist erst 1881 an das Königreich Hellas gekommen und bildet die beiden Nomen Trikala und Larissa.
Vgl. Leake, Travels in Northern Greece (4 Bde., Cambridge 1835); Ussing, Griech. Reisen und Studien (Kopenh. 1857); Kriegk, Die thessal.
Ebene (Programm, Frankf. 1858); Bursian, Geographie von Griechenland, Bd. 1(Lpz. 1862); Georgiades, Φεσσαλια (2. Aufl., Volos 1894); Philippson, T. und Epirus (Berl. 1897);
Kiepert, Carte de l’Epire et de la Thessalie (2 Blatt, ebd. 1871; neue Ausg. 1880).
Thessalonich, eine schon im Altertum bedeutende Stadt Macedoniens in der ursprünglich thraz. Landschaft Mygdonia, am nordöstl. Winkel des
Thermäischen Meerbusens, hieß als griech. Kolonie nach den warmen Quellen ihrer Umgebung Therme
(Therma, etwa «Warmbrunnen») und wurde erst Ende des 4. Jahrh. unter der macedon. Herrschaft vom König Kassander, der sie, wie es
scheint, etwas verlegte, aber zugleich erweiterte und verschönerte, zu Ehren seiner Gemahlin Thessalonike, einer Tochter
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 777.