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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Thiersch

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Thiersch (Friedrich) - Thiersch (Friedr. Wilh.)

richt über seine Verhandlungen veröffentlichte. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung ward T. (8. Febr. 1871) von der legitimistisch-orléanistischen Partei an 26 Orten gewählt. Nach Eröffnung der Versammlung zu Bordeaux wurde er 17. Febr. zum Chef der Exekutive gewählt, worauf er als seine erste Aufgabe den Friedensschluß in Angriff nahm. In Begleitung des Ministers Favre reiste er selbst nach Versailles und unterzeichnete 26. Febr. die Friedenspräliminarien. Kaum war auf seinen Vorschlag 10. März der Beschluß gefaßt, den Sitz der Nationalversammlung nach Versailles zu verlegen, als 18. März der Aufstand der Commune ausbrach (s. Paris). Seiner Entschlossenheit gelang es, die Erhebung örtlich zu beschränken und sie durch etwa 120 000 Mann unter dem Marschall Mac-Mahon in kurzer Zeit niederzuwerfen.

Am 10. Mai wurde der endgültige Friede mit Deutschland in Frankfurt a. M. unterzeichnet. T.' nächstes Ziel war nun, das Land möglichst bald von der Occupation zu befreien und die Kriegskosten aufzubringen, was ihm noch vor der im Frieden festgesetzten Zeit gelang. Am 31. Aug. wurde er zum Präsidenten der Französischen Republik auf drei Jahre ernannt. Das Wichtigste, was unter seiner Präsidentschaft geschaffen wurde, war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Die monarchischen Parteien aber sahen sich durch T. getäuscht, da dieser an die Nationalversammlung, als sie 11. Nov. 1872 wieder zusammentrat, eine Botschaft richtete, worin er die endgültige Proklamierung der Republik und verschiedene Verfassungsänderungen befürwortete. Die gesamte monarchisch-klerikale Rechte beschloß daher seinen Sturz. Da T. bei der Neubildung des Kabinetts 18. Mai 1873 die Minister ausschließlich aus den Reihen der Republikaner nahm, so brachten die Monarchisten 19. Mai eine Interpellation über die Bildung des Ministeriums ein und setzten nach heftigen Debatten 23. Mai mit 360 gegen 344 Stimmen ein Tadelsvotum gegen das Ministerium durch. Darauf zeigte T. seinen Rücktritt von der Präsidentschaft an. Mit 368 gegen 339 Stimmen wurde seine Demission genehmigt. Aufs neue zog sich T. vom öffentlichen Leben zurück und betrat nur noch einmal die Rednerbühne, um gegen die Herabsetzung der militär. Dienstzeit zu sprechen. Die Wahl zum Senator lehnte er 30. Jan. 1876 ab und nahm die eines Abgeordneten des 19. Pariser Wahlbezirks 20. Febr. an. Nach der Einsetzung des Broglieschen Ministeriums 16. Mai 1877 unterschrieb er das von Gambetta verfaßte Manifest der 363 an die Nation. T. starb 3. Sept. 1877 zu St. Germain-en-Laye. Statuen von ihm wurden zu Nancy 1879 und zu St. Germain-en-Laye 1880 enthüllt. T.' "Discours parlamentaires" (15 Bde., Par. 1879-83) wurden von Calmon veröffentlicht.

Vgl. Laya, Études historiques sur la vie privée, politique et litteraire de Monsieur T., 1830-46 (2 Bde., Par. 1846); ders., Histoire populaire de Monsieur T. (ebd. 1872); Richardet, Histoire de la présidence de T. (ebd. 1875); Eggenschwyler, T.' Leben und Wirken (Bern 1878); J. Simon, Le gouvernement de Monsiseur T. (2 Bde., Par. 1878); ders., T., Guizot, Rémusat (ebd. 1884); Mazade, Monsieur T. (ebd. 1884); de Rémusat, Adolphe T. (ebd. 1889).

Thiersch, Friedrich, Architekt, Sohn von Heinr. Wilh. Josias T., geb. 18. April 1852 zu Marburg, besuchte das Polytechnikum in Stuttgart und trat 1873 in Frankfurt a. M. bei Mylius & Bluntschli in die Baupraxis ein. Nachdem er 1876-78 Studienreisen in Italien, Griechenland, Frankreich und England gemacht hatte, wurde er 1879 als Professor an die Technische Hochschule und Akademie der bildenden Künste in München berufen. Er beteiligte sich 1881 mit Ingenieur Lauter an der Konkurrenz für die Rheinbrücke in Mainz, erhielt den ersten Preis und war an der Ausführung der Brücke selbst beteiligt. In ähnlicher Weise war er bei der Erbauung der Straßenbrücke über den Neckar in Mannheim thätig. Auch bei der Konkurrenz um das deutsche Reichstagsgebäude in Berlin (1883) erhielt sein Plan einen ersten Preis, doch wurde der ebenfalls mit einem ersten Preise gekrönte Entwurf Wallots ausgeführt. 1881 bereiste er Konstantinopel und Kleinasien, 1884 Ägypten und Syrien. Noch sind von seinen Bauten zu nennen: die Renovierung des alten Rathauses zu Lindau (1885-87), mehrere Wohn- und Geschäftshäuser in München, der Umbau des Kunstvereinsgebäudes (1890), das neue Justizgebäude (begonnen 1891). Gemeinschaftlich mit dem Bildhauer W. Rümann schuf er einen Brunnen zu Lindau (1884), das Monument der bei Wörth gefallenen Bayern (1889), den Luitpoldbrunnen zu Landau i. Pf. und andere Denkmäler. In Gemeinschaft mit Fr. Habich bewerkstelligte er 1894 den Umbau und die Erweiterung des von Albert Schmidt erbauten Löwenbräukellers in München.

Thiersch, Friedr. Wilh., Philolog, geb. 17. Juni 1784 zu Kirchscheidungen bei Freyburg a. d. U., studierte in Leipzig und Göttingen und erhielt hier eine Lehrerstelle am Gymnasium, nachdem er sich 1808 bei der Universität habilitiert hatte. 1809 als Professor an das neu eingerichtete Gymnasium zu München berufen, wurde er der Begründer der philol. Studien in Bayern (praeaceptor Bavariae). Bei den damaligen, von Christoph von Aretin ausgehenden Streitigkeiten und Parteiungen gegen die angestellten Ausländer wurde T. wegen seiner Schrift "Über die angenommenen Unterschiede zwischen Süd- und Norddeutschland" (Lpz. 1810) heftig angefeindet, und es ward sogar ein Mordversuch auf ihn gemacht. Das von ihm gestiftete Philologische Institut wurde 1812 mit der Akademie und bei Verlegung der Universität nach München mit dieser vereinigt. Wie er sich 1813 bei dem Befreiungskämpfe mannigfach thätig zeigte, so bewies er auch die wärmste Teilnahme für die Wiedergeburt Griechenlands und trug besonders während seines Aufenthalts in Griechenland 1831 und 1832 dazu bei, dort eine günstige Stimmung für Deutschland, vornehmlich für Bayern, hervorzurufen. Hierauf bezieht sich das wichtige Werk "De l'état actuel de la Grèce et des moyens d'arriver à sa restauration" (2 Bde., Lpz. 1833). 1837 rief er bei dem Universitätsjubiläum zu Göttingen die regelmäßigen Versammlungen der Schulmänner und Philologen ins Leben. 1848 wurde er Präsident der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. Er starb 25. Febr. 1860. Seine wissenschaftlichen Bestrebungen bekunden unter anderm die "Acta philologorum Monacensium", Bd. 1-3 (Münch. 1811-26), die "Griech. Grammatik, vorzüglich des Homerischen Dialekts" (3. Aufl., Lpz. 1828), von der ein Auszug als "Schulgrammatik" (4. Aufl., ebd. 1854) erschien; ferner die Bearbeitung des Pindar (2 Bde., ebd. 1820) und die Schrift "Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen" (2. Aufl., Münch. 1829). Vielseitiges Interesse bietet seine "Allgemeine Ästhetik in