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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Thiers

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Thiers (Arrondissement und Stadt) - Thiers (Louis Adolphe)

vingiens" (2. Aufl., 2 Bde., Par. 1847; deutsch Elberf. 1855), wofür ihm die Akademie einen ihrer Hauptpreise zuerkannte. Ferner erschien noch "Essai sur le histoire de la formation et des progrès du tiers-état" (Par. 1853). Er starb 22. Mai 1856. Seine "Œvres complétes" erschienen in 9 Bänden (Par. 1846-47), dann in 10 Bänden (ebd. 1856-60). - Vgl. Aubineau, M. Aug. T., son système historique et ses erreurs (2. Aufl., Par. 1879).

Thiers (spr. tĭähr). 1) Arrondissement im franz. Depart.Puy-de-Dôme in der Auvergne, hat auf 852 qkm (1896) 74 867 E., 6 Kantone und 41 Gemeinden. - 2) Hauptstadt des Arrondissements T., am Nordwestfuß der Monts du Forez, 400 m ü. d. M., an der Linie Clermont Ferrand-St. Etienne der Mittelmeerbahn, ist Mittelpunkt einer seit Jahrhunderten in dieser Gegend bestehenden Messer- und Papierfabrikation, besteht aus zwei getrennten Teilen, der obern Neustadt beim Bahnhof und dem außerordentlich malerisch gelegenen mittelalterlichen Teil am steilen Abhang des Besset (623 m), am rechten Ufer der zur Dore gehenden Durolle mit interessanten geschwärzten Häusern (aus dem 15. Jahrh. und weiter zurück) und hat (1896) 12 200, als Gemeinde 17 135 E., einen Gerichtshof erster Instanz, Handels- und Schiedsgericht, Ackerbau- und Gewerbekammer, eine roman.-spitzbogige Kirche St. Genes (11. und 12. Jahrh.), im Thal die im 7. oder 8. Jahrh. gegründete Kirche einer Benediktinerabtei Le Moûtier, meist aus dem 11. Jahrh., und an den malerischen Ufern der Durolle eine Menge industrieller Anlagen (Papiermühlen, Schleifereien u. a.). T. hat ein College, Spital, Theater, Sparkasse und außer den vielen Messerschmieden Brauerei, Lohgerberei und Handel mit Stahlwaren, Stahl, Eisen und Wein. 15 km nordöstlich bietet der 1292 m hohe Puy-de-Montoncel in den Bois Noirs eine umfassende Aussicht.

Thiers (spr. tĭähr), Louis Adolphe, franz. Staatsmann und Geschichtschreiber, geb. 15. April 1797 zu Marseille, studierte zu Aix die Rechte und ließ sich dort in den Advokatenstand aufnehmen. Bald jedoch wandte er sich der Geschichte, Politik und Nationalökonomie zu und ging 1821 nach Paris, wo er in die Redaktion des "Constitutionnel" eintrat. Seiner Thätigkeit gelang es in kurzer Zeit, sich zu einem Wortführer des Liberalismus emporzuschwingen, zumal seine "Histoire le la Révolution française" (10 Bde., Par. 1823-27 u. ö.; deutsch Lpz. 1854) mit großem Enthusiasmus aufgenommen ward. Auf Anregung Talleyrands und im Verein mit Armand Carrel und Odilon Barrot gründete er 1. Jan. 1830 den orleanistisch gesinnten "National", dessen kühnes und kräftiges Auftreten für die damalige Lage ein polit. Ereignis war. T.' Ausspruch "Le roi règne, il ne gouverne pas" wurde das Schlagwort des Tages. Als am Morgen des 26. Juli 1830 die Ordonnanzen (s. Frankreich, Geschichte) erschienen, entwarfen die Redacteure aller liberalen Zeitungen unter T.' Einfluß eine heftige Protestation. T. nahm persönlichen Anteil an den Unterhandlungen mit dem Herzog von Orléans, die zu dessen Thronbesteigung führten, und wurde nach der Julirevolution zum Staatsrat und Generalsekretär im Finanzministerium und im Nov. 1830 unter Laffitte zu dessen Unterstaatssekretär ernannt. Als Abgeordneter der Stadt Aix trat er in die Deputiertenkammer ein. Bei Laffittes Rücktritt (März 1831) blieb T. in seiner Stellung unter Périer; nach dessen Tode wurde er 11. Okt. 1832 Minister des Innern. Ein Zerwürfnis mit seinen Kollegen bewog ihn, im Dez. 1832 das Departement des Innern mit dem des Handels und der öffentlichen Arbeiten zu vertauschen. Seit 13. Dez. 1834 war er Mitglied der Akademie. Während er sich dem Hofe, trotz manches Zerwürfnisses, notwendig zu machen wußte, unterhielt er mit der liberalen Partei ein freundliches Verhältnis. Unter solchen Umständen blieb er in dem 4. April 1834 umgestalteten Kabinett und übernahm wieder das Ministerium des Innern. Seine Strenge gegen die demokratischen Aufstände in Paris und Lyon entzweiten ihn jedoch dauernd mit seinen republikanischen Freunden. Als im Febr. 1836 das vielfach modifizierte Ministerium abtrat, erhielt T. den Vorsitz in dem neuen Kabinett mit dem Portefeuille des Auswärtigen. Als er in Spanien zu Gunsten des Liberalismus gegen die Karlisten einschreiten wollte, scheiterte er an dem Widerstande des Königs, so daß er 26. Aug. zurücktrat und sich an die Spitze der Opposition stellte. Am 1. März 1840 wurde er wieder Ministerpräsident und Minister des Auswärtigen. Als solcher ordnete er die Zurückführung der Leiche Napoleons I. von St. Helena an, trat der Quadrupelallianz vom 15. Juli entgegen, wollte Mehemed Ali von Ägypten gegen die Türkei unterstützen und veranlaßte den Beschluß, Paris zu befestigen. Da der König vor einem Kriege zurückscheute, gab T. 20. Okt. 1840 seine Entlassung und führte nun bis zum Sturze des Julikönigtums die Opposition gegen das Guizotsche Ministerium und die Politik des Königs.

Nach Ausbruch der Februarrevolution von 1848 sollte T. 24. Febr. mit Odilon Barrot ein neues Kabinett bilden. Aber es war zu spät, die Republik wurde proklamiert. T. wurde bei den Ergänzungswahlen (4. Juni) in die Nationalversammlung gewählt und war bald einer der Führer der sog. Burgraves (s. d.). Da er den imperialistischen Plänen Ludwig Napoleons entgegenwirkte, wurde er beim Staatsstreich 2. Dez. 1851 verhaftet und des Landes verwiesen. Nachdem er einige Zeit in England, der Schweiz und Oberitalien verlebt hatte, erhielt er 1852 die Erlaubnis zur Rückkehr nach Frankreich, wo er sich histor. Arbeiten widmete. Seine "Histoire du Consulat et de l'Empire" (20 Bde., Par. 1845-62 u. ö.; deutsch von Bülau, 20 Bde., Brüss. und Lpz. 1845-62; von Burckhardt und Steger, 4 Bde., Lpz. 1845-61) war die Frucht dieser Muße. Bei den Neuwahlen von 1863 wurde er in Paris zum Mitgliede des Gesetzgebenden Körpers gewählt, wo er namentlich die auswärtige Politik Napoleons III. scharf kritisierte. Diese Reden erschienen als "Discours prononcés au Corps législatif" (Par. 1867). Als das Ministerium Ollivier im Juli 1870 die span. Thronfolgefrage zum Vorwand gebrauchte, um den Deutsch-Französischen Krieg zu entzünden, war T. einer der wenigen, die gegen solche Überstürzung protestierten.

Nach dem Sturze des Kaisertums übernahm T. (12. Sept.) eine diplomat. Mission an die Höfe von London, Petersburg, Wien und Florenz, um diese zu einer Intervention für Frankreich zu bewegen. Da er unverrichteter Sache heimkehrte, unterhandelte er (30. Okt. bis 6. Nov.) mit Bismarck im Hauptquartier zu Versailles über einen Waffenstillstand, doch scheiterten die Unterhandlungen, worauf T. von Tours aus, wohin er sich begeben hatte, einen Be-^[folgende Seite]