Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tiedemann; Tiedge

827

Tiedemann - Tiedge

des Abbild dieser Art von Novellistik. Außerdem nahm T. in Dresden lebhaften Anteil an der Leitung des Hoftheaters. Ein Resultat davon sind seine gehaltreichen "Dramaturgischen Blätter" (2 Bde., Bresl. 1825-26; 3 Bde., Lpz. 1852), die er auch in seine "Kritischen Schriften" (4 Bde., Lpz. 1848-52) aufnahm. Seine litterar. Arbeiten in dieser Zeit sind vor allem Shakespeare gewidmet. Seit 1825 erschien unter seiner Leitung die Fortsetzung der Schlegelschen Übersetzung Shakespeares, an der seine geistvolle Tochter, Dorothea T. (geb. 1799, gest. 21. Febr. 1841) und Wolf Graf von Baudissin (s. d.) arbeiteten; er selbst begleitete das Werk mit Anmerkungen. Wie er früher die Werke von Novalis (Berl. 1802) und Maler Müller (Heidelb. 1811) herausgegeben hatte, so jetzt die Schriften von Heinr. von Kleist (Berl. 1826), Solger (Lpz. 1826) und Jak. Mich. Reinh. Lenz (Berl. 1828). Bald nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen wurde T. von diesem mit ansehnlicher Pension und dem Titel eines Geh. Hofrats an den preuß. Hof gezogen und lebte seitdem, oft kränkelnd, abwechselnd in Berlin und Potsdam, wo damals die verschiedenen theatralischen Versuche hauptsächlich von ihm ausgingen. Er starb 28. April 1853 zu Berlin.

Eine Sammlung seiner "Gedichte" (3 Bde., Dresd. 1821-23; neue Ausg., Berl. 1841), die von reichem dichterischen Talent Zeugnis ablegen, aber in der technischen Form zum Teil vernachlässigt sind, veranstaltete er selbst, wie auch die seiner "Sämtlichen Schriften" (unvollendet, 20 Bde., Berl. 1828-46); seine "Nachgelassenen Schriften" veröffentlichte Köpke (2 Bde., Lpz. 1855). Ausgewählte Werke T.s gaben heraus: H. Welti (8 Bde., Stuttg. 1886-93), Minor (in Kürschners "Deutscher Nationallitteratur", ebd. 1885 fg.), Klee (3 Bde., Lpz. 1892). - Vgl. Köpke, Ludwig T. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters (2 Bde., Lpz. 1855); Hoffmann, Ludwig T. Eine litterarhistor. Skizze (Nürnb. 1856); Friesen, Ludwig T. Erinnerungen eines alten Freundes aus den J. 1825-42 (2 Bde., Wien 1871); Briefe an T., hg. von K. von Holtei (4 Bde., Bresl. 1864); Steiner, Ludwig T. und die Volksbücher (Berl. 1893); Klee, T.s Leben und Werke (Lpz. 1894).

T.s Schwester Sophie T., geb. 1775 zu Berlin, vermählte sich 1799 mit Aug. Ferd. Bernhardi (s. d.). Nach ihrer Scheidung (1805) von diesem ging sie 1810 eine zweite Ehe mit einem Herrn von Knorring ein, mit dem sie sich nach Esthland wandte, wo sie 1836 starb. Außer Gedichten hat sie einige Romane und Schauspiele veröffentlicht.

Tiedemann, Friedr., Anatom und Physiolog, geb. 23. Aug. 1781 zu Cassel, bezog 1798 die Universität zu Marburg, an der er hauptsächlich Anatomie, Physiologie und Chemie studierte. Zu seiner praktischen Ausbildung besuchte er sodann die Hospitäler zu Bamberg und zu Würzburg, worauf er sich 1804 zu Marburg habilitierte. Hieraus ging er wieder nach Würzburg, wo er besonders das Nervensystem studierte. Darauf machte er eine Reise nach Paris. Durch Vermittelung Sömmerrings erhielt er 1806 die Professur der Zoologie und Anatomie an der Universität Landshut. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind hervorzuheben die unvollendet gebliebene "Zoologie" (1. bis 3. Tl., Landsh. und Heidelb. 1808-14, eins der wichtigsten und gelehrtesten Werke über Anatomie der Vögel), die "Anatomie des Fischherzens" (Landsh. 1809) und eine über die Anatomie der Strahltiere. Darauf folgte die "Anatomie der kopflosen Mißgeburten" (Landsh. 1813) und die "Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Fötus des Menschen" (Nürnb. 1816). 1816 wurde er als Professor der Anatomie nach Heidelberg berufen. Unter seinen spätern Arbeiten sind hervorzuheben: "Physiologie des Menschen" (Bd. 1 u. 3, Darmst. 1830 u. 1836), "Zeitschrift für Physiologie" (1824-27), die er mit Reinhold und Treviranus gemeinschaftlich herausgab, "Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Utans verglichen" (Heidelb. 1837), "Von den Duverneyschen, Bartholinschen oder Cowperschen Drüsen des Weibes u. s. w." (ebd. 1840), "Von der Verengung und Schließung der Pulsadern in Krankheiten" (ebd. 1843) und "Von lebenden Würmern und Insekten in den Geruchsorganen des Menschen" (Mannh. 1844). Nach der bad. Revolution von 1848 und 1849, an der auch zwei seiner Söhne (von denen der eine, Gustav Nikolaus, als Kommandant von Rastatt 11. Aug. 1849 in Rastatt standrechtlich erschossen wurde) Anteil nahmen, nahm er 1849 seine Entlassung vom Lehramte und lebte seitdem erst zu Frankfurt a. M., dann in München, wo er 22. Jan. 1861 starb. Seine letzte Arbeit war die "Geschichte des Tabaks und anderer ähnlicher Genußmittel" (Frankf. 1854). - Vgl. T. L. W. Bischoff, Gedächtnisrede auf Friedrich T. (Münch. 1861).

Tiedge, Christoph Aug., Dichter, geb. 14. Dez. 1752 zu Gardelegen, studierte seit 1770 in Halle die Rechte und wurde dann Sekretär bei einem Advokaten in Magdeburg. 1781 ging er als Erzieher nach Ellrich, wandte sich 1789 auf Gleims Einladung nach Halberstadt und wurde 1792 Gesellschafter des Domherrn von Stedern, mit dessen Familie er 1794 nach Magdeburg und 1795 in die Nähe von Quedlinburg zog. 1799 siedelte er nach Berlin über, wo er 1803 mit Frau von der Recke zusammentraf. Sie begleitete er in die böhm. Bäder, nach Italien (1804-6) und der Schweiz und blieb seitdem als treuer Lebensgefährte in ihrer Nähe, erst zu Berlin, seit 1819 zu Dresden. Hier lebte T. auch nach dem 1833 erfolgten Tode seiner Freundin, durch deren letzten Willen für seine letzten Lebenstage gesorgt war. Er starb 8. März 1841. T. erwarb sich als Dichter seiner Zeit einen großen Namen durch sein Lehrgedicht "Urania" (Halle 1801; auch in Reclams "Universalbibliothek"; neu hg. von Mendheim in Bd. 2 der "Lyriker und Epiker" in Kürschners "Deutscher Nationallitteratur"), das große Verbreitung fand, so wenig diese auf rationalistischer Anschauung aufgebaute und in Schillerscher Redeweise abgefaßte Behandlung der Kantschen Philosophie tiefern poet. Wert hat. Eine Art Fortsetzung der "Urania" bilden die "Wanderungen durch den Markt des Lebens" (2 Bde., Halle 1833; neue Aufl. 1836). 1812 erschien ein idyllischer Liederroman "Das Echo, oder Alexis und Ida" (darin das einst viel gesungene "An Alexis send' ich dich"), 1815 der Liederroman "Ännchen und Robert" (Halle 1815). Auch sonst war T. als Lyriker geschätzt; sein Liedchen "Schöne Minka, ich muß scheiden" ist noch heute nicht vergessen. Eine Ausgabe seiner "Gesammelten Werke" besorgte sein Freund Eberhard (8 Bdchn., Halle 1823-29). - Vgl. T.s Leben und poet. Nachlaß (hg. von Falkenstein, 4 Bde., Lpz. 1841); Eberhard, Blicke in T.s und Elisas Leben (Berl. 1844); Kern, Beiträge zu einer Charakteristik des Dichters T. (ebd. 1896).