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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tirocinĭum; Tirol

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Tirocinium – Tirol

Von ihm stammen auch die als Tironische Noten (s. d.) bekannten stenographischen Abkürzungen. – Vgl. Mitzschke, M. Tullius T. (Berl. 1875).

Tirocinĭum, s. Tiro.

Tirol (fälschlich Tyrol), eine zum cisleithanischen Teile der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörige gefürstete Grafschaft, seit 1782 mit Vorarlberg (s. d.), welches jedoch ein selbständiges Kronland bildet, zu einem Verwaltungsgebiet vereinigt, grenzt im N. an Bayern, im O. an Salzburg, Kärnten und Italien, im S. an Italien, im W. an Vorarlberg, die Schweiz und Italien und hat einen Flächeninhalt von 26684,35 qkm, d. i. 8,89 Proz. der Gesamtfläche der österr. Reichshälfte, mit Vorarlberg 29286,80 qkm. (Hierzu Karte: Tirol und Vorarlberg.)

Bodenbeschaffenheit. Die Gebirge nehmen fünf Sechstel der Fläche ein. Man findet hier fast ebenso hohe Gebirge wie in der Schweiz, dieselben Schneefelder, Gletscher (hier Ferner), Schnee-, Stein- und Sandlawinen (hier Kare und Muren), Wasserfälle und Abgründe, nur fehlen die großen Seen. Das Tiroler Gebirgsland, welches unter allen Alpenländern die größte durchschnittliche Erhebung hat, gehört den Ostalpen (s. d.) an. Die Tiroler Centralalpenmasse (die Kette der Ötzthaler Alpen) wird durch die Gebirgsscharte des Passes Reschenscheideck (1495 m) an der Hauptquelle der Etsch und durch den bei Alt-Finstermünz (977 m) in das Land eintretenden Inn von den Rhätischen Alpen Graubündens, welche mit der Rhätikon- und Fervallgruppe den südl. Teil von Vorarlberg einnehmen und in T. bis Landeck reichen, getrennt und zieht sich ostwärts bis zur Dreiherrnspitze an der Grenze von Salzburg und Kärnten. Sie bildet die Wasserscheide zwischen der Donau und Etsch (Schwarzes und Adriatisches Meer) und die natürliche Grenze zwischen Nord- und Südtirol. Sie enthält die Ötzthaler Alpen mit den ausgedehntesten Gletschern und Schneefeldern mit 3200‒3783 m hohen Spitzen, dann die Stubaier Alpen mit dem Zuckerhütl (3517 m) und die Sarnthaler Gruppe. Das Wippthal und das Thal der Eisack, die durch den Brenner voneinander getrennt sind, scheidet die vorgenannten Gebirgsgruppen von den Zillerthaler Alpen mit dem Hochfeiler (3523 m) und den Duxer oder Tuxer Alpen mit dem Olperer (3480 m) als Kulminationspunkt. An diese schließen sich östlich die Hohen Tauern mit der Dreiherrnspitze (3505 m), dem Großvenediger (3660 m) und Großglockner (3798 m), welcher sich an der Grenze der drei Länder T., Salzburg und Kärnten erhebt. Die Hohen Tauern bilden die Nordgrenze gegen Salzburg und senden als Nebengruppen aus: die Rieserferner Gruppe mit dem Hochgall (3440 m), das Villgrattner Gebirge mit der Weißspitz (2960 m) und die Schobergruppe mit dem Hochschober (3250 m). Die Nordalpen, unter dem Namen der Allgäuer Alpen (s. Allgäu) und Vorarlberger Alpen, durchziehen das Land an der linken Seite des Inns bis zum Lech. Hier schließen sich die Nordtiroler Kalkalpen an, welche bis Salzburg reichen. In den höchsten Spitzen, dem Großen Solstein unweit Innsbruck, mit der durch Kaiser Maximilians Jagdgefahr berühmten Martinswand (1113 m), erreichen sie 2641 m und in der Zugspitze im Wettersteingebirge mit 2968 m ihre höchste Erhebung. Östlich vom Durchbruche des Inns erhebt sich das Kaisergebirge (2344 m). Die Südalpen, durch das obere Etschthal oder das Vintschgau und durch das untere Eisack- sowie das Pusterthal (s. d.) von der Centralmasse geschieden, zerfällt durch das mittlere, gegen Süden durchbrechende Etschthal in zwei Abteilungen: die Ortleralpen im Westen, mit der von ungeheuren Schnee- und Eismassen bedeckten Ortlerspitze (3902 m) und dem Stilfser Joch (s. d.), ferner mit der Adamellogruppe südlich von den vorigen mit dem Monte-Adamello (3554 m) als Hauptgipfel und einer großartigen Eisbedeckung, dann den Nonsberger Alpen, der Brentagruppe und den Tridentinischen Alpen, welche letztere drei Gruppen bereits Kalkalpen sind. Östlich von der Etsch, der Eisack und südlich vom Pusterthal erheben sich die durch die Eigentümlichkeit ihrer Gipfelbildungen, bald Nadeln, bald Hörner und Türme, sowie durch ihre wilde Schluchten und furchtbare Zerrissenheit so interessanten Südtiroler Dolomiten. Sie sind eine Anhäufung zerrissener Bergstöcke mit meistens domartigen, zum Teil 2560‒3200 m hohen Kuppen und dem Kulminationspunkte der 3344 m hohen Marmolada im Hintergrunde des vom Wildbach Avisio oder Lavis durchflossenen Fleimser Thals, dessen oberer Teil, das Fassathal, durch die prachtvollsten Dolomitfelsen und durch völlig senkrechte Bergwände von mehr als 960 m Höhe, wie sie sich nirgends in dem ganzen Alpensystem finden, berühmt ist. Südlich von den durch das Valsugana geschiedenen Dolomiten erheben sich östlich der Etsch die Vicentinischen Alpen, welche auch zum Teil die Grenze gegen Italien bilden. Ihr Kulminationspunkt ist die Cima Dodici (2331 m). Wenige Länder sind so reich an schönen Thälern wie T. Die Hauptthäler sind das Innthal, 212 km lang, das Pusterthal (100 km) und das Etschthal (250 km). Unter den Nebenthälern sind, außer dem Fleimser und dem Fassathal, das wilde Ötzthal, das Grödner Thal, das Passeierthal, das Eisackthal, das Wipp- und das Zillerthal zu nennen.

Bewässerung. Nordtirol gehört zu dem Flußgebiet der Donau, ebenso auch der östl. Teil des Pusterthals, aus welchem die Drau nach Kärnten übertritt. Alles übrige Land fällt in das Gebiet des Adriatischen Meers. Der Hauptfluß von ganz Nordtirol ist der Inn, der das Land bei Finstermünz betritt und unterhalb Kufstein nach einem Laufe von 250 km wieder verläßt, nachdem er die Rosanna, den Ötzbach, die Sill und den Ziller aufgenommen. Ganz im Norden entspringen die Iller, der Lech und die Isar, die erst in Bayern zu größern Flüssen erwachsen. Der Hauptfluß von Südtirol ist die Etsch, die aus dem Reschensee auf der Malser Heide entsteht, links die Passer, die Eisack mit der Rienz, den Avisio oder Lavis, rechts den Noce aufnimmt und nach einem Laufe von 182 km unterhalb Ala nach Italien austritt. Außerdem fließen im Südwesten die Sarca in den Gardasee, im Südosten die Brenta durch das Valsugana. Abgesehen vom Boden- und Gardasee, deren Spiegel teilweise zu T. gehören, besitzt das Land viele kleine Seen, darunter den von Felswänden eingeschlossenen Achensee, der durch die Ache in die Isar abfließt, einer der schönsten des Hochlandes und der höchste (920 m) unter den größern deutschen Seen, ferner den Plansee, den reizenden Kalterer See, südwestlich von Bozen u. s. w.

Das Klima ist sehr verschieden; die centrale Gebirgskette bildet eine Klimascheide. Im nördl. Teil des Landes, besonders im obern Innthal, auf der Malser Heide, in den den Fernern benachbarten Thälern ist die Luft stets rauh und kalt; auch im Pusterthal hält der Winter lange an und ist sehr