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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tischzuchten; Tise Gangri; Tisfon; Tisia; Tisio; Tisiphone; Tisnov; Tissa; Tissandier; Tisserand; Tissierographie; Tissot; Tissus; Tisza

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Tischzuchten - Tisza (Koloman von)

vom 4. April 1853 bekannt, der zunächst bloß das Verfahren zur Hervorbringung jener drehenden Bewegung beschrieb. Es dauerte nicht lange, bis das sich daran knüpfende Klopfen und der Psychograph eine Art geistiger Epidemie erzeugten, welche in Deutschland nur vorübergehend, in Frankreich aber und besonders in England um so länger herrschte. Zur Erklärung des seltsamen Phänomens genügen schon die Gesetze der Mechanik. Das Erzittern der lange aufliegenden Hände summiert sich in dem Tische zu einer Kraftwirkung, die endlich, wenn mehrere unwillkürlich herniederdrückende Seitenpressungen hinzukommen, das Möbel in eine wälzende Bewegung versetzt (Faraday, Braid). Letztere gilt aber den Experimentierenden für eine selbständige, weil sie ihren bisherigen Kraftaufwand für zu unbedeutend ansehen und von der Geringfügigkeit der Reibung nichts ahnen, die, sobald die Bewegung einmal eingeleitet ist, zum größern Teile schon durch die Schwere des Tisches überwunden wird. (Vgl. Scheffler, Imaginäre Arbeit, eine Wirkung der Centrifugal- und Gyralkraft, mit Anwendungen auf die Theorien des Kreisels, des rollenden Rades, des Polytrops und des Tischrückens, Lpz. 1866.) Das Klopfen dagegen erklärt sich teils als Betrug, teils daraus, daß sich das Bewußtsein durch eine längere abtötende mechan. Beschäftigung teilweise hemmen, gleichsam anästhesieren läßt. Mit dem Hypnotismus hat das Tischrücken übrigens dem Wesen nach nichts zu schaffen; lediglich durch die irrtümliche Anschauung, daß beim Hypnotisieren (Magnetisieren) eine Art Fluidum (das sog. Od, s. d.) von einer Person auf die andere übergehe, hat man beide Vorgänge in Zusammenhang gebracht, ein Fehler, der auch bei neuern Mystikern wiederkehrt. (S. Spiritismus.)

Tischzuchten, poet. Anweisungen zum höfisch anständigen Essen, die im Mittelalter dadurch, daß man mit der Hand aß, daß meist mehrere einen Teller, ein Glas benutzten, besonders nötig wurden; das Benehmen bei Tisch war ein Maßstab der gesellschaftlichen Bildung. Solche T. gab es auch lateinisch ("Reineri Phagifacetus), hg. von Lemcke, Stett. 1880), französisch und englisch (vgl. Furnivall in der "Early English Text Society", Nr. 32, Lond. 1808). In Deutschland ist die älteste selbständige Tischzucht die sog. Hofzucht des Tannhäusers; Hans Sachs dichtete drei T. Aus der Parodie der T. erwuchs die grobianische Litteratur is. Grobianus). - Vgl. Geyer, Altdeutsche Tischzucht (Altenb. 1882); Haussen, C. Scheidt (Straßb. 1889).

Tise Gangri, Gebirge in Tibet, s. Gangri.

Tisfon, s. Ktesiphon.

Tisia, s. Theiß.

Tisio, Benvenuto, ital. Maler, s. Garofalo.

Tisiphone, eine der Erinnyen (s. d.).

Tisnov, s. Tischnowitz.

Tissa, Stadt, s. Randazzo.

Tissandier, Gaston, franz. Luftschiffer und Geschichtsschreiber der Aeronautik (s. Luftschiffahrt).

Tisserand (spr. tiss'ráng), François Felix, franz. Astronom, geb. 13. Jan. 1845 zu Nuits (Côte-d'Or), besuchte das Lyceum in Dijon und studierte von 1893 ab an der École normale supérieure Mathematik und Physik. 1866 wurde er an der Pariser Sternwarte als Adjunkt angestellt, 1873 zum Direktor der Sternwarte und Professor an der Fakultät in Toulouse, 1878 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften und des Bureau des Longitudes und zum Professor der Mechanik an der Sorbonne, 1892 zum Direktor des Pariser Observatoriums ernannt. Nach Monchez' Tode wurde er dessen Nachfolger in der Direktion der Pariser Sternwarte. T.s Arbeiten beziehen sich auf die verschiedenen Gebiete der himmlischen Mechanik, zu deren namhaftesten Vertretern er gehörte. Sie sind zumeist in den Annalen und Memoiren der Institute veröffentlicht, denen T. angehörte. Außerdem hat T. ein sehr wertvolles Lehrbuch der himmlischen Mechanik: "Traité de mécanique céleste", herausgegeben, von dem bisher 3 Bände erschienen sind (Par. 1889, 1891 u. 1894). Er starb 20. Okt. 1896 in Paris.

Tissierographie, ein von Tissier in Paris angewendetes Verfahren, um Kupferstiche u. dgl. auf Stein umzudrucken und für die Buchdruckerpresse hochzuätzen. Diese Steinhochätzungen sind schon von Senefelder und andern gemacht worden, haben sich aber praktisch nicht eingeführt.

Tissot (spr. -oh), Victor, franz. Schriftsteller, geb. 15. Aug. 1845 zu Freiburg in der Schweiz, leitete die "Gazette de Lausanne" bis 1874. Nachdem er Deutschland und Österreich bereist hatte, gab er 1875 die Schmähschrift "Voyage au pays des millards" (deutsch Bern 1875) heraus, die in Frankreich außerordentlichen Beifall fand. T. veröffentlichte hierauf unter anderm: "Les Prussiens es Allemagne" (1876), "Voyage aux pays annexés" (1876), "Vienne et la vie viennoise" (1878), "Les mystères de Berlin" (1879), "L'Allemagne amoureuse" (1884), "La police secrète prussienne" (l884; illustrierte Ausg. 1886), "De Paris à Berlin" (1886), "Un hiver à Vienne" (1888), "L'Allemagne amoureuse" (1893), "Les jeunes filles" (1896), "Un Lys dans la neige" (1897) u. a.

Tissus, s. Theiß.

Tisza (spr. tissa), ungar. Name der Theiß (s. d.).

Tisza (spr. tissa), Koloman von, ungar. Staatsmann, geb. 16. Dez. 1830 zu Geszt im Biharer Komitat, studierte die Rechte und trat schon 1848 ins Unterrichtsministerium. Während der Revolution zog er sich zurück, 1855 wurde er Hilfskurator des reform. Nagy-Szalontaer Kirchendistrikts und bekämpfte 1859 energisch das von dem Grafen Leo Thun eingeführte, gegen die autonome prot. Kirchenverfassung Ungarns gerichtete Protestantenpatent. 1861 wurde T. in den Reichstag gewählt und übernahm nach dem Selbstmorde des Grafen Ladislaus Teleki die Führerschaft des linken Centrums im ungar. Abgeordnetenhause, die er auch in den folgenden Sessionen (1865, 1869, 1872) behauptete. Endlich gab er im Anfang 1875 seinen oppositionellen Standpunkt auf und ermöglichte die Verschmelzung des linken Centrums mit der Deák-Partei zu der liberalen Partei. Im Ministerium Wenkheim vom 5. März 1875 übernahm T. das Ministerium des Innern und 21. Okt. auch die Ministerpräsidentschaft. Hauptaufgabe des Tisza-Ministeriums war der wirtschaftliche Ausgleich mit Transleithanien und die Neuorganisierung der Österreichisch-Ungarischen Bank. Während der Wahlen für 1878-81 bereitete die Occupation Bosniens und der Herzegowina neue Schwierigkeiten für die Finanzen diesseit und jenseit der Leitha, so daß das ganze Tisza-Ministerium seine Entlassung einreichte, obgleich die Wahlen ihm eine große Majorität gesichert hatten. Die viel angefochtene Politik Andrássys siegte aber in den Delegationen, und T. trat abermals im Dez. 1878 an die Spitze des neuen Kabinetts. 1887 übernahm er nach Szapárys