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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tolēdo

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Toledo (in Spanien)

nach Berlin, besuchte dann Belgien, London und Paris und kehrte 1830 in seine Heimat zurück. Hier gründete er mit Paul Bugát das "Orvosi tár" (mediz. Zeitschrift), das erste ungarische mediz. Journal, das er bis 1833 redigierte, wurde 1830 Mitglied der Ungarischen Akademie, als deren Sekretär er 1835-61 wirkte, und 1833 außerord. Professor der Diätetik an der Universität. Die Kisfaludy-Gesellschaft, die auf T.s Veranlassung 1836 begründet worden war, wählte ihn 1841 zum Direktor. Als er 1844 Direktor der Universitätsbibliothek wurde, legte er sein mediz. Lehramt nieder. Nach 1849 wandte er sich ganz der Geschichte der ungar. Litteratur zu, deren Professur an der Universität er 1860 erhielt. Er starb 10. Dez. 1875 in Pest.

T. veröffentlichte zahlreiche histor. Quellenwerke, so das "Chronicon Hungarorum" (Ofen 1852) und "Marci chronica de gestis Hungarorum" (Pest 1867), und gab das "Corpus grammaticorum linguae hungaricae veterum" (ebd. 1866) sowie die Werke vieler ältern und neuern ungar. Schriftsteller heraus. Seine Hauptwerke sind jedoch seine grundlegenden Arbeiten über ungar. Litteraturgeschichte. Als Mitglied der Akademie zu Wien schrieb er "Die ungarische histor. Dichtung vor Zrinyi" (Wien 1848) und "Kulturzustände der Ungarn vor der Annahme des Christentums" (ebd. 1850). Diesen folgten: "A magyar nemzeti irodalom története" ("Geschichte der ungar. Nationallitteratur", 3 Bde., Pest 1851; der erste Band deutsch von M. Kolbenheyer, "Geschichte der ungar. Litteratur im Mittelalter", ebd. 1865) und dasselbe in kürzerer Fassung (ebd. 1854; 4. Aufl. 1878), "A magyar költészet története" ("Geschichte der ungar. Dichtung", ebd. 1855 u. 1867; deutsch von G. Steinacker, ebd. 1863), "Irodalomtörténeti olvasókönyv" ("Litterarhistor. Lesebuch", ebd. 1868), "A magyar költészet kézikönyve" ("Handbuch der ungar. Poesie", 2. Aufl., 5 Bde., ebd. 1876) u. a.

Sein Sohn Stephan T., Publizist und Dramatiker, geb. 4. Juni 1844 in Pest, gest. 8. Dez. 1879, schrieb polit. Broschüren, redigierte mehrere Zeitungen (so 1875-79 das polit. Tageblatt "Nemzeti Hirlap") und veröffentlichte Romane und Novellen. Seine Lustspiele "Die guten Patrioten" (1872) und "Neue Menschen" (1873) spiegeln die unmittelbare Gegenwart wider und hatten großen Erfolg. Weniger gelungen sind seine ernstern Dramen "Livia" (1873) und "Cornelia" (1875).

Tolēdo. 1) Span. Provinz in Neucastilien, die Mitte der Iberischen Halbinsel, liegt zwischen den Provinzen Avila im NW., Madrid im NO., Cuenca im O., Ciudad-Real (La Mancha) im S. und Caceres im W., ist wenig gebirgig, nur im NW. ist die 1366 m aufsteigende Sierra de San Vicente (eine kürzere Vorkette der Sierra de Gredos) und im SW. sind die Montes de T., im Tejadillas 1400 m hoch, meist kahle, verzweigte Kalk-, Granit- und Schieferberge, zum größten Teil baumarm, mit Ausnahme des Südostens, wo der Giguela mit Rianzares zum Guadiana geht, nur vom Tajo und seinen Nebenflüssen Algodor, Guadarrama und Alberche bewässerte Hochebene mit kontinentalem Klima und fruchtbarem, ungenügend angebautem Boden, der Getreide, Hülsenfrüchte, Wein, Öl und Safran trägt, sowie mit wenig benutzten Weiden zur Zucht der Haustiere. T. hat auf 15257 qkm (1887) 359562 (181720 männl., 177 842 weibl.) E., 24524 mehr als 1877, und zerfällt in 12 Bezirke mit 206 Gemeinden. - 2) T., lat. Toletum, Hauptstadt der Provinz T., rechts am Tajo, der die an schroff abfallendem, 529 m hohem Berge liegende Stadt auf drei Seiten umgiebt, an der Seitenlinie Castillejo-T. (26 km) der Eisenbahn Madrid-Alicante und 13 km südlich der Station Bargas der Bahn Madrid-Lissabon, ist ein von starken Mauern geschütztes Gewirr enger, oft steiler, finsterer Gassen und Plätze mit vielen großartigen Bauten aus frühern Jahrhunderten, ein alter berühmter Sitz des Kardinal-Erzbischofs und Primas von Spanien und hat (1887) 20837 E., während im 14. Jahrh, an 200000 E. daselbst gewesen sein sollen.

^[Abb.]

Auf dem Gipfel des Berges liegt an Stelle des alten maurischen ein von Alfons X. im 13. Jahrh, erbautes Schloß (Alcazar), das 10. Jan. 1887 durch Feuer zerstört wurde. Von maur. Bauart sind noch die Puerta del Sol (d. i. Sonnenthor, s. Tafel: Kunst des Islam II, Fig. 2), zwei Thore an der Flußseite (Alcantara und San Martin) sowie eine der beiden hohen Tajobrücken (Puente de Alcantara, s. Tafel: Steinbrücken I, Fig. 1) und das jenseits neben dieser liegende Kastell San Servando, während die andere Brücke (de San Martin) den schönsten Blick auf die wilde Schlucht des Tajo bietet. Das großartigste Bauwerk ist die 1227 von Pedro Perez begonnene Kathedrale. Sie ist 120,4 m lang, 59,13 m breit, 30,5 m hoch, hat eine prächtige, skulpturenreiche Westfaçade in drei Stilarten, fünf Schiffe mit 88 Pfeilern, Kostbarkeiten und Kunstschätzen (auch deutsche Gemälde) und unter den 22 Seitenkapellen die des Kardinals Ximenes, die Capilla mozárabe mit achteckiger Kuppel und die herrliche Capilla de los Reyes Nuevos (1531-46 erbaut) mit Königsgräbern, sowie den prächtigen Kapitelsaal und einen 90 m hohen Turm mit 14 Glocken. (S. Tafel: Spanische Kunst II, Fig. 1.) Im erzbischöfl. Palast befindet sich die 1771 gegründete Provinzialbibliothek mit 70000 Bänden und 678 Handschriften. Neben dem Dom ist der frühere Inquisitionspalast, jetzt Provinzialregierung. Am dreieckigen Domplatz (Plaza de Ayuntamiento) steht das von Juan de Herrera, dem Erbauer des Escorial, im Renaissancestil errichtete zweitürmige Stadthaus. T. hat außer dem Dom 25 Kirchen, darunter El Cristo de la Luz, ursprünglich eine Moschee, die Alfons VI. beim Siegeseinzug zur Kirche weihte, und Sta. Maria la Blanca in maur. Stil, bis 1405 Synagoge (s. Tafel: Arabische Kunst I, Fig. 3); ferner in dem von Ferdinand und Isabella 1476 gegründeten Kloster San Juan de los Reyes (mit Provinzialmuseum) einen prächtigen got. Kreuzgang. Sodann besitzt T. 19 Nonnenklöster (früher auch 37 Mönchsklöster), 9 Hospitäler, ein Barmherzigenhaus (Casa de Caridad), 3 Erziehungsanstalten für adlige Fräulein, ein Instituto, Priester- und Lehrerseminare, Kunstakademie, Kunstgewerbeschule und Kadettenschule. Die 1498 gegründete Universität ist 1845 eingegangen, ebenso die allgemeine Kriegsschule. Am rechten Ufer des Tajo, 1 1/2 km stromab, liegt eine königl. Waffenfabrik, die vortreffliche Degenklingen (Toledoklingen), Säbel, Bajonette, Dolche und Messer liefert, auch wird im Kleingewerbe die noch immer bemerkenswerte Tauschierarbeit auf blanke Waffen