923
Totenuhr - Totes Meer
des T.: 24 menschliche Gestalten, Geistliche und Laien in absteigender Rangordnung vom Papst und Kaiser bis hinab zum Klausner und Bauer, sowie Jüngling, Jungfrau und Kind, zwischen je zweien derselben eine Todesgestalt, nicht als Gerippe, sondern als verschrumpfte Leiche mit umhüllendem Grabtuch, ziehen hier nach alter Weise des Tanzes im Reigen, voran ein einzelner Tod pfeifend und springend. Aus etwas späterer Zeit ist erhalten ein T. in der Marienkirche zu Berlin mit 28 Paaren. In den Ausgang des 15. Jahrh. fällt der T. im Kreuzgange des Klingenthals, eines ehemaligen Frauenklosters der Kleinstadt Basel, mit 38 Tänzergruppen. Älter sind die frühesten Holzschnittwerke, die diesen Gegenstand behandeln. Während die Dichtkunst endlich den Stoff zu verschmähen begann, nahm sich desto eifriger die bildende Kunst seiner an. Aus der Verborgenheit des Frauenklosters trug man den T. zu Basel in die Öffentlichkeit über, indem man ihn an der Kirchhofsmauer des Predigerklosters anbrachte, wo er bald ein Wahrzeichen der Stadt und Anlaß zur Redensart "Der Tod von Basel" wurde. Herzog Georg von Sachsen ließ nach 1534 längs der Mauer am dritten Stockwerk seines Schlosses zu Dresden ein steinernes Relief von 24 lebensgroßen Menschen- und Todesgestalten ausführen, welches, im großen Brande von 1701 stark beschädigt, auf den Kirchhof der Neustadt Dresdens übertragen und wiederhergestellt wurde. Berühmter noch ist der T., den 1515-21 Nikolaus Manuel an die Umfassungsmauer der Dominikanerkirche zu Bern mit 41 Figuren malte. Die alten Gemälde zu Basel und Bern sind größtenteils zerstört. Der berühmteste T. ist der, welchen Lützelburger nach den Zeichnungen Hans Holbeins (s. d.) des Jüngern in Holzschnitt ausführte und worin die ganze Anschauung eine völlig neue und wahrhaft künstlerische Gestalt erhielt. Während man bisher zu schildern gesucht hatte, wie der Tod keinen Stand und kein Alter verschont, lag es Holbein vielmehr daran, zu zeigen, wie der Tod mitten hereinbricht in den Beruf und die Lust des Erdenlebens. So sah er vom Bilde des Tanzes ab und gab abgeschlossene Scenen, durchweg von erschütternder Wirkung, so klein an Umfang sie auch ausgeführt sind. (S. Textfigur 1 u. 2 beim Artikel Holbein der Jüngere.) Auch zeichnete er ein Alphabet mit Totentanzdarstellungen. Im 16., 17. und 18. Jahrh. entstanden T. zu Füssen, Konstanz, Luzern, zu Kukuksbad in Böhmen, Freiburg, Erfurt u. s. w. Im 19. Jahrh. behandelte der Maler Rethel den Stoff in großartiger Weise (s. Tafel: Deutsche Kunst VII, Fig. 9), neuerdings Hans Mayer, Jos. Sattler, Max Klinger ("Cyklus vom Tote") u. a.; L. Bechstein in einem Gedicht.
Vgl. Peignot, Recherches sur les danses des morts (Dijon und Par. 1826); Douce, The dance of death (Lond. 1833); Maßmann, Litteratur der T. (Lpz. 1841); ders., Baseler T. (Stuttg. 1847); W. Wackernagels Abhandlung in Haupts "Zeitschrift für deutsches Altertum", Bd. 9, (Lpz. 1853); Vallardi, Trionfo e danza della morte (Mail. 1859); Vigo, Le danze macabre in Italia (Livorno 1878); Merino, La danza macabre (Madr. 1884); Seelmann, Die T. des Mittelalters (Norden und Lpz. 1893); Jos. Sattler, Ein moderner T. (13 Tafeln in Photogravüre, Berl. 1895); Goette, Holbeins T. und seine Vorbilder (Straßb. 1897).
Totenuhr, Klopfkäfer, s. Bohrkäfer.
Totenvogel oder Leichenhühnchen, Bezeichnung für mehrere kleinere Eulenarten, namentlich für den Steinkauz (Strix noctua Scop.), die nach abergläubischer Anschauung durch ihr Schreien in der Nähe der Wohnung eines Kranken dessen baldiges Ableben verkünden sollen. In manchen Gegenden wird dasselbe von gewissen Nachtschwalben gefabelt.
Toter Grund des Meeres, s. Beggiatoa.
Toter Mann, soviel wie Alter Mann (s. d.).
Toter Meerbusen, s. Mertwyj Kultuk.
Toter Punkt, s. Totpunkt.
Toter Winkel, s. Deckung (in der Befestigungskunst).
Totes Feld, s. Tot.
Totes Gebirge, s. Priel und Ostalpen.
Totes Gewicht, s. Schiffbaukunst (Bd. 17).
Totes Gleis, s. Bahnhöfe.
Totes Meer (so zuerst bei Pausanias genannt, 150 n. Chr.), in der Bibel gewöhnlich das Salzmeer, bei Josephus Asphaltitis ("Asphaltsee"), bei den Arabern Bahr Lut (d.i. Meer des Lot, 1 Mos. 19), das tiefste Wasserbecken in Palästina, liegt in einer Grabensenkung, die vom Roten Meer bis zum untern Orontes reicht und ist durch Einsturz entstanden (s. Karte: Palästina). Im N. durch die Jordanebene, im S. durch die Arabah, im O. und W. durch die steilen Abhänge des Berglandes begrenzt, hat es eine Länge von 73 km und in der Mitte eine Breite von 17,8 km. Sein tiefblauer Wasserspiegel liegt 394 m, die größte Tiefe des Beckens beläuft sich auf 793 m unter dem Mittelmeer. Der starke Salzgehalt des Wassers (21,7 Proz.), jedoch nach dem Orte und nach der Tiefe verschieden, erklärt sich durch die stetige Verdunstung der zugeführten Wassermengen in der trocknen heißen Luft, die in dem Kessel lagert. Das hohe spec. Gewicht des Wassers macht ein Versinken organischer Körper unmöglich. Der abflußlose See verändert seinen Wasserstand sowohl jährlich (bis zu 2 m) als auch in längern Perioden. Der südliche, durch die flache Halbinsel El-Lisan abgegrenzte Teil ist bedeutend seichter und konnte um 1820 noch durchschritten werden, was jetzt nicht mehr möglich ist. Der hohe Salzgehalt des Wassers (Chlor und Brom, mit Natrium, Magnesium, Kalium und Calcium verbunden) tötet dem Anschein nach alles Leben im Bereiche des Sees. Doch will man neuerdings Beweise des Gegenteils beobachtet haben. Wo hingegen Süßwasser das höhere Gestade befruchtet, gedeihen auch tropische Gewächse (Engedi im Westen, die Flußmündungen im Osten). Die Berge des Westufers gehören der Kreideformation an und zeigen nicht die geringste Spur vulkanischer Erschütterungen, wohl aber einen starken Gehalt von Bitumen, das durch die Verwesung organischer Stoffe, namentlich von zahllosen Fischen, entstanden ist. Dadurch, daß das flüssige Bitumen in einzelnen Klüften und Spalten sich sammelte, verharzte und erhärtete, entstand der Asphalt, den die Wellen an einzelnen Stellen aus dem Gestein herausheben und an das Ufer werfen. Der Asphalt hat also mit der Entstehung des T. M. nichts zu thun. Am Ostufer des Sees bildet den Fuß des Gebirges die Sandsteinformation, die von starken Basaltergüssen durchbrochen ist; darüber erst lagern die Kreideschichten, die denen des Westufers gleichen. Die Ufer sind mit Treibholz bedeckt; im Norden mündet der Jordan. (S. auch Sodom und Gomorrha.) - Vgl. Lynch, Narrative of the U.S. expedition to explore the Jordan and the Dead Sea (Philad. 1849 u. ö.; deutsch Lpz. 1850); ders., Official report of the U.S. ex-^[folgende Seite]