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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Tscherkessien - Tschernigow

andern Völkern hat bisher nicht festgestellt werden können. Man kennt auch ihre Herkunft nicht; doch steht außer Zweifel, daß sie schon vor Christi Geburt die Ufer des Asowschen und Schwarzen Meers bewohnt haben. Bei den griech. Schriftstellern werden sie erwähnt unter dem Namen Zichi, Toreti und Kerketi (daraus ist wohl das ital. Circassi und das Wort T. entstanden). Im Frieden von Adrianopel (1829) trat die Türkei die tscherkessischen Völker an Rußland ab, aber sie hielten sich für gänzlich unabhängig und bildeten eine Menge kleiner Republiken, die eine Art von Bund miteinander hatten. Das war der größere Teil derselben, die sog. Freien T., im Gegensatz zu den Friedlichen T. Diese wurden von Fürsten regiert, die Rußland über sie setzte; jene mußten durch Krieg überwunden werden. (S. Kaukasische Kriege.) Dabei wurden sie zu größerer Vorsicht aus ihren schwer zugänglichen Thälern auf die fruchtbaren Ebenen des Kubanbassins übergesiedelt. Dies hatte zur Folge, daß von 400 000 Freien T. gegen 300 000 in die Türkei auswanderten; von einzelnen Stämmen, wie den Shapsugen und Ubychen, ist fast niemand zurückgeblieben; von den Abadsechen und Bscheduchen weniger als die Hälfte. Zu den auswandernden T. gesellten sich noch die Bewohner der nordöstl. Ufer des Schwarzen Meers, so daß 1864 wohl gegen ½ Mill. kaukas. Bergvölker in die Türkei auswanderte. Die Übriggebliebenen wurden hauptsächlich in den Bassins der Bjelaja und Laba, im Ober- und Mittellauf des Kuban und seiner Zuflüsse Urup, dem Großen und Kleinen Selentschuk angesiedelt und die einzelnen Stämme vielfach mit andern vermischt. Nur wenige wurden in ihren alten Wohnsitzen belassen. - Die T. sind im allgemeinen von mittlerm Wuchs und kräftig gebaut; sie haben regelmäßige und männliche Gesichtszüge, oftmals mit wildem Ausdruck. Unter den Weibern findet man, besonders in den höhern Ständen, wirkliche Schönheiten, doch vergeht die Schönheit bald, da die Frauen schwere Arbeit verrichten müssen. Das Familienleben trägt einen patriarchalischen Charakter; für die Frau wird ein sog. Kalym (Brautkaufpreis) bezahlt; Achtung vor dem Alter und unbedingte Gastfreundschaft sind die guten Seiten des T., doch giebt er sich wilder Blutrache hin. Das Kostüm (besonders den langen Rock, Tscherkeßka genannt) der Männer haben die kaukas. Kosaken ebenso wie die Bewaffnung und die Haltung zu Pferde von den T. entlehnt. Das weibliche Kostüm ist sehr malerisch. Der kriegerische Geist der T., ihre Waghalsigkeit und Gewandtheit haben sehr abgenommen, seitdem sich das Volk an ein friedliches Leben gewöhnt hat. Alle bekennen sich zum Islam und sind Sunniten, doch giebt es Beweise, daß sie einst Christen gewesen sind, wie auch die Verehrung Christi, der Mutter Gottes und des Kreuzes bei ihnen besteht, freilich neben manchen heidn. Gebräuchen. Um die Verbreitung des Christentums unter diesen Völkern hat sich besonders Kaiser Justinian verdient gemacht, dessen Name in Liedern fortlebt. Über die Sprache der T. (s. Kaukasische Sprachen) vgl. L'huilier, Russ.-tscherkess. Wörterbuch mit Grammatik (Odessa 1846); Löwe, Circassian dictionary (Lond. 1854).

Tscherkessien, s. Cirkassien.

Tscherlitz, deutscher Name von Echallens (s. d.).

Tschermak, Gustav, Mineralog, geb. 19. April 1836 zu Littau bei Olmütz, studierte zu Wien und veröffentlichte 1858 seine erste Abhandlung über das Trachytgebirge bei Banow; er habilitierte sich 1861 in Wien, wurde 1862 Kustos am Hofmineralienkabinett und bereiste 1863-66 die Alpen und Karpaten, um Beobachtungen und Materialien für sein preisgekröntes Werk "Die Porphyrgesteine Österreichs" zu sammeln, welches 1869 erschien. T. wurde 1868 zum Direktor des kaiserl. Hofmineralienkabinetts sowie zum Professor an der Universität ernannt, 1875 zum Wirklichen Mitglied der Wiener Akademie gewählt. Die Direktorstelle am Hofmineralienkabinett legte er 1877 nieder. T. ist der Verfasser einer großen Anzahl von zumeist in den "Sitzungsberichten" der Wiener Akademie erschienenen Abhandlungen mineralog. und petrogr. Inhalts, die sich sowohl durch Sorgfalt als durch Gedankenreichtum auszeichnen. So hat er 1865 die Feldspatgruppe, 1872 die Familie von Hornblende und Augit, 1877 die Glimmergruppe bearbeitet und geordnet, 1883 ferner die Skapolithgruppe, 1891 die Chloritgruppe. Sein "Lehrbuch der Mineralogie" erschien in vierter Auflage (Wien 1894). Ferner ist T. einer der hervorragendsten Kenner und Forscher auf dem Gebiete der Meteoritenkunde; aus diesem veröffentlichte er das umfassende Werk "Die mikroskopische Beschaffenheit der Meteoriten, erläutert durch photogr. Abbildungen", mit 25 Tafeln (3 Lfgn., Stuttg. 1883-85). Seit 1871 gab er die Zeitschrift "Mineralog. Mitteilungen" heraus, die 1878 zu den "Mineralog. und petrogr. Mitteilungen" erweitert wurde; 1889 übertrug er deren Redaktion an Friedr. Becke.

Tschernagora, s. Montenegro.

Tschernagorischer Unabhängigkeitsorden, s. Danilo-Orden.

Tschernaja (spr. tschór-), auch Tschorgun, Fluß im Kreis Jalta des russ. Gouvernements Taurien, auf der Halbinsel Krim, mündet bei Inkerman ins östl. Ende der Bucht von Sewastopol (s. d. nebst Textkarte) und ist bekannt durch den Angriff vom 16. Aug. 1855, den die in Sewastopol belagerten Russen (74 000 Mann) gegen die Deckung der Verbündeten an der T. (39 630 Mann) richteten, aber mit einem Verlust von 260 Offizieren und 8010 Mann gegen 1750 Mann geschlagen wurden.

Tschernajew, Michael Grigorjewitsch, russ. General, geb. 1828, nahm am türk. Kriege in der Krim und an den Kämpfen im Kaukasus teil, kam 1864 als Generalmajor nach Turkestan und eroberte Taschkent, wurde 1867 verabschiedet, trat in Moskau als Rechtsanwalt auf, wurde aber bald wieder im Heere angestellt, ohne indessen ein Kommando zu erhalten, und nahm 1875 den Abschied. T. gründete hierauf in Petersburg die Zeitung "Ruskij Mir". Im Juli 1876 übernahm er den Befehl über das serb. Heer an der Morava und wurde 29. Okt. bei Alexinac von den Türken geschlagen. 1877 unternahm T. eine Agitationsreise nach Österreich, wurde zu Prag ausgewiesen, lebte dann in Frankreich und beteiligte sich dort an deutschfeindlichen Demonstrationen. Anfang 1879 versuchte T. in Rumelien einen Aufstand der Bulgaren zu organisieren, wurde im März zu Adrianopel verhaftet und nach Rußland gebracht. 1882-84 war er Generalgouverneur des turkestan. Militärbezirks in Taschkent. Seitdem steht er à la suite des Generalstabs und ist Mitglied des Kriegsrats.

Tschernenka (spr. tschór-), russ. Stadt, s. Grigoriopol.

Tschernigow. 1) Gouvernement im südwestl. Teil des mittlern Rußlands (s. Karte: Südrußland

^[Artikel, die man unter Tsch vermißt, sind unter Cz aufzusuchen.]