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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vereinigte Staaten von Amerika (Verfassung)

zu bekleiden, erkennen. Der Überwiesene kann aber außerdem noch zur weitern Procedur den gewöhnlichen Gerichten übergeben werden. Der Kongreß muß alljährlich zusammentreten, am ersten Montag im Dezember, und wird mit einer Botschaft des Präsidenten eröffnet. Kein Mitglied desselben kann ein Staatsamt der Vereinigten Staaten bekleiden, kein Beamter dieser letztern darf im Kongreß sitzen. Ein Gesetzentwurf, welcher in beiden Häusern genehmigt ist, wird dem Präsidenten zugeschickt: er kann ihn genehmigen, oder mit seinem Veto (s. d.) zurücksenden; stimmen dann in beiden Häusern je zwei Drittel für den Entwurf, so erhält er ohne weiteres Gesetzeskraft. Dasselbe gilt von Anträgen, gegen welche der Präsident nicht binnen zehn Tagen seine Einwendungen dem Hause übermacht. Zu den Befugnissen des Kongresses gehört die Auflage von Abgaben, Steuern und Zöllen, die Aufnahme von Anleihen und Tilgung von Schulden, die Prägung von Geld, überhaupt die Regelung des Finanzwesens sowie des Handels und Bankrottwesens, ferner des einheitlichen Maßes und Gewichts. Er errichtet Postämter und Poststraßen, sichert Patente auf Erfindungen, erhält die Land- und Seemacht, erklärt Krieg, stellt Kaperbriefe aus und regiert den Bundesdistrikt. Der Präsident, die vollziehende Gewalt, vertritt den Bund nach außen und schließt Verträge. Er ist der höchste Befehlshaber der Armee, Seemacht und Milizen und übt namentlich dadurch eine bedeutende Macht aus, daß er die wichtigern Bundesbeamten ernennt, wie die auswärtigen Vertreter, Bundesrichter, höhern Befehlshaber, Postmeister der größern Städte und Hauptzollbeamte. Da er den Gesetzen des Kongresses gegenüber ein bedingtes Vetorecht besitzt, so hat er auch teil an der Gesetzgebung. Andererseits hat er nicht das Recht, Krieg zu erklären; die auswärtigen Verträge müssen mit der Zustimmung des Senats geschlossen werden, und diese Körperschaft hat auch die vom Präsidenten ernannten wichtigern Beamten zu bestätigen und kann seine Ernennungen verwerfen. Die Amtsdauer des Präsidenten währt vier Jahre, er kann aber nach jedesmaligem Ablauf derselben wieder gewählt werden. Jedoch ist es, nach dem Beispiel, das George Washington gegeben hat, stets befolgter Gebrauch, daß der höchste Beamte der Union nicht mehr als zweimal amtiert. Der Präsident wird von Wahlmännern, diese wieder durch allgemeine Volksabstimmung am ersten Dienstag im November gewählt. (Näheres s. Electoral College.)

Stirbt der Präsident, so folgt ihm bis zur nächsten Wahl der Vicepräsident, der in ähnlicher Weise gewählt wird wie der Präsident; stirbt auch der Vicepräsident, so folgen die Minister in bestimmter Reihenfolge. Der Präsident giebt alljährlich in einer Botschaft dem Lande Rechenschaft über seine Thätigkeit und über seine Auffassung der polit. Lage. Die beiden höchsten Würdenträger der Union treten 4. März mittags nach der Wahl ihr Amt an; sie müssen eingeborene Bürger der Vereinigten Staaten, 35 J. alt und wenigstens 14 Jahre im Lande ansässig gewesen sein. Der Präsident hat als Amtswohnung das Weiße Haus zu Washington und bezieht (seit 1873) 50000 Doll. jährliche Besoldung, der Vicepräsident 8000 Doll. Die Verwaltung wird durch ein Kabinett besorgt, das in die Abteilungen Auswärtiges (Staatssekretär), Finanzen, Krieg, Seewesen, Post, Landwirtschaft und Inneres zerfällt. Auch gehört der Generalstaatsanwalt (Attorney General) zum Kabinett. Die Vorstände der Departements heißen Sekretäre und werden vom Präsidenten nach Belieben entlassen; ernannt aber werden sie unter Zustimmung des Senats. Jeder dieser Minister bezieht 8000 Doll. Jahresgehalt. Über den dritten Zweig der Bundesregierung, die richterliche Gewalt, s. Court und Supreme Court.

Die Verfassung der Einzelstaaten darf nichts enthalten, was der Unionsverfassung widerspricht. Obschon beträchtliche Verschiedenheiten in den Einzelheiten existieren, stimmen doch die Grundlagen ihrer Verfassungen miteinander überein und sind der Unionsverfassung nachgebildet. Jeder Staat hat einen Gouverneur, ein Repräsentantenhaus und einen Senat, eine polit. Hauptstadt und eine Einteilung in eine größere oder kleinere Anzahl Counties; (Grafschaften), von denen wiederum jedes einen polit. Hauptort (county-seat) besitzt. In allen Beziehungen, die nicht unter die Kompetenz der Unionsgerichte fallen, ordnet jeder einzelne Staat sein Rechtswesen nach Belieben. (S. Court.) Die Grundlage des amerik. Rechts bildet das alte engl. Landrecht, mit mannigfachen, aus örtlichen Bedürfnissen hervorgegangenen Abänderungen. In Louisiana gilt auch noch altfranz., in Florida und Neumexiko span. Recht. Im allgemeinen läßt die Rechtspflege in den Vereinigten Staaten vieles zu wünschen übrig: sie ist kostspielig, verwickelt, vielfach schleppend. Alle Verbrechen, die Anklagen vor dem Senat ausgenommen, kommen vor Geschworenengerichte, deren Verdikt einstimmig sein muß. In den spärlich bevölkerten Gegenden des Westens und auch in manchen Südstaaten ist die rohe Selbsthilfe der Lynchjustiz (s. d.) nichts Seltenes. Nach einer Statistik kamen in den zehn Jahren 1886-96 auf 48834 Morde und Totschläge aller Art 1030 gesetzliche Hinrichtungen und 1655 Lynchfälle. Die Todesstrafe existiert nicht in Rhode-Island, Marne, Michigan, Wisconsin, wahrend dieselbe in manchen Staaten auch für Brandstiftung gewisser Art, Notzucht und selbst für versuchte Notzucht (z. B. Virginien) eingesetzt ist, letzteres, um den Anfällen von Negern auf weiße Frauen, sowie den daraus fast ausnahmslos resultierenden Lynchfällen entgegenzuwirken.

Bürger der Vereinigten Staaten ist jeder, der in einem zu ihnen gehörenden Staate oder Gebiete geboren ist. Der vom Ausland Eingewanderte erwirbt das Bürgerrecht, wenn er der Behörde erklärt, daß er Bürger werden wolle, und später, nach mindestens fünfjährigem Aufenthalt im Lande, den Bürgereid leistet. Während die Erlangung des Bürgerrechts gleichmäßig für die ganze Union geregelt ist, entscheiden die Einzelstaaten über die Ausübung des Stimmrechts innerhalb ihres Gebietes. In der Mehrzahl der Staaten (z. B. in Neuyork) verleiht erst der Besitz des Bürgerrechts das Wahlrecht, doch ist in mehrern den kürzlich Eingewanderten gestattet, am öffentlichen Leben direkt teilzunehmen, wenn sie erklärt haben, Bürger werden zu wollen (im Besitz "des ersten Papiers" sind). In 14 Staaten sind solche Einwanderer bei allen Wahlen stimmberechtigt.

Das Wappen besteht in einem dunkelbraunen Adler, der in der einen Klaue ein Bündel Pfeile, in der andern einen Ölzweig hält und dessen Brust ein Schild bildet, dessen oberer Teil blau ist und dessen unteres rotes Feld sechs senkrechte silberne Balken durchschneiden. Im Schnabel hält dieser Adler ein Band mit der Inschrift "E pluribus unum"; über seinem Kopf 13 Sterne (die ursprüngliche Zahl der