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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vereinigte Staaten von Amerika (Geschichte bis 1776)

Staatsrecht der Vereinigten Staaten (Freiburg 1885); McMurry, Die Organisation des höhern Schulwesens in den Vereinigten Staaten (Jena 1888); Sering, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas (Lpz. 1887); Mayr, Die Waldungen von Nordamerika (Münch. 1890); King's Handbook of the United States (Lond. 1891); Baedeker, Nordamerika (Lpz. 1893); Diercks, Kulturbilder aus den Vereinigten Staaten (Berl. 1893); Turner, The significance of the Frontier in American History (Wash. 1894); Paul-Dubois, Les chemins de fer aux États-Unis (Par. 1896); Wright, Industrial evolution of the United States (Lond. 1897). - Karten: Topographic Survey, 1:62500 und 1:125000 (seit 1882); Geological Atlas (hg. von Geological Survey, seit 1892); Relief Map (Höhenschichtenkarte), 1:7000000 (von dems., 1892).

Geschichte. I. Vorgeschichte oder Kolonial-Periode (bis 4. Juli 1776). Die V. S. v. A. erscheinen als solche historisch zum erstenmal in der berühmten Unabhängigkeitserklärung, die von dem Kontinentalkongreß der 13 brit. Kolonien Nordamerikas 4. Juli 1776 erlassen wurde. Anerkannt wurden sie zuerst von Frankreich in den im Febr. 1778 zu Paris abgeschlossenen Verträgen, sodann von Großbritannien in dem Frieden von Versailles, 3. Sept. 1783, darauf in rascher Folge von allen übrigen Mächten. Bis dahin gab es nur europ. Kolonien in Nordamerika und zwar spanische, französische, schwedische, holländische, der Mehrzahl nach jedoch englische. Die älteste dauernde engl. Kolonie war das 1607 begründete Virginia (s. d.). Bedeutsam, weil ihre Geistesrichtung von entscheidendem Einfluß für die Gestaltung des Nationalcharakters gewesen ist, war die Ankunft der sog. Pilgerväter, der 102 Puritaner, die religiöser Verfolgungen halber England verlassen hatten und sich 1620 in Plymouth in Massachusetts (s. d.) niederließen. Ferner verdient die erste größere Einwanderung aus Deutschland (Krefeld), die 1683 zur Gründung von Germantown (s. d.) führte, besonderer Erwähnung, obgleich weder diese noch auch die seit 1730 in stärkerm Maße nachfolgende deutsche Einwanderung den engl. Grundcharakter der Kolonien zu ändern vermochte. Thatsächlich bestanden, seit 1733 die Kolonie Georgia gegründet war, im Gebiete der heutigen Union 13 engl. Kolonien, die teils unter Provinzialregierungen (New-Hampshire, Neuyork, Neujersey, Virginia, beide Carolinas und Georgia), teils unter Eigentümerregierungen (Maryland, Pennsylvanien und Delaware), teils unter Freibriefregierungen (Massachusetts, Rhode-Island und Connecticut) organisiert waren. (S. die Einzelartikel.) Gemeinsame Beziehungen unter den einzelnen Kolonien entstanden teils durch Indianerkriege, unter denen die von den "Königen" Philipp (1675) und Pontiac (1763) angezettelten besonders gefährlich waren, teils durch die blutigen Kämpfe zwischen Engländern und Franzosen um die Suprematie in Nordamerika. Die Franzosen, die sich im Norden in Canada (s. d.), im Süden in Louisiana (s. d.) niedergelassen hatten, suchten nämlich im Bunde mit den Indianern im Rücken der engl. Kolonien eine Verbindung zwischen diesen Gebieten herzustellen. (S. die Karte: Geschichtliche Entwicklung der Staaten Amerikas I, beim Artikel Amerika.) Dies führte zu wiederholten Kriegen, von denen derjenige, der sich gleichzeitig mit dem Siebenjährigen Kriege 1754-63 abspielte und mit dem Pariser Frieden (s. d.) endigte, von hervorragender Bedeutung wurde, weil er einerseits die Verdrängung der franz. Herrschaft aus Nordamerika durch die britische besiegelte, andererseits das Selbstvertrauen der Kolonien merklich hob.

Dies trat alsbald hervor, da gerade um diese Zeit Englands Regierung mit der Besteuerung der Kolonien vorzugehen begann. Vergeblich beriefen sich diese auf den altengl. Grundsatz "No taxation without representation", d. h. die Kolonien dürften nur von einem Körper besteuert werden, in dem sie selbst vertreten seien; die engl. Regierung kümmerte sich nicht um den Widerspruch. Am 22. März 1765 wurde die Stempelakte (s. d.) erlassen, ohne daß man den Mut hatte, sie bei dem einmütigen Widerstande der Kolonisten durchzusetzen. So zog man sie März 1766 zurück und schrieb an ihrer Statt Mai 1767 einen Eingangszoll auf Thee, Glas, Papier und Farbe aus. Diese Maßregel, die wieder wegen des Widerstandes der Kolonien beschränkt werden mußte, so daß schließlich nur ein Eingangszoll von 3 Pence pro Pfund Thee bestehen blieb, führte endlich zum offenen Aufstand, der in Boston (s. d.) 28. Dez. 1773 zum Ausbruch kam. Die hierauf erfolgenden Gewaltmaßregeln des engl. Parlaments, wie Sperrung des Bostoner Hafens vom 1. Juni 1774 an, die Aufhebung der Verfassung der Kolonie Massachusetts, der Seele des Widerstandes für sämtliche Kolonien, führte 5. Sept. 1774 zum Zusammentritt des Kontinentalkongresses (s. d.) in Philadelphia, bei dem die 13 Kolonien mit Ausnahme von Georgia vertreten waren und der energischen Protest bei der engl. Regierung gegen die Verletzung ihrer Rechte beschloß, darunter besonders auch gegen die stehende Armee im Kolonialgebiet. Außerdem bildete sich eine "Amerikanische Vereinigung" (American Association), die sich verpflichtete, jeden Handelsverkehr mit England abzubrechen und keine engl. Erzeugnisse zu gebrauchen. In Massachusetts bereitete man sich überdies eifrigst zum Kriege vor und häufte in Worcester und Concord Munitionsvorräte auf. Der Versuch des engl. Generals Gage, diese zu zerstören, führte 9. April 1775 zu den ersten blutigen Zusammenstößen zwischen den Truppen und den rasch einberufenen Milizen (minute men) bei Lexington und bei Concord. Der Erfolg blieb auf seiten der Milizen.

Dies gab das Signal zum allgemeinen Aufstande. Von allen Seiten eilten Kolonialtruppen nach Boston, wo die engl. Armee sich alsbald von einer kampfesmutigen Menge eingeschlossen fand. Freiwillige aus Vermont und Connecticut unter Arnold und Allen bemächtigten sich der wichtigen canad. Forts Ticonderoga und Crown-Point (10. und 12. Mai). Mittlerweile trat der Kongreß, der 26. Okt. 1774 auseinander gegangen war, an dem vorausbestimmten 10. Mai wieder in Philadelphia zusammen, erklärte die vor Boston versammelten Freiwilligen zur Kontinentalen Armee und bestellte einstimmig (15. Juni) Washington (s. d.) zum Oberfeldherrn. Bevor dieser noch bei der Armee eintraf, hatte sie sich schon 17. Juni im Treffen von Bunkershill ehrenvoll behauptet, so daß Washington unter günstigen Auspizien eine reguläre Belagerung von Boston einleiten und inzwischen mit Hilfe von Gates wenigstens notdürftig seine Armee organisieren konnte. Am 17. März 1776 sah sich der brit. Oberfeldherr, Lord Howe, genötigt, Boston zu räumen. Weniger erfolgreich war eine Expedition nach Ca-^[folgende Seite]