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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Vesper; Vespertilĭo; Vespertilionĭdae; Vesperūgo; Vespĭdae; Vespucci

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Vesper - Vespucci

Statthalterposten in Afrika. 65 fiel er beim Kaiser Nero, weil er dessen musikalische Leistungen nicht genügend würdigte, in Ungnade, begleitete ihn aber 66 wieder auf der Kunstreise nach Griechenland. Im Winter 66/67 erhielt er den Befehl gegen die aufständischen Juden, den er mit Energie und Umsicht führte. 69 waren nur noch Jerusalem und einige wenige feste kleinere Orte niederzuwerfen, da fiel Nero, und nach ihm traten zuerst Galba, dann Otho und Vitellius als Kaiser auf. V. hatte Galba, danach Otho gehuldigt. Nach Othos Sturz jedoch ließ er sich, namentlich auf Betreiben des Statthalters Mucianus in Syrien, selbst zum Kaiser ausrufen. Die pannonischen und mösischen Truppen fielen ihm zu, und diese eroberten ihm, während er selbst noch im Orient blieb, bis Ende 69 den Thron. (S. Vitellius.) Der Senat erklärte sich für ihn und bestätigte ihm durch die zum Teil erhaltene Lex de imperio Vespasiani, die sog. Lex regia, die Regierungsgewalt. Doch war damit das Reich noch nicht sofort beruhigt. Jerusalem, dessen Belagerung V. seinem Sohne Titus (s. d.) überließ, leistete hartnäckigen Widerstand, und im Norden hatten sich die Bataver unter Civilis (s. d.) erhoben. Aber schon im Sommer 70 fiel Jerusalem, und Gallien unterwarf Petillius Cerialis; 71 herrschte überall Friede. V. selbst war nach langsamer Reise 70 erst in Rom eingetroffen. Er stellte vor allem die durch die vergangenen Bürgerkriege stark gelockerte militär. Disciplin her. Ferner brachte er die arg zerrüttete Reichsverwaltung durch äußerste Sparsamkeit und strenge Steuerkontrolle wieder in Ordnung. Den Ehrennamen eines Neubegründers des Principats hat er durchaus verdient. Daneben entwickelte er eine großartige Bauthätigkeit; er unternahm unter anderm den Wiederaufbau des eben abgebrannten Jupitertempels auf dem Kapitol, den Bau des Friedenstempels auf dem Forum und des Amphitheatrum Flavium (s. Kolosseum). Auch das Unterrichtswesen förderte er durch Anstellung von Lehrern, wie Quintilian, und erwarb sich ein hohes Verdienst um Hebung und Verbesserung der sittlichen Zustände. Dabei war V. im ganzen ein sehr milder Herrscher, wenn auch unter ihm harte Maßregeln nicht ausblieben. Namentlich verfuhr er gegen die altrepublikanische Gesinnung zeigenden Anhänger der stoischen Philosophie mit Strenge. V. starb 23. Juni 79 mit Hinterlassung von zwei Söhnen, Titus und Domitianus, die ihm nacheinander als Kaiser folgten. Aus der kurz vor 1347 aufgefundenen Lex regia suchte der Tribun Rienzi (s. d.) dem mittelalterlichen Römervolk seine althergebrachten Rechte zu erweisen.

Vesper (lat., «Abend»), in der kath. Kirche die auf abends 6 Uhr fallende Hora canonica (s. d.) und die im Brevier (s. d.) dafür vorgeschriebene Andacht. In der evang. Kirche nennt man Vespergottesdienste Abendgottesdienste vorwiegend liturgischer Art.

Vespertilĭo (lat.), die Fledermaus; V. murīnus, s. Glattnasen.

Vespertilionĭdae, Familie der Fledermäuse (s. d.) mit langem und dünnem Schwanze, der vollständig in die Zwischenschenkelhaut eingeschlossen ist; ohne Nasenaufsatz, aber mit innern Ohrlappen und oft sehr großen Ohren. Die Familie umfaßt 18 Gattungen und über 200 Arten, von denen allenthalben, wo es nur fliegende Insekten giebt, welche gefunden werden, so auf Neuseeland, den Fidschi- und Sandwichinseln, den Azoren u. s. w. ^[Spaltenwechsel]

Vesperūgo (Vespertilio, lat.), die Fledermaus; V. noctula und V. pipistrellus, s. Glattnasen.

Vespĭdae, Vespīnae, s. Faltenwespen.

Vespucci (spr. -puttschi), Amerigo, ein Italiener, nach dem Amerika genannt worden ist, geb. 9. März 1451 zu Florenz, wurde sorgfältig erzogen und betrieb besonders Physik, nautische Astronomie und Erdbeschreibung. Als Kaufmann ging er um 1493 nach Sevilla; 1499–1500 nahm er an der ersten Expedition Hojedas (s. d.) nach Venezuela teil. Ende 1500 unternahm er auf portug. Schiffen von Lissabon aus noch zwei Reisen nach dem neuen Kontinent, die erste von Mai 1501 bis Sept. 1502, die zweite unter Admiral Gonzalo Coelho vom 10. Mai 1503 bis 18. Juni 1504. Auf der zweiten Reise kam das Geschwader an der Küste Brasiliens bis zum 26.° südl. Br. Man entdeckte Kap Roque (17. Aug. 1501), Rio San Francisco (4. Okt.), Rio de Janeiro (1. Jan. 1502). Auf der dritten Fahrt wurden keine neuen Entdeckungen gemacht. Seine Reisen machte V. weniger als Befehlshaber denn als Kosmograph und Steuermann. Von Columbus dem König Ferdinand Ⅴ. von Aragonien empfohlen, trat V. 1505 wieder in span. Dienste, wurde 22. März 1508 zum Piloto-mayor oder Großsteuermann für die Indienfahrten ernannt und starb 22. Febr. 1512 zu Sevilla.

Die Briefe V.s über seine Reisen, namentlich über die bedeutendste zweite Fahrt vom J. 1501, wurden in vielen Auflagen lateinisch, italienisch, französisch und deutsch gedruckt, als Flugblätter verbreitet oder seit 1507 schon in Sammelwerken gedruckt und vervollständigt in die «Raccolta» oder Sammlung neuer Reisen aufgenommen. Bereits 1507 erschien anonym zu Vicenza in sechs Büchern «Paesi novamente retrovati et Nouo Mondo da Alberico Vesputio Florentino intitulato», und zwar nicht, wie man annahm, von Fracanzio da Montalboddo, sondern vom venet. Kosmographen und Kartenzeichner Alessandro Zorzi. Diese «Neue Welt» wurde sodann publiziert 1508 durch den Nürnberger Arzt Jobst Ruchamer in deutscher, 1515 durch du Redouer auch in franz. Übersetzung. So wurde der Name V.s bei allen Gelehrten bekannt, ja sogar populär, während Columbus schon bei Lebzeiten vergessen war. Darin liegt auch der Grund, daß die Neue Welt nicht nach dem Entdecker benannt worden ist. Schon beim ersten Druck des Briefes von der zweiten Reise 1502 wurden die «Neue Welt» (Mundus novus) und Albericus Vespucius miteinander in Verbindung gebracht, als ob V. sie entdeckt hätte. Aber der Vorschlag, die Neue Welt «Amerika», d. h. Land des V., zu nennen, ging von Martin Waldseemüller aus Freiburg i. Br. aus, einem Gelehrten im lothr. Städtchen St. Dié, der 1507 unter dem gräcisierten Namen Hylacomylus oder Ilacomylus die Reisen V.s, aus dem Französischen übersetzt, in dem Buche «Cosmographiae introductio etc., insuper quatuor Americi Vespucii navigationes» herausgab. Das Werk Waldseemüllers machte Aufsehen, erlebte 1507 vier Ausgaben und wurde 1509 noch einmal in Straßburg gedruckt. Dieses Werkchen ist nicht zu verwechseln mit einer «Cosmographiae introductio» Apians, welche 1535 und 1554 erschien. Der Vorschlag Waldseemüllers oder Waltzemüllers, die Neue Welt dem V. zu Ehren «Amerika» zu nennen, fand bald allgemeinen Anklang. – Vgl. Bandini, Vita e lettere di A. V. (Flor. 1745); Varnhagen, A. V. Son caractère, ses écrits, sa vie et ses navigations (Lond. 1869); ders., Ainda A. V. Novos estudos