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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Vipern; Vique; Viraginĭtas; Virchow

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Vipern - Virchow

Oper, die er unter mißlichen Verhältnissen bis 1822 führte. Kränkelnd zog er sich hierauf zurück und starb 10. März 1824 zu London. Sowohl als Virtuos wie als Komponist für sein Instrument war V. eine der bedeutendsten Künstlererscheinungen seiner Zeit. Er veröffentlichte: 29 Violinkonzerte, 21 Streichquartette, 21 Streichtrios, 51Violinduette, 18 Sonaten für Violine und Baß u. a. Biographien V.s schrieben sein Schüler Baillot, Fayolle und Miel.

Vipern (Viperĭdae), eine über alle Weltteile verbreitete Familie höchst gefährlicher Giftschlangen, die in dem kleinen Oberkiefer jederseits nur einen sehr großen, der ganzen Länge nach durchbohrten Giftzahn tragen, hinter dem noch ein oder mehrere Ersatzzähne vorhanden sind. Sie haben einen breiten, glatten Kopf ohne Grube zwischen Nasenloch und Auge, kurzen dicken Leib und kurzen Schwanz, sind meist träge und phlegmatisch, gereizt aber schnell im Angriff, tückisch und boshaft. Zu ihnen gehören bis auf die Halysschlange die europ. Giftschlangen, die Sandviper (Vipera ammodytes Dum. et Bibr.) die Italienische Viper (Vipera aspis L.)und die Kreuzotter (Pelius berus Merr., s. Tafel 1 Giftschlangen, Fig. 3 u. 4), sowie die Hornviper (Cerastes aegyptiacus Dum. et Bibr.) und die Puffotter (Clotho arietans Gray). (S. die Einzelartikel.)

Vique (spr. wike), span. Stadt, s. Vich.

Viraginĭtas Virāgo (lat.), s. Mannjungfrauschaft.

Virchow, Rud., Patholog, Anthropolog und Politiker, geb. 13. Okt. 1821 zu Schivelbein in Pommern, studierte zu Berlin Medizin und fand dort als Unterarzt, später als Assistent von Froriep und (seit 1816) als Prosektor an der Charité Gelegenheit zu pathol. Forschungen, die er mit seinem Freunde Reinhardt zu eingehenden Untersuchungen krankhafter Vorgänge benutzte. Die Ergebnisse derselben legten beide Forscher in dem von ihnen 1847 begründeten "Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin" nieder, welchem nach Reinhardts Tode (1852) von V. allein bis jetzt (1897), wo es im 148. Bande steht, fortgeführt wurde. Aufsehen erregte besonders eine Kritik (1846) V.s über die pathol.-anatom. Arbeiten Rokitanskys in der er seine abweichenden Ansichten über die Grundformen der Krankheiten geltend machte. Während der Bewegung des J. 1848 wirkte V. in entschieden liberalem Sinne und bekannte sich offen als Demokrat. In einer mit Leubuscher begründeten Zeitschrift "Die mediz. Reform" (1848 - 49) sprach er sich auf das freisinnigste über Medizinalreform aus. Über die Erfahrungen, welche er als Abgesandter des Kultusministers 1848 in Oberschlesien über den Hungertyphus sammelte, berichtete er in den "Mitteilungen über die in Oberschlesien herrschende Typhus-Epidemie" (Berl. 1848). 1847 hatte er sich an der Berliner Universität habilitiert, nachdem er schon seit Ostern 1846 Vorlesungen über pathol. Anatomie gehalten hatte. Ostern 1849 wurde er von dem Ministerium aus polit. Gründen seiner Stelle entsetzt und nur auf Andringen der ärztlichen Vereine auf Widerruf wieder angestellt. Im Herbst folgte er daher einem Rufe als ord. Professor nach Würzburg und zählte alsbald zu den hervorragendsten Lehrern der sog. Würzburger Schule, die ihren nächsten Ausdruck in der von ihm mit gegründeten Phvsikalisch-medizinischen Gesellschaft und den von dieser publizierten "Verhandlungen" fand. Darin steht auch sein Bericht über "Die Not im Spessart", wohin er im Auftrage der Regierung 1852 gegangen war. Noch von Berlin aus hatte V. in der Schrift "Die Einheitsbestrebungen in der wissenschaftlichen Medizin" (Berl. 1849) ein förmliches Programm seiner eigenen wissenschaftlichen Tendenzen im Gegensatze zu denen anderer Forscher aufgestellt. Im Herbst 1856 wurde V. als ord. Professor und als Direktor des für ihn neu begründeten Pathologischen Instituts an die Universität in Berlin zurückberufen. Er ist Mitglied der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen im Kultusministerium, der technischen Deputation für das Veterinärwesen im landwirtschaftlichen Ministerium und der Akademie der Wissenschaften. Im Herbst 1859 bereiste er auf Ersuchen der norweg. Regierung die Westküste von Norwegen, um dort den Aussatz zu untersuchen. Im Dez. 1874 wurde er zum Geh. Medizinalrat ernannt. Seit 1879 hat er sich auch an den Ausgrabungen Schliemanns beteiligt und eine Reihe von Reisen im Kaukasus zu ethnogr. Studien gemacht.

V. ist der Begründer der sog. Cellularpathologie (s. d.) und hat dadurch einen nachhaltenden Einfluß auf die Entwicklung der gesamten modernen Medizin geübt. Als Grundursache aller Lebensvorgänge (und dazu rechnet er auch die Krankheiten), der Veränderungen der Organe und Gewebe stellt V. die Erregbarkeit der Zellen (s. d.) hin. Diese neue Anschauung, die mehr und mehr die Grundlage der modernen Medizin geworden ist, entwickelte V. zuerst in den "Vorlesungen über Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiol. und pathol. Gewebelehre" (Berl. 1859), deren vierte Auflage zugleich den ersten Band der "Vorlesungen über Pathologie" (1871) bildet. Der zweite, dritte und vierte Band des letztern Werkes (1863 - 67) umfassen die Vorlesungen über "Die krankhaften Geschwülste".

Hervorragend sind ferner V.s Verdienste um die öffentliche Gesundheitspflege. Hier sind besonders seine wichtigen Arbeiten über Kanalisation und Städtereinigung, über Desinfektion, über Schulhygieine, Lazarettwesen u. a. hervorzuheben. In das Gebiet der Anthropologie und Ethnographie hat V. vielseitig umgestaltend und fördernd eingegriffen, wie seine Arbeiten über Rassen und Schädelmessung, über das deutsche Haus u. a. m. beweisen. Von weitgreifendem Einfluß auf die Beurteilung der modernen Völker Europas sind die unter seiner Leitung vorgenommenen Schulerhebungen über die Farbe der Haare, der Augen und der Haut gewesen, durch die man zuerst feste Unterlagen für die Kenntnis der Rassenverteilung zu gewinnen versuchte. Aus seinen Schülern ist eine große Anzahl namhafter Professoren und Ärzte hervorgegangen.

Außer zahlreichen Beiträgen zu Zeitschriften und Sammelwerken sind von seinen Schriften noch hervorzuheben: "Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftlichen Medizin" (Frankf. a. M. 1856; 2. Aufl., Berl. 1862), das von ihm unter Mitwirkung verschiedener deutscher Ärzte herausgegebene "Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie" (6 Bde., Erlangen und Stuttg. 1854 - 76), die "Untersuchungen über die Entwicklung des Schädelgrundes" (Berl. 1857), "Vier Reden über Leben und Kranksein" (ebd. 1862), "Die Lehre von den Trichinen" (ebd. 1865; 3. Aufl. 1866), "Über den Hungertyphus" (ebd. 1868), "Kanalisation oder Abfuhr" (ebd. 1869), "Reinigung und Entwässerung Berlins" (13 Hefte und 3 Anhangshefte, ebd. 1870 - 79), "Über einige Merkmale niederer Menschenrassen am Schädel"