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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Waldeck; Waldeck-Rousseau

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Waldeck (Stadt) – Waldeck-Rousseau

Ulrich, der Erbauer des Schlosses zu Arolsen, wurde 1712 in den Reichsfürstenstand erhoben. Ihm folgten 1728 nacheinander seine Söhne Philipp und Karl, von denen der erstere schon nach einem halben Jahre starb, der letztere bis 1763 regierte. Dessen zweiter Sohn und Nachfolger, Friedrich, starb 1812, nachdem er 1807 widerwillig dem Rheinbunde beigetreten war. Sein Bruder Georg, dem er schon 1805 Pyrmont abgetreten hatte, regierte nur ein Jahr. Diesem folgte sein ältester Sohn Georg Heinrich (1813‒45), der 19. April 1816 eine Verfassung von rein ständischem Charakter gab und 1832 dem Zollverein beitrat. Sein damals noch unmündiger Sohn, Fürst Georg Victor (s. d.), übernahm die Regierung 17. Aug. 1852, nachdem die unter der Vormundschaft seiner Mutter 23. Mai 1849 gegebene allzu demokratische Verfassung durch Vereinbarung mit dem nach einem oktroyierten Wahlgesetz gewählten Landtage von 1852 in monarchischem Sinne abgeändert war. Im Kriege von 1866 stand W. auf seiten Preußens und trat 1867 dem Norddeutschen Bunde bei. Da das arme Land nicht im stande war, die durch seinen Beitritt zum Norddeutschen Bunde entstandenen Lasten zu tragen, sprach der Landtag den Wunsch nach vollständiger Vereinigung mit Preußen aus; aber weder der Fürst noch Preußen selbst waren geneigt, denselben zu erfüllen. Es kam jedoch 18. Juli 1867 ein Aecessionsvertrag zu stande, kraft dessen der Fürst nomineller Souverän blieb, die Verwaltung aber auf Preußen überging (s. oben, Verfassung). Der auf zehn Jahre abgeschlossene Vertrag wurde 1877 und 1887 erneuert. Bei dieser zweiten Erneuerung wurde vereinbart, daß der Vertrag bis zu einer mindestens zwei Jahre vor der beabsichtigten Auflösung erfolgten Kündigung in Kraft bleiben solle. Nach dem Tode des Fürsten Georg Victor (12. Mai 1893) folgte dessen Sohn Friedrich in der Regierung des Landes.

Litteratur. Curtze, Geschichte und Beschreibung des Fürstentums W. (Arolsen 1850); Beiträge zur Geschichte der Fürstentümer W. und Pyrmont (Bd. 1‒2, hg. von Curtze, ebd. 1864‒69; Bd. 3, hg. von Hahn, 1872); Speyer, Das Fürstentum W. und Pyrmont und seine sociale und polit. Entwicklung seit 1848 (in «Unsere Zeit», Bd. 6, S. 657‒704, Lpz. 1862); A. Wagner, Geschichte W.s und Pyrmonts (Bad Wildungen 1888).

Waldeck, Stadt im Kreis der Eder des Fürstentums W., auf einem Berge unweit der Eder, hat (1895) 468 evang. E., Postagentur, Fernsprechverbindung, evang. Kirche und Schloß, jetzt Gefängnis.

Waldeck, Benedikt, preuß. Politiker, geb. 31. Juli 1802 zu Münster, studierte 1819‒22 in Göttingen Jurisprudenz und Staatswissenschaften, war seit 1828 als Oberlandesgerichtsassessor in Halberstadt und Paderborn thätig, wurde 1832 als Land- und Stadtgerichtsdirektor nach Vlotho und 1836 als Oberlandesgerichtsrat nach Hamm versetzt, wo er zugleich im Stadtverordnetenkollegium den Vorsitz übernahm. 1844 wurde W. Hilfsarbeiter bei dem Geheimen Obertribunal in Berlin und 1846 zum Obertribunalsrat ernannt. 1848 erhielt er vier Mandate zur preuß. Nationalversammlung. Als hervorragendes Mitglied der Linken und als Vorsitzender des Verfassungsausschusses gewann er großen Einfluß auf die Ausarbeitung der Verfassung, welche dann die Grundlage für die octroyierte Verfassung vom 5. Dez. 1848 wurde. W. trat dann für Berlin in den nach Erlaß der neuen Verfassung einberufenen Landtag, dessen Zweite Kammer, als sie sich auf W.s Antrag gegen die Gesetzlichkeit des fortdauernden Belagerungszustandes ausgesprochen hatte, 27. April 1849 aufgelöst ward. Am 16. Mai 1849 wurde W. als angeblicher Mitwisser einer revolutionären Verschwörung in Haft genommen und erst 5. Dez., nachdem sich die Anschuldigung als unbegründet und die kompromittierenden Briefe als gefälscht erwiesen hatten, in Freiheit gesetzt. 1861 wieder in das Abgeordnetenhaus gewählt, gehörte W. hier zu den Führern der Fortschrittspartei. In dem Konstituierenden Reichstage des Norddeutschen Bundes (wo er den 2. Berliner Wahlkreis vertrat) schloß sich W. den Kämpfen um eine Erweiterung der Grundrechte an und stimmte schließlich gegen die Verfassung. Im Norddeutschen Reichstage erklärte er sich 1868 namentlich für dessen selbständige Einwirkung auf die Bundesschuldenverwaltung. 1869 legte W. seine Mandate nieder, entsagte auch 25. Jan. 1870 seiner Thätigkeit am Obertribunal und starb 12. Mai 1870 zu Berlin. W. hat auch mehrere jurist. Schriften veröffentlicht. – Vgl. Zacharias, W.s Leben, Thätigkeit und Charakter (Berl. 1849); Eberty, W. Ein Lebensbild (ebd. 1869); Oppenheim, Benedikt Franz Leo W. (ebd. 1874; Volksausg. 1880); Briefe und Gedichte von Benedikt W. (hg. von Schlüter, Paderb. 1883).

Waldeck, Georg Friedr., Graf, später Fürst zu, deutscher Reichsfeldmarschall und holländ. Generalkapitän, geb. 31. Jan. 1620 in Arolsen, trat 1641 in den Dienst der Generalstaaten und 1651 als Generallieutenant in den Brandenburgs, wo er seit 1653 als leitender Minister an die Spitze des Staates trat und der Politik eine ganz andere Richtung gab, indem er sich von der kaiserl. Partei lossagte und unter Führung Brandenburgs ein Bündnis der prot. Fürsten zu stande zu bringen suchte. (S. Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg.) Er schloß 25. Juni 1656 das Marienburger Bündnis mit Schweden, befehligte in der Schlacht bei Warschau die Reiterei, verließ aber 1658 den Dienst des Großen Kurfürsten, als dieser 1657 mit Polen den Vertrag zu Wehlau geschlossen hatte. Unter Karl Ⅹ. Gustav von Schweden kämpfte er in dessen beiden letzten Feldzügen gegen Dänemark, dann als deutscher Reichsfeldmarschall 1664 bei St. Gotthard, führte 1683 die Kreistruppen Bayerns, Frankens und Oberhessens zum Entsatzheer nach Wien und war 1685 unter dem Prinzen von Lothringen und Kurfürsten von Bayern als selbständiger Führer thätig. W. wurde von Wilhelm Ⅲ., als dieser nach England abreiste, als Generalkapitän nach Holland berufen und verteidigte im Bunde mit Brandenburg 1689 Belgien und den Niederrhein gegen die Franzosen, siegte bei Walcourt, wurde aber 1690 bei Fleurus vom Marschall von Luxembourg geschlagen. Er war unter Wilhelm von Oranien Stabschef des holländ. Heers und starb 19. Nov. 1692 zu Arolsen. – Vgl. Rauchbar, Leben u. s. w. W.s (2 Bde., Arolsen 1867‒72); Erdmannsdörffer, Graf Georg Friedr. W. (Berl. 1869); P. L. Müller, Wilhelm Ⅲ. und W. (2 Bde., Haag 1873‒80).

Waldeck-Rousseau (spr. rußoh), Pierre Marie, franz. Politiker, geb. 2. Dez. 1846 zu Nantes, studierte die Rechte und wurde Advokat in Rennes. 1881 ward er in die Deputiertenkammer gewählt, war Mitglied der Republikanischen Union, trat entschieden für die Absetzbarkeit der Richter ein und