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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wartenberg; Wartenburg; Wartensleben

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Wartenberg (Stadt) – Wartensleben

Reg.-Bez. Breslau. Die Herrschaft gehörte bis 1490 zum Herzogtum Öls, kam 1583 an die Burggrafen von Dohna, 1735 an den Grafen von Biron, nachmaligen Herzog von Kurland. Nach dessen Fall erhielt sie der Feldmarschall Graf von Münnich. Beide verglichen sich 1762 dahin, daß Biron sie gegen eine Geldsumme behielt. Jetziger Standesherr ist Prinz Gustav Biron von Kurland, geb. 17. Okt. 1859.

Wartenberg. 1) Deutsch-Wartenberg, Stadt im Kreis Grünberg des preuß. Reg.-Bez. Liegnitz, an der Ochel, 4 km von der Oder, hat (1895) 835 E., darunter 307 Evangelische, Post, Telegraph, evang. und kath. Kirche, Schloß mit sehenswerter Kirche, in deren Gruft 20 gut erhaltene Mumien von Priestern und Mönchen aufbewahrt werden, und ein Rittergut des Ministers Friedenthal, bis 1879 Herrschaft der Linie Biron-Sagan. – 2) Groß-Wartenberg, Stadt im preuß. Reg.-Bez. Breslau, s. Groß-Wartenberg.

Wartenberg, Kaltwasserheilanstalt, zum Gute Groß-Skal in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk Turnau in Böhmen gehörig, in dem waldigen Libunkathale, früher Schäferei mit Forsthaus, besteht aus acht Gebäuden und ist 1838 von Anton Vincenz Schlechta gegründet.

Wartenberg, Johann Kasimir von Kolbe, Reichsgraf von, preuß. Staatsmann, geb. 1643 in der Wetterau, war zuerst Oberstallmeister des Pfalzgrafen von Simmern, trat dann, schon vom Großen Kurfürsten zum Kämmerer ernannt, 1688 gänzlich in brandenb. Dienste über, wo er sich schnell die Gunst des Kurfürsten Friedrichs Ⅲ. erwarb. 1696 wurde er Oberkammerherr und damit Leiter des ganzen Hofstaates, und nach dem 1697 erfolgten Sturz Danckelmanns erhielt er die Stellung des leitenden Ministers, in der er sich durch seine Nachgiebigkeit gegen die Prunksucht und Verschwendung des Königs zu sichern wußte. Mit dem Feldmarschall Graf Wartensleben und dem Oberhofmarschall Graf Wittgenstein bildete er das sog. Dreigrafenministerium. Unter W.s leichtfertiger und gewissenloser Verwaltung riß eine bedenkliche Korruption im preuß. Beamtentum ein, die nur durch ein so strenges Regiment wie das Friedrich Wilhelms Ⅰ. wieder vollständig beseitigt werden konnte. Eifrig unterstützte W., der 1699 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, das Streben des Kurfürsten nach der Königskrone; zum Lohn empfing er als der erste preuß. Beamte den neu gestifteten Schwarzen Adlerorden, erhielt das Amt des Erbpostmeisters sowie das eines Präsidenten des General-Domänedirektoriums. Die persönlichen Einnahmen W.s, aus allen seinen Ämtern und Pfründen, stiegen bis auf 130000 Thlr. W. trägt zum Teil die Schuld für die Fehler der auswärtigen Politik Friedrichs Ⅰ., und vielleicht noch unheilvoller trat seine Einwirkung auf dem Gebiete der innern Verwaltung hervor. Das große Projekt Lubens von Wulffen, die Erbpacht in Preußen einzuführen und freie Domänenbauern zu schaffen, wurde durch W. in einer so leichtfertigen und überhasteten Weise durchgeführt, daß nicht bloß alle Vorteile des Unternehmens verloren gingen, sondern der Staat auch in tiefste finanzielle Zerrüttung geriet. Durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm und seine Freunde Kameke, Ilgen und Printzen wurde die Mißwirtschaft W.s und seiner Kreaturen 1710 ans Licht gezogen und Anfang 1711 der Sturz des Dreigrafenministeriums herbeigeführt. König Friedrich Ⅰ. trennte sich nur schwer von seinem Günstling, dem er eine Pension von 24000 Thlrn. aussetzte. W. starb im Juli 1712 in Frankfurt a. M.

Wartenburg. 1) W. in Ostpreußen, Stadt im Kreis Allenstein des preuß. Reg.-Bez. Königsberg, an der Einmündung des Kosno in die Pissa, in einer Thalsenkung des ostpreuß. Landrückens, an der Linie Schneidemühl-Thorn-Insterburg der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Allenstein), hat (1895) 4822 meist poln. E., darunter 650 Evangelische und 94 Israeliten, Postamt zweiter Klasse, Telegraph, zwei kath., eine evang. Kirche, zwei Waisenhäuser; drei große Spiritusbrennereien, Cigarrenfabrikation, Ziegeleien, Dampfmühle, Dampfsägewerk, und in einem ehemaligen Benediktinerkloster eine Strafanstalt, in welcher Fischernetze, Kleidungsstücke für die Marine, Möbel und Cigarren angefertigt werden. – 2) W. an der Elbe, Dorf im Kreis Wittenberg des preuß. Reg.-Bez. Merseburg, am linken Elbufer, hat (1895) mit dem Rittergut 1120 E., Postagentur, Telegraph. Es ist bekannt durch das Treffen vom 3. Okt. 1813, in welchem die Preußen unter Blücher (namentlich das 16000 Mann starke Korps Yorcks) 15000 Mann Franzosen und Württemberger unter Bertrand schlugen. Yorck (s. d.) erhielt von diesem Tage den Ehrennamen Graf Yorck von W. – Vgl. die Schriften von Mirus (Berl. 1863) und Dietlein (Wittenb. 1863).

Wartensleben, Herm. Alex. Wilh., Graf, preuß. General der Kavallerie, geb. 17. Okt. 1826 zu Berlin, studierte die Rechte in Berlin und Heidelberg, war 1848‒50 Auskultator in Genthin, trat aber dann in das 7. Kürassierregiment. Nach dem Besuch der Allgemeinen Kriegsschule (1853‒56) wurde er 1858 als Premierlieutenant in den Generalstab versetzt, in demselben Jahr zum Hauptmann und 1860 zum Generalstabsoffizier der 1. Gardedivision ernannt. Nachdem W. an den Arbeiten der Bundesmilitärkommission über militär. Benutzung der Eisenbahnen teilgenommen hatte, wurde er im Nov. 1861 Major und Schwadronschef im Zieten-Husarenregiment, aber 1863 in den Großen Generalstab zurückversetzt. 1864 nahm W. als Generalstabsoffizier am Feldzuge gegen Dänemark teil und blieb im Generalstabe des Oberkommandos der Elbherzogtümer bis April 1866. Den Krieg gegen Österreich machte W. im Großen Hauptquartier mit und wurde, nachdem er als Oberstlieutenant Abteilungschef im Generalstabe gewesen, 1869 Oberst und Commandeur des Dragonerregiments Nr. 12. Im J. 1870 nahm er als Oberquartiermeister der Ersten Armee an den Schlachten bei Spicheren, Colombey-Nouilly, Gravelotte, Amiens und der Hallue und an der Einschließung von Metz teil und war später als Stabschef bei der Südarmee thätig. Nach Beendigung des Krieges wiederum Abteilungschef im Großen Generalstabe, übernahm er 1872 die Leitung der kriegsgeschichtlichen Abteilung und damit die Redaktion des Generalstabswerkes über den Deutsch-Französischen Krieg. 1873 zum Generalmajor befördert, wurde W. 1878 Kommandant von Berlin. Seit 1879 Generallieutenant, 1880 Commandeur der 17. Division, wurde er Okt. 1884 kommandierender General des 3. Armeekorps. Nachdem W. 1886 zum General der Kavallerie befördert war, schied er 1888 aus dem aktiven Dienst und zog sich nach seinem Gut Carow bei Genthin zurück. Aus W.s Feder rühren her: «Die Operationen der Südarmee im Jan. und Febr. 1871» (2. Aufl., Berl.