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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Weimar (A.) - Wein

die Stadt erst mit dem Eintritt in die klassische Periode der deutschen Litteratur (1775) zu weltbekanntem Ruhm. Das großherzogl. Schloß, nach dem Brande von 1774 neu aufgebaut, ist reich an Sehenswürdigkeiten. An das Schloß schließt sich unmittelbar der von Karl August und Goethe (seit 1776) geschaffene Park an. Nahe beim Schloß die reichhaltige Bibliothek mit Büsten, Porträten und Kunstsammlungen, am Park das Stadtarchiv mit histor. Schätzen, das großherzogl. Hoftheater, das neue Museum mit seinen nach 1775 entstandenen bedeutenden Kunstsammlungen, die ständige Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe, mit dem japan. Museum Dr. Riebecks und das Lesemuseum, von Goethe gegründet. Merkwürdig ist das Kanzler Brücksche Haus am Markt, in welchem auch Lukas Cranach, Brücks Schwiegervater, seit 1552 wohnte, daher oft fälschlich als Cranach-Haus bezeichnet. Hervorragend sind das Goethe-Haus mit dem Goethe-National-Museum (s. d.) und das Goethe-Archiv (s. d.) in einem 1896 eingeweihten neuen Gebäude. Schillers Haus, seit 1847 städtisches Eigentum, enthält Reliquien aus Schillers Leben. Reich an Erinnerungen ist der schöne Friedhof mit Grabstätten berühmter Personen; in der Fürstengruft sind Goethe und Schiller beigesetzt. Auf dem alten Friedhof sind neben den Begräbnisstätten anderer berühmter Personen diejenigen Cranachs und Schillers (erste) bemerkenswert. An Unterrichts- und Bildungsanstalten bestehen ein Gymnasium, Realgymnasium, Schullehrerseminar, eine von der Großherzogin Sophie gegründete höhere Mädchenschule (Sophienstift), das Rosenkranzsche Mädcheninstitut, drei Bürgerschulen in Verbindung mit einer Handwerker-Fortbildungsschule, Gartenbauarbeitsschule, Handfertigkeitsschule für Knaben, Taubstummen- und Blindenanstalt, eine von Goethe und H. Meyer gegründete, ursprünglich freie Zeichenschule, eine Baugewerkschule, großherzogl. Gewerbeschule, Handelsschule, großherzogl. Kunstschule (Malerschule), großherzogl. Orchester- und Musikschule; an Wohlthätigkeitsanstalten und milden Stiftungen das Albert Voigtstift, Marie Seebachheim für ältere bedürftige Schauspieler, Luisenstift, Karlsstift, städtische Krankenhaus, die Kleinkinderbewahranstalt, die von der Großherzogin Sophie 1886 begründete und eröffnete Krankenpflegerinnenanstalt, das Paulinenstift (1886 von der Erbgroßherzogin Pauline gegründet) zur Ausbildung von Dienstboten und das Falksche Institut für verlassene oder verwahrloste Kinder. Die Industrie erstreckt sich auf Kunsttischlerei und -Schlosserei, Stein-, Buch- und Buntdruckerei, Fabrikation von Tuch, Öfen, Strohhüten, Spielkarten, Leder, Parkettfußböden, Eisenwaren und Desinfektionsapparaten und Mühlen. Das Gewerbehaus (seit 1897) dient als Musterlager thüring. Erzeugnisse. W. ist Sitz der 1. Sektion der Thüringischen Baugewerks- und der 16. Sektion der Müllerei- sowie der Weimarischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Handel und Gewerbe werden unterstützt durch Filialen der Gothaischen Privat- und der Norddeutschen Grundkreditbank und durch die Allgemeine Deutsche Hagelversicherunggesellschaft Union. Die Stadt hat Wasserleitung, Kanalisation und eine Gasanstalt.

Außerhalb der Stadt, namentlich im Park, erinnern noch viele Schöpfungen an die klassische Zeit, besonders das 1724 erbaute, eine Stunde entfernte Lustschloß Belvedere mit seinem reizenden Park, das liebliche Tiefurt, ebenfalls durch Parkanlagen und Denkmäler ausgezeichnet, und Schloß Ettersburg, jenseit des bewaldeten Ettersbergs; im nahen Oßmannstedt im Garten des Gutes liegt Wieland begraben.

Litteratur. Schöll, W.s Merkwürdigkeiten einst und jetzt (Weim. 1847); Stahr, W. und Jena (2 Bde., Oldenb. 1852); Springer, W.s klassische Stätten (Berl. 1868); Ruland, Die Schätze des Goethe-Nationalmuseums in W. (Weim. und Lpz. 1887); Francke, W. und Umgebung (2. Aufl., Weim. 1891).

Weimar, A., Pseudonym von Auguste Götze (s. d.).

Weimar-Berka-Blankenhainer Eisenbahn, s. Deutsche Eisenbahnen.

Weimar-Geraer Eisenbahn, ehemalige Privatbahn von Weimar über Jena und Göschwitz (Kreuzungspunkt der Saal-Eisenbahn) nach Gera (68,65 km, 29. Juni 1876 eröffnet). Von der Bahn liegen 29,75 km im Großherzogtum Sachsen-Weimar, 0,61 km in Meiningen, 23,25 km in Sachsen-Altenburg und 15,04 km im Fürstentum Reuß j. L. Durch Gesetz vom 16. Juli 1895 wurde die W. E. vom preuß. Staate erworben. Preußen hat die Prioritätsanleihe und die sonstigen Schulden übernommen. Die W. E. ist der Eisenbahndirektion zu Erfurt unterstellt. (S. Deutsche Eisenbahnen.)

Weimarische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zu Weimar, s. Land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaften.

Weimar-Rastenberger Eisenbahn, s. Deutsche Eisenbahnen.

Wein, Weinstock. W. ist das Gärungsprodukt des Saftes verschiedener Obstarten, im engern Sinne desjenigen der Weintrauben, der Früchte des Weinstocks, einer Pflanze aus der Familie der Vitaceen (s. d.). Der edle Weinstock oder die edle Rebe, Vitis vinifera L. (s. Textfig. 1 zum Artikel Frangulinen), gehört der Alten Welt an (Nordgrenze in Europa s. auf Karte: Pflanzengeographie II, A) und stammt wahrscheinlich aus den Urwäldern Mingreliens (nach K. Koch). Er ist ein Kletterstrauch, der im wilden Zustande bis zu 60 cm im Durchmesser haltende Stämme bildet; die Rinde löst sich leicht in langen, bastartigen Streifen ab; die Augen stehen an der Rebe wechselständig, diesen gegenüberstehend befinden sich Ranken oder an deren Stelle am fruchttragenden Triebe die Trauben; die Blätter sind handförmig, drei- bis fünflappig. Die Blüten stehen in zu Trugdolden gestellten Trauben und verbreiten einen feinen Wohlgeruch; die Blumenkrone, deren Blättchen an den Spitzen zusammenhängen, fällt nach dem Erblühen sofort ab; nach wenigen Tagen folgen die fünf pfriemenförmigen, auseinander gehenden Staubgefäße diesem Beispiele, und bald entwickelt sich der anfangs winzige Fruchtknoten zu der bekannten Beerenform. Die Frucht ist rund oder oval, grünlich, gelb, bernsteinfarben, rot, blau bis schwarzblau gefärbt und enthält fünf beinharte, kreiselförmige Samenkerne, von denen aber meist nur ein bis vier ausgebildet sind; bei einzelnen Weinsorten fehlen sie ganz, wie bei der mittelasiat. Kischmisch, woraus die Sultansrosinen des Handels bereitet werden. Weit weniger Verbreitung haben bis jetzt die nordamerik. Neben gefunden, deren es 13 Arten giebt, die großenteils in Europa als Zierpflanzen gehalten werden (s. Vitis). Seit man erkannt hat, daß alle derselben (außer Vitis labrusca L.)