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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wein

reblausfest sind, hat man mit ihrer Einführung in die Weinbaugebiete der Alten Welt besonders als Unterlagen begonnen. Die Anzahl der Varietäten der edeln Rebe ist sehr groß, sie beträgt über 1000. Die Ampelographie, ein Zweig der Pomologie, befaßt sich mit der Klassifikation und Beschreibung der Sorten. Das beste System ist das von der internationalen ampelographischen Kommission in den J. 1875-79 in Colmar, Florenz und Budapest aufgestellte; danach zerfallen alle Traubenvarietäten in drei Klassen: I. rundbeerige, II. langbeerige, III. Beeren von unbestimmter Form. Diese Klassen zerfallen wieder in je drei Ordnungen: 1) Blätter auf der Unterseite fast nackt, 2) Blätter auf der Unterseite filzig, 3) Blätter auf der Unterseite wollig; dann folgen je drei Unterordnungen, je nachdem die Stielbucht der Blätter a. entschieden offen, b. entschieden geschlossen, c. sehr unregelmäßig gebildet ist. Die vorzüglichsten Trauben für Kelterung sind: 1) Edelste Qualitätstrauben für Weißweine: Riesling, weiß; Traminer, rot; Burgunder, weiß (Clevener) und rot; Ruländer (roter Elevener) rötlich; Furmint, gelb (Tokajerwein). 2) Für Rotweine: Burgunder (Augusttraube), blau; Blaufränkisch, blau; Kadarka, blau; Cabernet, blau. 3) Reichtragende Quantitätstrauben: Elbling, weiß; Gutedel, weiß und rot; Ortlieber, rot; Sylvaner, grün. 4) Desgleichen für Rotweinbereitung: Gamay, blau; Portugieser, blau; Trollinger, blau. Die besten amerik. Keltertrauben sind: York Madeira, Lenoir oder Jacquez, Othello, Gloire, Solonis, Clinton. Als Tafeltrauben sind zu empfehlen für nördlicheres Klima: früher Malinger, grün; früher Leipziger, grün; Madeleine Angewine, grün; roter Muskat-Gutedel (s. Tafel: Beerenobst, Fig. 7), rot; Königs-Gutedel, rot; früher roter Malvasier, rot; blauer Portugieser, blau; neuerdings werden wegen Frühreife und Größe der Trauben empfohlen: Dr. Schmidtmanns frühe Zuckertraube, Réaumur, Chasselas duc de Malakoff, Broodland sweetwater. Für wärmere Lagen eignen sich: Diamant-Gutedel, grün, bräunlich schattiert; blauer Blussard; Muskat-Gutedel, grün; Pariser Gutedel (Chasselas de Fontainebleau, Fig. 6), grün; weißer Gutedel, grün; rotstieliger Dolcedo, dunkelrot. Für Mauern mit Glasschutz, ebenso für Treiberei des W. sind folgende großtraubige Sorten zu empfehlen: Amber Cluster, ambrafarbig, Buckland sweetwater, bernsteinfarbig; Canon Hall muscat, Forster's white seedling, weiß; Muscat of Alexandria, blaßgelb; Black Hamburg (Frankenthaler oder blauer Trollinger, Fig. 5), dunkelblau; Lady Downs seedling, schwarzblau. Unter den Amerikanern verdienen als Tafeltrauben empfohlen zu werden: Cornucopia, blau; Smarqua, schwarzblau; Agawarn, blau; Lindley, dunkelrot; sie haben mehr oder weniger einen fuchsigen Geschmack, sind aber sehr süß.

Verwendung. Neben dem Hauptzwecke des Weinbaues zur Weinproduktion gewährt der Weinstock noch mannigfachen Nutzen. Die Trauben werden als Tafeltraube gegessen und sogar als Kurmittel gebraucht (s. Traubenkur). Die Beeren mehrerer kernlosen Sorten dienen zur Bereitung der Rosinen (s. d.) und Korinthen (s. d.). Der eingekochte Most wird zu Traubenzucker verarbeitet, der teils zum Hausgebrauch, teils zur Weinbereitung (s. d.) verwandt wird. Aus den zu Marmelade verkochten Beeren wird Liqueur bereitet. Aus den Kernen wird ein vortreffliches Öl (10-11 Proz.) gepreßt und aus den Trestern wird Branntwein, Grünspan, Pottasche und Essig fabriziert; ferner dienen letztere als Viehfutter (auch die Blätter und andere grünen Teile). Brennstoff und zum Gerben. Die Stiele und Kerne liefern das Weinrebenschwarz; aus dem in den Weinfässern sich absetzenden Weinstein wird Weinsäure dargestellt. Das Holz endlich wird zu Drechslerarbeiten und Spazierstöcken verwendet.

Zusammensetzung. Der W. enthält alle Bestandteile des Mostes (s. d.), teilweise zersetzt. Vom Zuckergehalt des letztern ist der Gehalt des W. an Weingeist abhängig. Bei leichten W. aus nicht sehr zuckerreichem Traubensafte beträgt er etwa 6 Proz., er kann aber bis 12, ja auf 14-15 Proz. steigen. Ein höherer Alkoholgehalt mancher W. rührt immer von Spirituszusatz her, da die Hefe auf den Zucker zu wirken aufhört, wenn der Alkoholgehalt auf 15-22 Proz. gestiegen ist. Ist dann noch unvergorener Zucker vorhanden, so bleibt dieser unverändert im W. gelöst. Da zwei Teile Zucker etwa einen Teil Weingeist liefern, so wird ein Most, der mehr als 30 Proz. Zucker enthält, immer einen süßen W. geben. In der Regel aber vergären nur etwa 21-22 Proz., so daß z. B. die besten deutschen Ausleseweine, wie Steinberger, Johannisberger, Rauenthaler u. s. w., selten mehr als 12 Proz. Alkohol und mehrere Prozente (4-9) Zucker enthalten. Ist dagegen aller Zucker versetzt, so nennt man diese W. trockne oder saure. Der Rückstand enthält stets die Farbstoffe, ferner nicht genauer bekannte amorphe organische Verbindungen, die Extraktivstoffe genannt werden, etwas Glycerin, Säuren und Salze. Die Säuren sind Weinsteinsäure und etwas Bernsteinsäure, von denen die erstere schon im Most vorhanden ist, die letztere aber erst bei der Gärung aus Zucker entsteht. In W. aus nicht ganz gereiften Trauben tritt auch etwas Apfelsäure auf. Alle diese mehrbasischen organischen Säuren sind im W. als saure Kalisalze vorhanden. Auch etwas Essigsäure findet sich zuweilen, deren Bildung auf einer Oxydation des Weingeistes durch während der Gärung hinzukommenden Luftsauerstoff beruht. Südliche W. enthalten meist so wenig Säuren, daß dieselben nahezu, vollständig Neutralsalze bilden. Von anorganischen Säuren finden sich häufig etwas Schwefelsäure und namentlich Phosphorsäure als Salze, ebenso geringe Mengen von Chlormetallen. Die dem Erdboden entstammenden basischen Bestandteile sind Kali, weniger Natron, etwas Kalk, Magnesia, Eisen und Mangan. Weißweine, welche aus spätreifenden Trauben hergestellt werden, namentlich wenn die Trauben bei der Lese nicht abgebeert worden sind, und alle Rotweine enthalten außerdem Gerbstoffe, welche ihnen einen adstringierenden Geschmack erteilen. Die Riechstoffe sind vorzugsweise Äthylester einbasischer organischer Säuren, der Essigsäure, Propionsäure, Buttersäure, Önanthsäure, Pelargonsäure u. a., doch kommen auch spurweise kohlenstoffreichere Alkohole (Butyl- und Amylalkohol) als Ester vor, sowie Aldehyd. Ältere und schlecht behandelte W. enthalten zuweilen so viel Essigsäureester, daß sie den unangenehmen Juchtelgeschmack annehmen und selbst untrinkbar werden. Am regelmäßigsten und reichlichsten scheint der Önanthsäure-Äthylester vorhanden zu sein, der sich auch am längsten erhält. Daher hat ganz alter, sog. Firnewein, deutlich den Geruch desselben. Zu einem guten W. gehört vor allem, daß er nicht zu viel Säure und genug Extraktivstoffe enthält, um "vollmundig" zu schmecken, und daß er