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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Windanker; Windau

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Windanker – Windau

den er auf die Flächeneinheit ausübt, ist noch nicht genau festgestellt. Als einigermaßen sicher kann man annehmen, daß der Druck mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt. Man rechnet den Druck eines W. von 1 m pro Sekunde zu 0,12 bis 0,13 kg pro Quadratmeter. Wo Meßinstrumente (s. Windmeßapparate) fehlen, schätzt man die Windstärke nach einer Skala (s. Windskalen). Der stärkste W. wird einen Druck von mehr als 300 kg auf den Quadratmeter ausüben. Direkt beobachtet wurden nach Scott auf dem Observatorium zu Bidston 1. Febr. 1872: 3½ kg, und in Kalkutta im Maximum 2,5 kg pro Quadratdecimeter, was also 350 und 250 kg auf den Quadratmeter entspricht. Es ist möglich, daß die einzelnen Windstöße, auf die neuerdings Langley besonders aufmerksam gemacht hat, noch weit stärkere Druckwirkung ausüben können. Man nennt solche starken W. Orkane.

Die Ursache des W. ist die Verschiedenheit der Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche und die dadurch bedingt Verschiedenheit des Luftdruckes in gleicher Höhe. Hierdurch wird zunächst ein System der allgemeinen Cirkulation der Atmosphäre bedingt, das wahrscheinlich sehr einfach wäre, wenn die Erdoberfläche eine gleichmäßigere Gestaltung hätte. In dem System der allgemeinen atmosphärischen Cirkulation (s. Atmosphäre) entwickeln sich die verschiedenen Störungen. Zuerst sind dies kleinere Wirbelbewegungen, die in sehr verschiedener Mächtigkeit nach Ausbreitung, Gewalt und Höhe auftreten. Von den einfachen unbedeutenden Wirbeln, die man oft an warmen Tagen auf staubigen Straßen sehen kann, kann man unterscheiden die größern Land- und Wasserhosen (s. Wettersäulen), die Tornados (s. d.), Taifune (s. d.), die Stürme, wie Gewitter- und Staubstürme, Wirbelstürme u. s. w. (S. Luftwirbel.) Von besonderm Einfluß auf die lokale Gestaltung der W. sind Küsten, Gebirge und die großen Kontinentalgebiete oder Meeresflächen. An erstern entwickeln sich die Land- und Seewinde (s. d.), die mit den Monsunen nahe verwandt sind. Im Gebirge hat man den Wechsel der Berg- und Thalwinde oder Tag- und Nachtwinde (s. d.). Alsdann treten an und in der Nähe der Gebirge Föhn (s. d.), Bora (s. d.), Mistral (s. d.) u. s. w. auf, die vom Gebirge herab, aus dessen Schluchten heraus die Niederungen überfluten. Die großen Kontinente erzeugen im Winter sehr kalte, im Sommer sehr warme, oft heiße Strömungen, während das Meer durch die darüber hinströmende und auf die Ufergebiete hinübertretende Luft einen Hitze und Kälte mildernden Einfluß hat. Das ist namentlich für Europa von Bedeutung. Die östl. Strömungen bedingen bei uns die kalten Winter wie die heißen Sommer. Warme Winterwitterung bringt die atlantische Luft, aber auch kühle regnerische Sommerszeiten. Von den Höhen des Felsengebirges in Nordamerika zieht oft die kalte Luft als Northers (s. d.) über die Vereinigten Staaten hinweg, und die sonst warmen Gefilde Chinas, Indiens erleiden im Winter starke Temperaturrückgänge durch die kalten Strömungen aus Centralasien. Bekannt sind die Wirkungen der Sahara, der die heißen W. des Samum, der Sirocco (s. d.) Italiens, der Leveche (s. d.) Spaniens u. s. w. entstammen.

Die Windverhältnisse eines Ortes pflegte man früher derart darzustellen, daß man aus der Zahl der an diesem Orte beobachteten Windrichtungen nach Lamberts Formel die mittlere Windrichtung berechnete. Jetzt giebt man einfach die Windrose, d. h. die prozentische Verteilung der Windstillen und Windrichtungen. So sind die Windrosen für Sachsen (in Prozent):

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N NE E SE S SW W NW

Januar 8 6 7 14 18 20 17 10

Juli 12 7 6 8 10 17 23 17

Jahr 11 8 8 12 13 17 18 13

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Das heißt unter 100 Beobachtungen im Jahre zeigen 18 Westwinde, aber nur je 8 NE und E. Letztere treten also am seltensten, SW und W am häufigsten (vorherrschende Winde) auf. Die Windrosen für Januar und Juli lassen die jährliche Periodicität der W. erkennen. Im Januar sind die Richtungen S, SW und W am häufigsten, während im Juli es mehr die aus SW, W und NW sind, so daß im Sommer die Luftströmung meist von England, im Winter mehr von Frankreich herkommt. Am seltensten sind im Winter N, NE, E wieder, im Sommer dagegen NE, E, SE. Diese Drehung des Windsystems erscheint unbedeutend, ist aber doch für unsere Witterungsverhältnisse von Wichtigkeit. Wesentlich größer ist die jahreszeitliche Änderung und das Vorherrschen bestimmter Windrichtungen in den Monsungebieten. Für Hong-kong giebt Wojejkof folgende Zahlen (in Prozenten):

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N NE E SE S SW W NW

Januar 15 20 56 5 0 0 0 3

Juli 0 0 7 14 39 33 4 3

^[Tabellenende]

Hieraus sieht man die Regelmäßigkeit, mit der im Winter die Luft vom asiat. Kontinent über Hong-kong hinweg nach dem Meere fließt, im Sommer aber umgekehrt vom Meer dem Festland zuströmt.

Über die Gesetze der täglichen Periode des W. ist noch wenig Zuverlässiges bekannt, da der tägliche Wechsel in der Luftströmung in höchstem Maße von den Lokalverhältnissen beeinflußt wird. An den Meeresküsten spricht sich die tägliche Periode im Wechsel der Land- und Seewinde, im Gebirge der des Tag- und Nachtwindes aus. Auch in nur welligem Terrain findet man stets, daß die untern Strömungen am Tag vorzugsweise die Thäler hinauf, in der Nacht hinabströmen.

Über den elektrischen Wind s. Elektrische Entladung.

Windanker, s. Schiffsbrücken.

Windau, russ. Windawa, lett. Wente, Fluß im nordwestl. Rußland, entspringt auf der litauischen Platte im Kreis Schawli des Gouvernements Kowno, fließt ins Gouvernement Kurland, im allgemeinen nordwestlich, und mündet nach 309 km bei der Stadt W. in die Ostsee. Sein Flußgebiet beträgt 11229 qkm. Die W. ist nur im Unterlauf schiffbar, sonst flößbar. 1825‒31 wurde an ihrer Kanalisierung und an der Herstellung eines Windaukanals im Kreis Schawli gearbeitet, zur Verbindung der W. durch die Dubissa mit dem Niemen, doch sind die Arbeiten nicht vollendet worden.

Windau. 1) Kreis im nordwestl. Teil des russ. Gouvernements Kurland, an der Spitze der Halbinsel, die letzteres zwischen dem Rigaischen Meerbusen und der Ostsee bildet, mit dem Kap Domesnäs, hat 3136,8 qkm, 48331 E., darunter 35000 Letten, 2300 Liven; Ackerbau (Roggen, Gerste), Vieh-, Bienenzucht, Waldindustrie und 84 Fabriken. – 2) W., russ. Windawa, lett. Wentes-Pils, Kreisstadt im Kreis W. und Hafenort an der Mündung