Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

771

Windturbine – Wingolf

mit staatsrechtlichen Arbeiten und trat im Dez. 1862 in das verfassungsfeindliche Ministerium Brandis-Graf Platen, in welchem er das Departement der Justiz übernahm und für engen Anschluß Hannovers an Österreich wirkte. Am 21. Okt. 1865 schied er aus dem Ministerium und wurde Kronoberanwalt in Celle. Nach der Annexion Hannovers von der preuß. Regierung zur Disposition gestellt, nachher pensioniert, wurde er vom Wahlkreise Lingen-Meppen in den konstituierenden und dann in den ordentlichen Norddeutschen Reichstag gewählt und nahm, abweichend von dem 10. Okt. 1867 gefaßten Beschluß seiner polit. Freunde in Hannover, auch ein Mandat zum preuß. Abgeordnetenhause an. Im Interesse des Exkönigs von Hannover entfaltete W. als Vermittler große Thätigkeit hinsichtlich der Herausgabe des welfischen Hausschatzes und schloß 29. Sept. 1867 ein Abkommen hierüber ab; auch später wurde er von den Mitgliedern des hannov. Königshauses in deren Rechtsangelegenheiten wiederholt zu Rate gezogen. Am 17. Juni 1869 nahm er an dem Laienkonzil zu Berlin teil, das sich gegen die päpstl. Unfehlbarkeitslehre aussprach. Als sich gegen das Ende des Deutsch-Französischen Krieges die kath. Centrumspartei bildete, trat W., der die welfischen Bestrebungen mit den ultramontanen zu verquicken wußte, an die Spitze der Partei und organisierte in Verbindung mit allen partikularistischen Elementen eine kräftige Opposition gegen die preuß. wie gegen die Reichsregierung, und zwar auf allen Gebieten. Als aber die Regierung der Mithilfe des Centrums bei der Einleitung der neuen schutzzöllnerischen Wirtschaftspolitik bedurfte, näherte sich auch der staatskluge W. mehr und mehr der Regierung und setzte so, nach dem Sturz des Ministers Falk (1879) und besonders in den J. 1881‒87, wo er an der Spitze einer oppositionellen Mehrheit im Reichstag stand, die allmähliche Aufhebung der Kulturkampfgesetze durch. Zugleich mit der Beendigung des Kulturkampfes jedoch sorgte er durch Aufwerfung der Schulfrage in Preußen und Forderung der Rückkehr der Jesuiten im Reich für neue Kampfobjekte. Nachdem aber durch die Wahlen von 1890 das Centrum wieder zur Ausschlag gebenden Partei im Reichstag geworden war, bewilligte er alle Vorlagen auf militär., kolonialpolit. und socialem Gebiete und erreichte zunächst, daß das Gesetz über die Rückgabe der im Kulturkampfe gesperrten Gehälter und staatlichen Zuschüsse den Wünschen des Centrums gemäß gestaltet wurde und daß Anfang März 1891 der Kultusminister von Goßler zurücktrat. In diesem Augenblick stand W., der kurz vorher auch persönliche Beziehungen zu Kaiser Wilhelm Ⅱ. gewonnen hatte, auf dem Höhepunkt seiner Macht, als eine Lungenentzündung seinem Leben ein rasches Ende setzte. Er starb 14. März 1891 in Berlin und wurde in der ihm zu Ehren erbauten Marienkirche zu Hannover beigesetzt. Ein Denkmal (Bronzestatue von Heinr. Pohlmann) wurde ihm 1895 in Meppen errichtet. Selten hat ein Parteiführer eine solche Macht über eine polit. Partei ausgeübt wie W., der es vorzüglich verstand, die großen wirtschaftlichen Gegensätze innerhalb der Partei auszugleichen. Die parlamentarische Taktik handhabte er nicht minder geschickt. Als Redner wirkte er durch gewandte Dialektik, große Schlagfertigkeit und treffende Ironie. Durch Liebenswürdigkeit und strenge Rechtlichkeit erwarb sich W. persönlich große Sympathie. – Vgl. Menzenbach, Ludwig W. in seinem Leben und Wirken, insbesondere in seiner polit. Thätigkeit (Trier 1892); Schlesinger, Große Männer einer großen Zeit. Mallinckrodt, W., Franckenstein, P. Reichensperger (Münst. 1894).

Windturbine, s. Windmotoren und Tafel: Windmotoren, Fig. 9.

Windungsampère, s. Ampèrewindung.

Windvogel, soviel wie Brachvogel (s. d.).

Windwage, s. Orgel.

Windwardinsel, Kleine, s. Conception.

Windward-Islands (spr. eiländs), s. Antillen.

Windward-Passage (spr. pässĕdsch), Meeresstraße in Westindien, zwischen Jamaika, Cuba und Haïti, verbindet das Karibische Meer mit dem Atlantischen Ocean.

Windwolke, s. Wolken.

Windwurf, s. Windbruch.

Winer, Georg Benedikt, prot. Theolog, geb. 13. April 1789 zu Leipzig, wo er studierte, sich 1818 habilitierte und 1819 außerord. Professor und Kustos an der Universitätsbibliothek wurde. Er ging 1825 als ord. Professor nach Erlangen und kehrte in gleicher Eigenschaft 1832 nach Leipzig zurück, wo er, 1845 zum Domherrn des Hochstifts Meißen ernannt, 12. Mai 1858 starb. Ein Schüler des Philologen Gottfried Hermann, hat sich W. um die sprachliche Seite der biblischen Wissenschaft große Verdienste erworben, namentlich durch seine hervorragende «Griech. Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms, als sichere Grundlage der neutestamentlichen Exegese bearbeitet» (Lpz. 1822; 8. Aufl., neu bearb. von Schmiedel, Gött. 1894 fg.); ferner schrieb er: «Biblisches Realwörterbuch» (2 Bde., Lpz. 1820; 3. Aufl. 1847), «Pauli ad Galatas epistola» (ebd. 1821; 4. Aufl. 1859), «Komparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christl. Kirchenparteien» (ebd. 1824; 4. Aufl. 1882, von P. Ewald), «Grammatik des biblischen und targumischen Chaldäismus» (ebd. 1824; neu bearb. von Fischer, 1882), «Chaldäisches Lesebuch» (ebd. 1825; 2. Aufl. 1864, von Fürst), eine Neubearbeitung von Simonis-Eichhorns «Lexicon manuale hebraicum» (ebd. 1828). Durch die biogr. Notizen über die Schriftsteller wertvoll ist sein «Handbuch der theol. Litteratur» (Lpz. 1820; 3. Aufl., 2 Bde., 1838‒40, nebst Ergänzungsheft 1842). W. gab 1826‒32 die «Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie» und mit Engelhardt 1824‒30 das «Neue kritische Journal der theol. Litteratur» heraus.

Winfried, Apostel der Deutschen, s. Bonifatius.

Winge, Mårten Eskil, schwed. Maler, s. Bd. 17.

Wingolf, nach dem Bericht der Edda ein mythischer Ort, der als Teil Walhallas erscheint. Der Name ist ganz jungen Ursprungs und bedeutet wohl «Weinhalle». Die von Klopstock eingeführte Deutung «Gemach der Freunde» ist sprachlich unmöglich.

In neuerer Zeit nahmen Studentenverbindungen mit specifisch christl., anfangs dogmatisch-kirchlicher Tendenz den Namen W. (nach Klopstocks Freundschaftsode «Wingolf») an. Zuerst in Bonn aus einem Bibel- oder Erbauungskränzchen hervorgegangen, sind allmählich Wingolfverbindungen auf fast allen deutschen Universitäten entstanden. Sie verwerfen das Duell als unchristlich und achten auf einen gottesfürchtigen Lebenswandel ihrer Mitglieder. Schon 1850 traten sie auf der Wartburg zu einem Bunde (dem Wingolfbunde) zusammen, der mehrmals gelöst und geändert, im Mai 1880 rekonstruiert wurde. Die Vertreter der einzelnen Wingolfverbin- ^[folgende Seite]