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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wirbelsaum; Wirbelschlagader; Wirbelströme; Wirbelstürme; Wirbeltheorie; Wirbeltiere

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Wirbelsaum – Wirbeltiere

Beckens. Die Heilung aller dieser Verkrümmungen ist sehr schwierig und läßt sich eher noch durch Heilgymnastik und Massage als durch Apparate (künstliche Stützapparate, Geradhalter u. dgl.) erzielen. (S. Orthopädie.) In jedem Falle ist die Behandlung durch den Arzt so frühzeitig als nur möglich notwendig; länger bestehende Verkrümmungen der W. sind meist mehr mehr zu beseitigen. – Litteratur s. beim Artikel Schiefwerden.

Wirbelsaum, s. Nähen.

Wirbelschlagader, s. Gehirn und Tafel: Die Nerven des Menschen, Fig. 1, 9, beim Artikel Nerven.

Wirbelströme, soviel wie Foucaultströme (s. d.).

Wirbelstürme, Luftwirbel, die sich der europ. Küste vom Golfstrom her nähern und entweder längs dieser Strömung weiter ziehen oder einen mehr oder minder großen Teil des europ. Festlandes überschreiten. Bekannt sind die Stürme von 1807 und 1821. Letzterer gab einen wesentlichen Anstoß zur Erforschung der Sturmerscheinungen. Die europäischen W. sollen hauptsächlich im November auftreten. Wie weit sie mit den Westindia-Hurricanes (s. Hurricane) zusammenhängen, muß dahingestellt bleiben. Im Winter ziehen auch oft vom Mittelmeer her W. quer durch Europa, die vielfach Ursache starker Schneestürme sind. – Vgl. E. Schneider, Entstehung und Prognose der W. (Regensb. 1895).

Wirbeltheorie, eine kosmologische Ansicht von Descartes (s. d.), nach der die Bewegung der Himmelskörper von wirbelnden Strömungen eines das Weltall erfüllenden Äthers bewirkt würden. Auch die zur Erklärung der Wirbelstürme dienenden Hypothesen nennt man W., sowie die Theorie der Wirbelatome (s. d.). – Über W. des Schädels s. Schädel.

Wirbeltiere, Rückgrattiere (Vertebrata), der höchste Kreis der Tiere, der die Klasse der Lanzettfische (s. d., Leptocordia), Rundmäuler (s. d., Cyclostomata), Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere umfaßt. Für den Bau aller dieser Tiere besteht ein gemeinsamer Grundplan, der sich in der fast ausnahmslose symmetrischen Anlage wenigstens der äußern Organe zu beiden Seiten einer senkrechten Ebene, in den gemeinsamen Phasen der Entwicklung aus dem Keime und in dem Bau des Körpers und besonders in dem Verhältnis der Bewegungsorgane ausspricht, da hier die festen Hebel, die der Bewegung dienen, ein inneres Skelett bilden, während die bewegenden Kräfte, die Muskeln, auf der Außenfläche des Skeletts angebracht, ursprünglich in ringförmige Querabteilungen geschieden und durch eine meist weiche und nachgiebige Haut umhüllt sind. Als Grundlage des bald nur knorpligen, meist aber knöchernen innern Skeletts stellt sich zuerst ein aus dem innersten Keimblatt hervorgehender centraler Zellenstab, die Wirbelsaite (Chorda dorsalis) dar, in deren vom mittelsten Keimblatt stammenden Scheide sich nach und nach die aus einzelnen Abteilungen, Wirbeln, zusammengesetzte Wirbelsäule (s. d.) entwickelt, welche die Wirbelsaite allmählich verdrängt und sich nach vorn zu dem Kopfe (Schädel und Gesicht) erweitert, nach hinten meist zum Schwanze verlängert. Die Wirbel besitzen ein Mittelstück, den Körper, und von diesem ausgehende Bogenstücke, die meist zu Ringen zusammenwachsen und durch ihre Nebeneinanderlagerung zwei röhrenartige Räume bilden, den hintern oder obern zum Schutze des centralen Nervensystems, Rückenmark und Gehirn, den vordern oder untern zum Schutze der Eingeweide, oder der Hauptblutgefäße. Im höchsten Falle finden sich zwei gegliederte Extremitätenpaare, ein vorderes und ein hinteres; eins derselben oder beide können aber auch fehlen. Charakteristisch ist ferner die Existenz eines oberhalb des Verdauungsrohres gelegenen centralen Nervensystems: Gehirn und Rückenmark, von dem die Körpernerven ausstrahlen, und dreier paarweise am Kopfe angebrachter Sinnesorgane: Ohr, Auge, Nase, die indessen mehr oder minder verkümmert sein oder auch ganz fehlen können. Die Verdauungsorgane haben stets vordere und hintere Öffnung, von Anhangsdrüsen findet sich immer eine Leber, meist Bauch- und sehr häufig Mundspeicheldrüsen. Ein Herz als centraler Bewegungsapparat des in Gefäßen cirkulierenden Blutes fehlt nur einem einzigen Wirbeltier, dem Lanzettfischchen. Mit Ausnahme dieses und der Jugendformen einiger schollen- und aalartiger Fische haben auch alle übrigen W. rotes Blut (s. d.), dessen Farbe durch Blutkörperchen, die in farbloser Flüssigkeit schwimmen, bedingt ist. Die Atemorgane sind stets vorhanden, aber bald Kiemen, bald Lungen. Die Geschlechter sind, mit Ausnahme einiger Fische, bei denen zuweilen, aber nicht konstant, wahre Zwitter auftreten, getrennt. Der Embryo bildet sich von der Rückenfläche aus gegen den Dotter des Eies fortschreitend und liegt stets auf der Bauchfläche. Die einen W. legen Eier, die andern gebären lebendige Junge. Bei den einen finden auffällige Metamorphosen und Larvenzustände erst während des selbständigen Lebens statt, bei den meisten nicht.

Über die Klassifikation der W. sind viele verschiedene Ansichten laut geworden. Nach der embryonalen Entwicklung und der ganzen Körperbildung kann man zuerst den Amphioxus abtrennen, der keinen eigentlichen Kopf noch Gehirn (daher als Klasse der Leptocardia oder Acrania bezeichnet) besitzt, dann ferner die Rundmäuler, die keine Kiefer, sondern nur Lippenknorpel und ein einfaches Nasenrohr besitzen, und die übrigen fünf Klassen in zwei große Gruppen spalten, die niedern (Anallantoidea) und die höhern (Allantoidea s. Amniota). Bei den erstern bilden sich bei der embryonalen Entwicklung niemals besondere Hüllen (Schafhaut und Harnhaut), und das Tier atmet wirklich durch Kiemen, entweder während seines ganzen Lebens oder während eines Teils desselben. Hierher gehören die Fische und die Lurche oder Amphibien. Bei den andern atmet das selbständige Tier nie durch Kiemen, und es bilden sich besondere Hüllen um den Embryo. Hierher gehören die Reptilien (s. d.), die, wie alle Tiere der ersten Reihe, sog. kaltes, d. h. in seiner Temperatur von der äußern abhängiges Blut haben, und die sog. warmblütigen Tiere, bei denen das, wie bei Vögeln und Säugetieren, nicht der Fall ist. Andere, wie z. B. Huxley (vgl. dessen Manual of the anatomy of vertebrated animals, Lond. 1871; deutsch von Ratzel, Bresl. 1873), stellen drei Gruppen auf, indem sie Fische und Amphibien, der zwischen diesen Klassen existierenden Übergänge wegen, zusammen als fischähnliche (Ichthyopsidae), die vereinigten Reptilien und Vögel als Sauropsidae bezeichnen und die Säugetiere als dritte höchste Gruppe auffassen.

Vgl. Rathke, Entwicklungsgeschichte der W. (Lpz. 1861); ders., Vorträge zur vergleichenden Anatomie der W. (ebd. 1862); Owen, On the anatomy of