Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

784

Wirkmaschine

Von allen Strickmaschinen hat zur Zeit die 1866 von dem Amerikaner J. W. Lamb konstruierte Maschine (Fig. 10) die größte Verbreitung gefunden. Dieselbe ist eine Flachstrickmaschine mit zwei ebenen Nadelbetten b₁, b₂ (Fig. 5), welche unter einem nahezu rechten Winkel so gegeneinander stehend einen schmalen Spalt zwischen sich lassen, durch den die fertige Ware W, vom Gewicht g gespannt, abwärts hängt. In diesen Nadelbetten sind die Führungsnuten für die Zungennadeln n₁, n₂ senkrecht zum Warenspalt so tief eingeschnitten, daß die Nadelschäfte nicht über die Bettoberflächen hervorragen und somit auch dem Schlitten S kein Hindernis bieten, wenn derselbe mit Hilfe eines Kurbelgetriebes, welches in Fig. 10 sichtbar ist, von dem Stricker oder durch Elementarkraft längs der Betten verschoben wird. Entlang der den Warenspalt begrenzenden Kanten der beiden Nadelbetten sind zwischen den Nadelnuten dreieckige Vorsprünge, die Abschlagplatinen a, befestigt. Die tiefste Arbeitslage der Nadeln begrenzen die Stellfedern f, durch deren Herabziehen die Nadeln auch ganz außer Arbeitstellung gebracht werden können. Hierdurch ist es möglich, auch einzelne Nadeln auszurücken und damit verschieden breite Gewirke auf einer Maschine herzustellen. An der dem Bett zugekehrten Schlittenseite liegen die beiden Schlösser s₁, s₂ zur Verschiebung der Nadeln. Ein jedes dieser Schlösser besteht, wie Fig. 7 u. 8 zeigen, aus drei dreieckigen Platten, die gegen die gekröpften Nadelfüße d (Textfig. 2) wirken. Die beiden Enddreiecke, die Nadelsenker n und o, werden, nachdem ihnen eine bestimmte Stellung erteilt wurde, mit Hilfe von Schrauben t (Fig. 5 der Tafel) am Schlitten befestigt. Das Mitteldreieck oder der Nadelheber m (Fig. 7 u. 8) ist parallel zu den Nadelnuten verschiebbar hingesetzt; ein schräg zu den Nadelnuten laufender Schlitz einer Platte p (Fig. 5), die in der Längsrichtung des Nadelbettes verschiebbar ist, dient zur Einstellung und Stellungssicherung des Mitteldreiecks. Die Verschiebung dieser Platte erfolgt beim Anstoß an stellbare Riegel r an den Enden jedes Nadelbettes. Durch die Plattenschiebung wird der Nadelheber entweder gehoben (Fig. 7) und damit außer Arbeitstellung gebracht, so daß er bei der Schlittenbewegung oberhalb der Nadelfüße d vorübergeht, die Nadeln also nicht verschoben werden, oder gesenkt (Fig. 8) und schiebt dann die Nadeln über die Abschlagkante des Nadelbettes hinaus. Infolge der Dreieckgestalt des Nadelhebers m kann dieser bei geeigneter Stellung in jeder Richtung des Schlittenschubes auf die Nadeln einwirken; die die Nadeln herabziehenden Seitendreiecke n und o sind dagegen in jedem der Schlösser doppelt anzuordnen, um für jeden einfachen Schlittenschub wirksam zu sein. Die Tiefe der von ihnen hervorgebrachten Nadelsenkung, welche die Länge der kulierten Schleifen regelt, wird durch die Einstellung der Nadelsenker bestimmt. Sind beide Riegel r des Nadelbettes b₂ nach außen, diejenigen des Bettes b₁ nach innen geschoben (wie dies Fig. 5 zeigt), so daß die erstern nicht auf das Mitteldreieck des Schlosses s₂ einwirken können und dieses daher dauernd geschlossen bleibt (Stellung Fig. 7), so arbeiten nur die Nadeln der Nadelreihe b₁; es wird von ihnen glatte Ware als flaches Stück gebildet. Sind dagegen sämtliche vier Riegel r nach innen geschoben, so daß sie jedes Schloß am Ende eines jeden Schlittenhubes umstellen, und ist die Schloßstellung beim Beginn der Arbeit so gewählt, daß dem Öffnen des einen Schlosses die Schließung des andern entspricht, so wird rund geschlossene glatte Ware gearbeitet. Sind endlich alle vier Riegel nach außen gezogen, so daß sie nicht auf die in Arbeitstellung gebrachten (also offenen) Schlösser einwirken können, so arbeiten die Nadeln beider Maschinenseiten gleichzeitig, und es entsteht je nach der Höhenstellung der Seitendreiecke Ränder- oder Fangware. Bei dem Abschlagen der Maschen von den Nadeln wird der Haken der letztern durch die Nadelzunge geschlossen. Denselben für das Einlegen eines neuen Fadens wieder zu öffnen, trägt jedes Schloß einen Hakenöffner u, dessen messerartig zugeschärfte Endplatte dicht an den Haken der vom Schloß emporgetriebenen Nadel herantritt und die Zunge derselben zurücklegt. Der Hakenöffner schreitet in jeder Bewegungsrichtung des Schlittens dem Fadenführer v ein Stück voraus, um die Nadeln für das Einlegen des Fadens vorzubereiten. Der federnde Fadenleiter x erteilt dem von einer Schleifspule kommenden Strickfaden die für die Maschenbildung erforderliche Spannung. Mit Hilfe der genannten Werkzeuge entwickelt sich der in Fig. 6 dargestellte Arbeitsvorgang. Das Schloß schreitet in der Richtung des Pfeiles P vor. Das Mitteldreieck hat die Nadeln 1, 2, 3 hochgeschoben. Der Hakenöffner u drückt die Zunge der eben aufsteigenden Nadeln 1 zurück und der Fadenführer v hat den von der Ware (bei Nadel 6) ausgehenden Faden über die Schäfte der Nadeln 5, 4, 3, 2 gelegt. Die Nadeln 4‒6 werden von dem, dem Mitteldreieck folgenden Seitendreieck zurückgezogen, Nadel 7 hat bereits die tiefste Lage erreicht. Auf den Nadeln 1‒5 hängen die alten Warenmaschen. Diejenige der Nadel 4 tritt eben dicht hinter die Nadelzunge, hält dieselbe bei der weitern Nadelsenkung zurück, so daß sie den Nadelhaken schließt, die Nadel durch die von den benachbarten (in der Figur nicht gezeichneten) Abschlagplatinen zurückgehaltene Warenmasche abwärts gleitet (s. Nadel 5) und, indem sie den in ihrem Haken liegenden Faden durch die Masche zieht, diese abschlägt (s. Nadel 6). Die bis in die Endstellung 7 zurückweichende Nadel giebt der neuen Masche die erforderliche Länge; die Tiefe der Nadelsenkung bestimmt daher die Maschengröße und die Dichtigkeit des fertigen Gestrickes.

Während des Strickens kann man die Arbeitsbreite der in der Anfertigung begriffenen Ware dadurch mindern, daß die Maschen von den Endnadeln einer oder beider Nadelreihen mit einem Minderhäkchen abgehoben, auf die neben ihnen stehenden, bereits Maschen tragenden Arbeitsnadeln übergehängt und die Endnadeln selbst außer Arbeitsstellung gebracht werden. Für den Zweck des Zugebens hat man dagegen die Masche der letzten arbeitenden Nadel jeder Reihe so zu erweitern, daß sie sich über eine daneben befindliche, in die Arbeitstellung zu bringende Nadel streifen läßt. Da an der Lambschen Maschine auch Vorrichtungen zum Stricken der Fersen angebracht sind, kann man mit derselben einen Strumpf bis zur letzten Masche fertig stricken, ohne seine Form durch Nähte vervollständigen zu müssen. Von einer geübten Arbeiterin bedient, liefert die Maschine täglich 10 Paar langer Frauenstrümpfe oder 20 Paar Männersocken; ihrer Einführung in Haushaltungen, wo sie nicht genügend ausgenutzt wird, steht bisher noch ihr hoher Preis entgegen. – Die W. ist auch zur Herstellung einer Art von Maschinenspitzen (s. Spitzen) geeignet. – Vgl. Willkomm, Die Technologie der Wirkerei