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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wolle; Wollerau; Wollfarbig; Wollfarbstoffe; Wollfett; Wollgarn; Wollgras; Wollhaare; Wollhuhn; Wollhüte; Wollin

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Wolle (in der Jägersprache) - Wollin

Das einzelne feine Wollhaar hätte nicht die Kraft, für sich allein frei in die Höhe zu wachsen. Es schließen sich stets mehrere Haare aneinander an und bilden ein Strähnchen. Mit Hilfe des Fettschweißes, der die einzelnen Haare umgiebt, wird die Verbindung oft so innig, daß das Strähnchen das Ansehen eines einzigen Haars bekommt. Von den Strähnchen schließen sich dann mehrere zu Büschelchen zusammen, die sich wieder zu größern Bündeln vereinigen. Die ganze, aus solchen Bündeln gebildete Hautbedeckung nennt man Stapel. Das Vließ entsteht nun durch Verbindung der Stapel durch Bindehaare. Die chem. Zusammensetzung der W.:

Wollsorte Kohlenstoff Wasserstoff Stickstoff Schwefel Sauerstoff

Zaupelschaf<sup>1</sup> 50,687 7,012 17,870 2,441 21,900

Merino<sup>1</sup> 50,661 7,062 17,518 3,636 21,123

Desgl.<sup>2</sup> 50,65 7,02 17,71 2,31 22,31

Zwei Rambouillet (Vollblut)<sup>3</sup> 49,58-50,46 7,19-7,37 15,54-15,73 3,43-3,69 21,01-24,00

<sup>1</sup> Nach Hoffmann. <sup>2</sup> Nach Scherer. <sup>3</sup> Nach Schulze und Märker.

Der Fettschweiß hat nach Fuchs folgende Zusammensetzung: schwefelsaures Kalium 2,5 Proz., kohlensaures Kalium 44,5, Chlorkalium 3, organische Stoffe 50 Proz.

Die zu tuchartigen Stoffen bestimmte W. soll einen Faden geben, an dessen Oberfläche möglichst viele Haarenden liegen, und soll sich verfilzen lassen. Die zu glatten Stoffen bestimmte W. soll einen Faden geben, an dessen Oberfläche möglichst wenig Haarenden liegen, und braucht die Eigenschaft der Filzbarkeit nicht zu besitzen.

Die Streichgarnspinnerei verlangt vor allen Dingen Krimpkraft der W., normale Kräuselung, Treue (d. h. gleichmäßige Dicke) im Haar, auch Wellentreue der Strähnchen. Die Kammgarnfabrikation verlangt flachbogige schlichte W. (denn je flachbogiger, desto weniger Krimpkraft), keine zu kurzen W. (7-9 cm). Gute W. soll eine Reißlänge (s. d.) von 8 bis 10 km haben. (S. Wollindustrie und Wollspinnerei.)

Infolge des hohen Wollpreises zu Anfang dieses Jahrhunderts war die Produktion von W. in Deutschland sehr groß. 1805 wurde der Centner sächs. Elektoralwolle mit 300 Thlrn. bezahlt. Hauptproduktionsländer der feinen W. bis zur Mitte dieses Jahrhunderts waren Sachsen, Schlesien, Böhmen, Spanien. Sobald aber der erste überseeische Ballen W. nach Deutschland kam, sanken die Preise.

Die Wollpreise betrugen pro Centner in Mark:

Jahr Hochfein Fein Mittelfein Ordinär

1856 409 338 300 256

1863 321 282 249 216

1871 319 270 214 172

1896 186 150 118 101

Deutschland ist in der Wollproduktion sehr zurückgegangen; es züchtet mehr auf Fleisch, früher begünstigt durch die Ausfuhr von Schafvieh nach Frankreich und England. Nach Angabe der Reichsstatistik wurden 1883 gegen 1451770 Stück Schafe mit Einschluß der Lämmer exportiert, welche einen Wert von 41603000 M. repräsentierten, 1896 dagegen nur noch 334818 Schafe und 7995 Lämmer im Gesamtwerte von 5113000 M. Der Centralpunkt für feinere W. in Deutschland bleibt immer noch Breslau, dann kommt Berlin, auch Posen, Thorn, Stettin, Kirchheim unter Teck, Paderborn und Augsburg; bei andern Städten kommen die Wollmärkte kaum noch in Betracht. Die Hauptproduktionsländer für W. sind Australien, Argentinien, Nordamerika, Uruguay, Kapland, Rußland, besonders Südrußland. In Österreich-Ungarn, Deutschland, England und Frankreich ist mit der Abnahme der Schafzucht die Erzeugung von W. stetig gesunken. In Deutschland wurden 1861 noch 28016000 Schafe gezählt, 1892 war deren Anzahl auf 13589000 gesunken; 1861 betrug die deutsche Wollproduktion 34500 t, 1892 nur noch 21800 t. In der Qualität der W. steht Deutschland obenan, da die deutsche W. vermöge der Kraft fast unentbehrlich ist. Die europ. Wollproduktion schätzt man ungefähr auf 410 Mill. kg, es kommen auf Rußland 190, England 80, Frankreich 40, Deutschland 22, Österreich-Ungarn 20, Spanien 25, Italien 10, das übrige Europa gegen 23 Mill. kg; die außereurop. Wollproduktion beträgt 830 Mill. kg. Australien liefert 290, Nordamerika 180, Südamerika 200, Asien 90 und Afrika 70 Mill. kg. Gesamtproduktion der Erde demnach etwa 1240 Mill. kg im ungefähren Werte von 2500 Mill. M.

In den Ländern, die in der Wollindustrie eine größere Bedeutung haben, betrug die Einfuhr von Rohwolle in Tonnen:

Länder 1890 1896

Großbritannien 287450 356789

Frankreich 168807 260096

Deutschland 128614 193679

Belgien 35020 37266

Österreich-Ungarn 24213 24598

Vereinigte Staaten von Amerika 129317 102304

Vgl. Heyne, Die technische Verarbeitung der W. Für Landwirte bearbeitet (Berl. 1891). S. auch Schaf.

Wolle, in der Jägersprache die Haare der Hasen und Kaninchen.

Wollerau, Dorf und Hauptort des Bezirks Höfe (abwechselnd mit Pfäffikon) im schweiz. Kanton Schwyz, 4 km vom Züricher See, in 518 m Höhe, in schöner Lage auf einem Berge, hat (1888) 349, als Gemeinde 1441 E., davon 102 Evangelische, Post, Telegraph; Landwirtschaft, Weinbau.

Wollfarbig, s. Tuchfabrikation.

Wollfarbstoffe, s. Organische Farbstoffe.

Wollfett, Wollschweiß, das von den Wollhaaren der Schafe abgesonderte Fett, das Rohmaterial zur Darstellung des Lanolins (s. d. und Wolle).

Wollgarn, s. Garnhandel.

Wollgras, s. Eriophorum und Tafel: Cyperaceen, Fig. 1.

Wollhaare (botan. und zoolog.), s. Haare.

Wollhuhn, soviel wie Seidenhuhn (s. Haushuhn 5).

Wollhüte, s. Filzfabrikation.

Wollin. 1) Insel in der Ostsee, zu Pommern gehörig (s. Karte: Mecklenburg und Pommern), schließt mit der durch die Swine von ihr getrennten Insel Usedom (s. d.) das Stettiner Haff von der Ostsee ab. Vom Festlande ist sie durch die Dievenow (s. d.) getrennt. Sie ist 35 km lang, 3-20 km breit und bedeckt 245 qkm. Die Mitte der Insel ist eine Ebene, die nur von einigen Waldungen und Seen unterbrochen ist; die Ränder bilden Sanddünen. Hauptnahrungsquellen der 14000 E. bieten Viehzucht und Fischerei. Wichtige Orte sind Wollin und das Seebad Misdroy (s. d.).