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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zeugniszwang - Zeugung

Zeugniszwang, die Anwendung derjenigen Zwangsmittel, welche dem Richter nach dem Gesetze zustehen, um das ohne gesetzlichen Grund verweigerte Zeugnis zu erzwingen. (S. Zeuge.)

Zeugoffiziere, s. Zeug.

Zeugpersonal, s. Artillerieoffiziere der Plätze.

Zeugringel, s. Weberei.

Zeugung (Generatio). Zur Deckung des durch das fortwährende Sterben zahlreicher Individuen bedingten Ausfalls besitzen Pflanzen und Tiere die Fähigkeit, ihrem eigenen Organismus ähnliche Organismen immer wieder zu erzeugen (sich fortzupflanzen). Wir sehen, daß in den einzelnen Geschöpfen gewisse körperliche Bestandteile sich absondern und unter günstigen äußern Umständen allmählich zu Geschöpfen derselben Art sich entwickeln. Die Fortpflanzungsfahigkeit der Organismen ist aber an eine bestimmte Zeit ihres Daseins geknüpft (d. i. die Zeit der Reife) und sehr ungleich über die einzelnen Arten verteilt. Es giebt Geschöpfe, die in wenigen Stunden eine sehr zahlreiche Nachkommenschaft hervorbringen, und andere, die zur Erzeugung eines einzigen Sprößlings eines Zeitraums von mehrern Monaten und Jahren bedürfen. Während der Elefant in drei bis vier Jahren ein einziges Junges gebiert, hat man die Nachkommenschaft eines trächtigen Kaninchens in derselben Zeit auf mehr als eine Million berechnet. Die Nachkommen einer Blattlaus betragen nach einigen Wochen schon mehrere tausend Millionen, und die einer Vorticelle sogar nach vier Tagen 140 Billionen. Ob eine Urzeugung (s. d.) stattfinden könne, ist eine auch heute noch ungelöste Frage.

Die Elternzeugung (gereratio homogenea, torogonia), d. h. die Fortpflanzung organischer Wesen, die hier allein in Betracht kommt, geschieht stets durch Teile des ursprünglichen Organismus, die sich in besonderer Weise ausbilden, und beruht zuletzt auf der Vermehrung der letzten Elemente, welche den Organismus zusammensetzen, nämlich der Zellen (s. d.). Die Elternzeugung aber ist entweder eine ungeschlechtliche (geratiomonogenea) oder geschlechtliche (generatio dignea). Die ungeschlechtliche Z. wiederum ist verschieden, je nachdem die zur Bildung neuer Individuen bestimmten Zellen oder Zellengruppen sich vom elterlichen Organismus sofort ablösen (Teilung, Knospung bei Infusorien, Hohltieren, Würmern u. s. w.; Ablösung der kleinen blattachselständigen Knöllchen beim Türkenbunde u. a.), oder ob sie mit dem zeugenden Organismus in Zusammenhang bleiben (Bildung von Tier- und Pflanzenstöcken). Die Fähigkeit, sich zu neuen Individuen umzubilden, wohnt bald allen Zellen und Zellengruppen des Organismus bei, bald ist sie nur auf bestimmte Regionen oder Organe beschränkt. Bei einzelligen Pflanzen und Tieren geschieht die Vermehrung in derselben Weise wie bei den organischen Zellen überhaupt. Bei mehrzelligen Organismen vermehren sich gewisse Zellen in bestimmter Richtung, dehnen sich aus, wachsen, bilden eine Hervorragung bald nach innen, bald nach außen, die nach und nach die Gestalt des elterlichen Organismus annimmt. Bei den meisten Pflanzen bleibt die so gebildete Knospe mit dem Organismus vereinigt oder trennt sich nur durch zufällige Umstände. Da aber die Knospe schon ein Individuum ist, so kann die Pflanze dadurch vermehrt werden, daß die Knospe in günstige Verhältnisse gebracht wird, unter welchen sie sich selbständig weiter zu entwickeln vermag. Das Pfropfen und Okulieren sowie das Bilden von Ablegern ist nichts anderes als die Übertragung losgelöster Knospen auf einen Boden, der ihre Weiterentwicklung gestattet. Bei den Tieren können die Knospen bald innerlich, bald äußerlich sein, innerlich z. B. bei den sog. Ammen der Eingeweidewürmer, äußerlich bei Polypen, Moostieren u. s. w. Gewöhnlich lösen sich die tierischen Knospen zu einer bestimmten Zeit der Entwicklung los und werden dann freie, selbständige Tiere (Medusen, Hydra). Sobald sie aber mit dein erzeugenden Organismus in Verband bleiben, so bilden die Vereinigungen solcher, oft verschiedenartig, oft gleichartig gebildeter Knospen einen zusammengesetzten Tierstock. So sind bei den Korallenstöcken die Knospen meist gleichartig, bei den Schwimmpolypen aber verschiedenartig, indem Bewegungs-, Verdauungs- und Geschlechtsknospen sich in verschiedener Weise ausbilden. Die als Zellen losgelösten Fortpflanzungsteile nennt man bei den Pflanzen Keimkörner, Keimzellen, Sporen, bei den Tieren Eier. Es werden dieselben stets in eigenen Organen (Sporangien, Ovarien, Eierstöcken) gebildet, hinsichtlich ihrer Entwicklung aber können wieder zwei verschiedene Verhältnisse Platz greifen, indem sie entweder selbständig sich zu Organismen weiter entwickeln, z. B. bei den Blattläusen, verschiedenen Pilzen (s. Parthenogenesis), oder indem es zu ihrer Fortentwicklung der Befruchtung bedarf, welche durch einen besondern Zeugungsstoff (Samen, Blütenstaub, Pollen) geschieht.

Die geschlechtliche Fortpflanzung, Z. durch Befruchtung (s. d.), eine mehr komplizierte Entstehungsweise von Organismen, ist die verbreitetste, kommt bei allen Wirbeltieren ausschließlich vor, tritt aber auch nebenher bei vielen solchen tierischen und pflanzlichen Organismen auf, die sich durch Teilung und Sprossenbildung vermehren. (S. Ammenzeugung und Generationswechsel.) Sie kommt dadurch zu stande, daß durch die wechselseitige Einwirkung (Befruchtung) zweier Zeugungsmittel (Geschlechtsprodukte), eines männlichen (Samen) und eines weiblichen (Ei), der Keim (befruchtetes Ei) die Fähigkeit erhält, sich zum neuen Individuum zu entwickeln. Samen und Ei werden immer in besondern Organen (Geschlechtsorganen) gebildet, doch können beide Organe zugleich in einem Individuum (Hermaphroditen, Zwitter, Monöcisten) sich vorfinden (vorzugsweise bei den Pflanzen) oder auf zwei Individuen (Mann und Weib, Diöcisten) verteilt sein (besonders bei den Tieren). Die hermaphroditischen Tiere befruchten sich fast immer gegenseitig und das kann zu gleicher Zeit oder nacheinander geschehen, das Vorkommen von Selbstbefruchtung ist sehr fraglich, denn bei Bandwürmern (s. d.) sind es verschiedene Einzeltiere (Glieder, Proglottiden) der Kolonie (Kette), die bei der Begattung als Mann und Weib thätig sind. In der Regel reifen auch die beiderlei Geschlechtsorgane in einem Individuum nicht zu gleicher Zeit; es ist entweder erst männlich begattungsfähig (proterandrisch) oder weiblich (proterogynetisch). Die Befruchtung des Eies durch den Samen bei getrennten Geschlechtern kann entweder innerhalb des weiblichen Organismus durch Vermischung der Geschlechter (Begattung) zu stande kommen, oder auch, indem außerhalb des Organismus der Samen mit den isolierten Eiern in Verbindung gebracht wird (wie bei der künstlichen Befruchtung der Fischeier). Es müssen, mit Ausnahme