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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Zinsenversicherung; Zinseszins

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Zinsenversicherung – Zinseszins

Diskont (s. d.) und Depositenzinsfuß für kurzfristige Gelddarlehen (s. Depositenbanken). Da die nachhaltige Verzinsung eines Kapitals überhaupt nur dadurch möglich ist, daß es der Schuldner in einer wirtschaftlichen Unternehmung produktiv verwertet, so kann der Kapitalzins im allgemeinen nur einen Teil des in den Unternehmungen erzielten Ertrages bilden. Andernfalls würde die Nachfrage nach Geldkapital bald sehr gering werden.

Wie sich innerhalb der durch die Höhe des in den Unternehmungen erzielbaren Ertrages der Zinsfuß stellt, hängt von Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt ab. Ein hoher Zinsfuß ist an sich ebenso wenig immer ein ungünstiges wirtschaftliches Symptom als ein niedriger ein günstiges; denn die letztere Erscheinung kann durch einen wirtschaftlichen Stillstand und ein den Unternehmungsgeist lähmendes Sinken des Kapitalgewinns hervorgerufen sein. Immerhin gilt im allgemeinen ein niedriger Zinsfuß als socialpolitisch günstig, weil er die Verteilung des Einkommens zwischen Kapitalisten und den arbeitenden Ständen zum Vorteile der letztern beeinflußt, gleichwie er auch, wenn durch Kapitalfülle bewirkt, den Unternehmungsgeist anspornt. Als normaler Zinsfuß ist übrigens nur der zu betrachten, der für vollständig sichere Kapitalanlagen gilt; zu diesem aber kommt in vielen Fällen noch eine größere oder geringere Risikoprämie für die Gefahren des Kapitalverlustes, ein Umstand, welcher gegen die Festlegung eines Zinsfußes in den Wuchergesetzen (s. Wucher) spricht.

Die Verpflichtung, Z. zu zahlen, beruht entweder auf Gesetz, auf Rechtsgeschäft, namentlich einem Vertrage, oder auf Richterspruch. Zu den gesetzlichen Z. gehören Verzugszinsen (s. Verzug) und die seit der Klagerhebung zu zahlenden sog. Prozeßzinsen (Bürgerl. Gesetzb. §. 291); ferner die im Bürgerl. Gesetzb. §§. 256, 347, 452, 641, 668, 675, 820, 849, 1834 und im Handelsgesetzbuch von 1897, §§. 111, 122, 353, 354, 355 erwähnten Z.

Die Höhe der rechtsgeschäftlichen Z. unterliegt der freien Verfügung, soweit nicht Vorschriften über den Wucher (s. d.) entgegenstehen. Ist über die Höhe nichts bestimmt, so sind nach Deutschem Bürgerl. Gesetzb. §. 246: 4 Proz., nach Schweizer Obligationenrecht 5 Proz. zu entrichten. Wer dem Gläubiger mehr als 6 Proz. Z. zusagt, ist nach dem später zum Reichsgesetz erhobenen Norddeutschen Bundesgesetz vom 14. Nov. 1867, das vom 1. Jan. 1900 ab nach Einführungsgesetz zum Bürgerl. Gesetzbuch Art. 39 durch den inhaltlich gleichen §. 247 des Bürgerl. Gesetzbuchs ersetzt wird, zu einer halbjährlichen Kündigung befugt, eine Vorschrift, die jedoch für Inhaberpapiere nicht gilt. Die Höhe der gesetzlichen Z. beträgt nach Bürgerl. Gesetzb. §. 246: 4, nach Handelsgesetzb. von 1861, Art. 287: 6, von 1897: 5 Proz. Auch das preuß. Gesetz vom 17. März 1881 hat für Pfandleih- und Rückkaufsgeschäfte (s. d.) den Maximalzinsfuß bestimmt.

Die Zinsschuld hängt insoweit von der Hauptschuld ab, als nach deren Tilgung Z. nicht weiter laufen. Doch bleiben Zinsscheine (s. Coupons), welche für eine Schuldverschreibung auf den Inhaber ausgegeben sind, nach der im Verkehr herrschenden Ansicht und jetzt nach Deutschem Bürgerl. Gesetzbuch §. 803 in Kraft, auch wenn die Hauptforderung erloschen oder die Verpflichtung zur Verzinsung aufgehoben oder geändert ist, es sei denn, daß in den Zinsscheinen das Gegenteil bestimmt ist. Der Aussteller ist nur berechtigt, den Betrag der nicht mit zurückgegebenen Zinsscheine vom Kapital abzuziehen, wenn er dieses tilgt. Noch in einem andern Sinne waren nach früherer Ansicht gesetzliche Z., insonderheit Verzugszinsen, von der Hauptforderung abhängig. Sie konnten nicht ohne die Hauptforderung eingeklagt werden. Heute ist dies allgemein möglich. Wenn ferner der Gläubiger das Kapital, in Kenntnis davon, daß Z. dieser Art verschuldet werden, ohne Vorbehalt annimmt, kann er keine Z. mehr nachfordern. Wird eine zur Deckung von Kapital und Z. nicht ausreichende Zahlung gemacht, so ist dieselbe zunächst auf die Z. anzurechnen (§. 367). Die gemeinrechtliche Bestimmung, daß rückständige Z. den Betrag des Kapitals nicht übersteigen dürfen, ist meist beseitigt, für Handelsgeschäfte durch Handelsgesetzb. von 1861, Art. 293, allgemein vom 1. Jan. 1900 an durch Bürgerl. Gesetzb. §. 248 in Zusammenhalt mit Einführungsgesetz hierzu Art. 55. Überdies gilt nach neuerm Recht für Z. eine kürzere Verjährungsfrist, nach Bürgerl. Gesetzbuch §. 197: 4 Jahre. (S. auch Anatocismus.)

Mit dem Steigen der Kultur pflegt der Zinsfuß zu sinken, was vor allem darauf zurückzuführen ist, daß das Kapital sich noch rascher vermehrt als die Verwendungsgelegenheiten. Das hat sich insbesondere auch in der neuesten Zeit gezeigt, und das Sinken des Zinsfußes gehört in der Gegenwart zu den beachtenswertesten und viel besprochenen, wenngleich verschieden beurteilten Erscheinungen, indem damit eine belangreiche Verschiebung in den Einkommensverhältnissen verbunden ist, eine Entlastung der Schuldner, namentlich auch der öffentlichen Körperschaften (durch die Möglichkeit von Konversionen in älterer Zeit eingegangener Schuldverbindlichkeiten u. s. w.), eine Erschwerung des Rentnerlebens, des Versicherungswesens u. s. w. eintritt. Innerhalb desselben volkswirtschaftlichen Gebietes besteht die Tendenz zur Ausgleichung des Zinsfußes für die verschiedenartigen Kapitalanlageplätze, was durch Abströmen von Kapital von den minder einträglichen zu den einträglichern bewirkt wird. Übrigens giebt auch heute noch die Theorie über den Zins in der Nationalökonomie zu Streitfragen verschiedenster Art Anlaß, wie denn von socialistischer Seite die Berechtigung des Zinses überhaupt entschieden in Abrede gestellt wird. – Vgl. Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins (2 Bde., Innsbr. 1884‒89) und Artikel Zins im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 6 (Jena 1894); ’Aulnis de Bourouill, Der Zinsfuß. Die Ursachen seines Sinkens und seine nächste Zukunft, in den «Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik», Bd. 52 (Jena 1889); Neurath, Das Sinken des Zinsfußes (Wien 1893).

Zinsenversicherung, ein Zweig der Hypothekenversicherung (s. d.), besteht darin, daß dem Gläubiger gegen Entrichtung einer Prämie der richtige Eingang seiner Zinsen gesichert wird. Doch findet die Z. nur im Hypothekarkredit Anwendung.

Zinseszins, Zinsen, die entstehen, wenn die (jährlich) fälligen Zinsen zum Kapital hinzugefügt und mit diesem zusammen zinsbar angelegt werden. Ein so verzinstes Kapital würde sich bei 5 Proz. in 14⅕ Jahren verdoppeln, in 22½ Jahren verdreifachen u. s. w. Die Tabelle auf der folgenden Seite soll dieses Wachsen für ein Kapital von 100 M. veranschaulichen. Hiernach werden 100 M. zu 4½ Proz. nach 9 Jahren 148,61 M. betragen u. s. w. Die allgemeine Formel lautet, wenn c das Anlagekapital,