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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Aushebung - Auslieferung
vorröm.Zeit aufgedeckt worden. In einem Moor bei
Gundestrup (gleichfalls in Iütland) wurde ein fehr
merkwürdiges und kostbares, 42 cm hohes und 71 cm
weites Silbergefäß gefunden, reich gefchmückt mit
figürlichen Darstellungen im gallo - röm. Kunststil,
etwa aus dem 1. Jahrh. n. Chr.
In Schweden haben neuerdings vollzogene A.
gezeigt, daß auch dort in den Bronzealterhügeln
die Toten in der Regel in Baumfärgen bestattet
wurden, von denen sich indessen nur fpärliche Reste
erhalten haben. Zwischen Malmö und Trelle-
borg wurde aus einem Grabhügel der Bronze-
zeit eine gelb und schwarz bemalte Hausurne ge-
hoben. Bei Tune in Uppland wurden Skelett-
gräber aus dem 7. bis 11. Jahrh, aufgedeckt, welche
die Gräber von Wendel und Björkö ergänzen. Die
reich geschmückten Leichen sind in einem Boot be-
stattet worden. Daneben und zum Teil in dem
Boot lagen Tierskelette: 1-3 Pferde mit kostbarem
Geschirr, Hund, Schwein, Schaf, Rind. Besonderes
Interesse erregen schöne Helme, an denen Metall-
platten mit figürlichen Darstellungen in getriebener
Arbeit angebracht sind. Man hofft einige derselben
restaurieren zu können.
In Norwegen mehren sich die bis vor kurzem
dort noch nicht zu Tage gekommenen Gräber aus
dem Stein- und Bronzealter.
Aushebung (militär.), s. Ersatzwesen.
Ausleger (engl. outi-i^er) oder richtiger Aus-
lieger, die Balken oder Gewichte, die auf Segel-
booten an der Luvseite als Gegengewicht gegen das
Kenternder Boote beim Segeln hinausgeschoben wer-
den. Die Malaien und Südseeinsulaner haben auf
vielen ihrerSegelbooteA.,die bis zu etwa10mvonder
Bordwand abstehen und mit dem Boote durch Quer-
latten und Stangen verbunden sind. Bei starkem
Winddruck von der Seite setzen sich zur Gewichts-
vermehrung Leute auf die Ä. Auch eine Art der
Rennboote heißt A. <s. Ruderfport, Bd. 13).
Auslegerbrütken, s. Brücke.
* Auslieferung. Belgien, England, die Nieder-
lande, Luremburg, die Nordamerikanische Union,
Canada, Argentinien und zuletzt (22. Jan. 1892)
in umfassender Weise die Schweiz haben das Aus-
lieferungswesen durch eigene Gesetze geregelt. Im
Deutschen Reichstag wurde ein Antrag Bar und
Genossen auf Schaffung eines Auslieferungsgesetzes
1873 abgelehnt. Eine völkerrechtliche Auslieferungs-
pflicht besteht trotz Auslieferungsgefetzen nur auf
Grund von Auslieferungsverträgen oder als Aus-
fluh des Rechts auf internationalen Verkebr, wenn
der ersuchte Staat selbst für einen gleichen oder
ähnlichen Fall die A. als Rechtspflicht beansprucht
hat (letzteres übrigens bestritten, aber geübt z. B.
im Verhältnis zwischen Deutschland und Osterreich
einer- und Dänemark andererseits). Voraussetzung
der Auslieferungspflicht ist kraft des völkerrecht-
lichen Anspruchs auf gegenseitige Achtung, also aus
polit. Gründen, Reciprocität. Hat ein Staat Aus-
lieferungsverträge geschlossen, so hat er wohl das
Recht, aber nicht die Pflicht, auch aus andern als
vertragsmäßigen Gründen auszuliefern, also z. B.
wegen polit. Delikte. Auch ohne Auslieferungs-
vertrag besteht keine Auslieferungspflicht für polit.
Delikte, Duell, Religionsdelikte, fiskalische, militär.
und Amtsdelikte und Widerstand gegen Beamte
wegen der in diesen Beziehungen staatlich verschie-
denen Anschauungen, ebenso nicht hinsichtlich eigener
Unterthanen und nicht, wenn die Handlung nicht
auch nach dem Recht des ersuchten Staates als straf-
rechtswidrig gilt. Stillschweigende Schranke jeder
A. ist, daß der Staat, dem ausgeliefert wird, die
ausgelieferte Perfon nicht wegen der gleichen That
und nicht fofort weiter ausliefern darf; ferner daß
gegen den Ausgelieferten Verfolgung nur wegen
der Thaten zulässig ist, wegen deren die A. bewilligt
wurde. Wird der Ausgelieferte außer Verfolgung
gesetzt oder freigesprochen, so ist ihm eine Gunstfrist
zum Verlassen des Staatsgebietes zu erteilen. Denn
es besteht die völkerrechtliche Verpflichtung, die Vor-
aussetzungen wieder zu schaffen, durch welche das
unnötig beendigte Asylrecht des fremden Staa-
tes wiederhergestellt werden kann. Das in Frage
stehende Individuum ist während der Gunstsrist
unverletzlich. Durch diesen Grundsatz der Spe-
cialität der A. wird verhindert, daß indirekt eine
Verfolgung wegen polit. Delikte erreicht werden
kann. Auslieferungsverträge gehen Auslieferungs-
gefetzen vor. Andererseits ist die A. seitens eines
Staates, dessen Staatsrecht A. außer auf Grund
eines Auslieferungsvertrages verbietet, wie dies in
Griechenland der Fall ist, das nur einen Ausliefe-
rungsvertrag mit Italien (1877) abgefchlossen hat,
völkerrechtlich, d. h. nach außen hin, gültig. Die
ausliefernde Behörde trägt nur nach innen die
Verantwortlichkeit wegen Verletzung des einheimi-
schen Rechts. Also wäre z. B. 1895 eine A. des
wegen schwerer Urkundenfälschung verfolgten Frei-
herrn von Hammerstein an die deutsche Regierung
seitens Griechenlands völkerrechtlich unanfechtbar
gewesen. Dadurch, daß für gewisse Delikte (z. B.
politische) keine völkerrechtliche Auslieferungspflicht
besteht oder daß staatsrechtlich das Verbot von A.
besteht, folgt keine Afyl Pflicht, sondern nur ein Asyl-
recht (s. Asyl). Der Aufenthaltsstaat hat trotzdem
das Recht, nur nicht die Pflicht, auszuliefern; das
betreffende Individuum kann ferner polizeilich inter-
niert wie ausgewiefen werden, letzteres sogar mit
Vorschreiben einer Zwangsroute (bestimmte Reise-
richtung), um einem andern Staat die Verhaftung
zu erleichtern.
Das D eu tsch eR eich hat Auslieferungsverträge
abgefchlossen mit Italien (1871), Großbritannien
(1872 und für die deutschen Schutzgebiete 1894),
der Schweiz (1874; dazu Durchlieferungsvertrag
von 1873), Belgien (1874), Luremburg (1876),
Brasilien (1877), Schweden und Norwegen (1878),
Spanien (1878), Uruguay (1880), Kongostaat (1890,
nur für die deutschen Schutzgebiete in Afrika).
Außerdem bestehen Einzelbestimmungen (z. B. Nicht-
auslieferung eigener Unterthanen) in Konsular- und
Freundschaftsvertrügen (Costa-Rica 1875, Mexiko
1882, Korea 1883). Neuerdings wird bis zum
Abschluß eines besondern Auslieferungsvertrages'
in solchen Verträgen unter Voraussetzung der Gegen-
seitigkeit auch für A. Meistbegünstigung verembaN,
d. h. versprochen, dem ersuchenden Teil dieselben
Rechte einzuräumen, welche der ersuchte Staat der
meistbegünstigten Nation in Bezug auf A. gewährt
hat oder gewähren wird (Serbien 1883, Südafrika-
nische Republik 1885, Columbia 1892). Gegenüber
Österreich wird noch der Bundesbeschluß vom
26. Jan. 1854 befolgt, obwohl dessen Gültigkeit be-
stritten wird. Seine Bestimmungen wurden seiner
Zeit von den deutschen Staaten durch besondere
Vereinbarung auch auf ihre nicht zum Deutschen
Bunde gehörigen Gebiete ausgedehnt. Ungarn er-
kennt ihn nicht mehr an. Wegen Finanzdelikte gilt