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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eheschließung
keitserklärung ihrer frühern Ehe eine neue eingehen,
wenn sie inzwischen geboren hat (§. 1313). 8) Der
Ansspruch des Standesbeamten bei der E. soll nicht
mehr lauten, dah er sie nunmehr kraft des Gesetzes
für rechtmäßig verbundene Eheleute erlläre, sondern
daß sie kraft dieses Gesetzes nunmehr rechtmäßig
verbundene Ehelcute seien (§. 1318). Diese Ände-
rung entspricht ebenso wie die Überschrift des ganzen
von der Ehe handelnden Abschnittes ("Bürgerliche
Ehe") einem Antrag des Centrums. Es kommt da-
durch zum deutlichen Ausdruck, daß die Verlobten
infolge der E. vor dem Standesbeamten nur nach
weltlichem (staatlichem) Gesetz, aber nicht notwendig
auch für das kirchliche Recht Eheleute sind, dah alfo
die Civilehe kirchliche Wirkungen nicht hat. 9) Eine
Ehe ist nichtig, d.h. sie gilt als nicht geschlossen
a. bei Nichtbeachtung der gesetzlichen wesentlichen
Förmlichkeiten der E., und zwar ohne weiteres, wenn
die Ehe nicht in das Heiratsregister eingetragen
ist, andernfalls nur auf Nichtigkeitsklage hin; als
wesentliche Förmlichkeit gilt, daß die Verlobten vor
einem Standesbeamten, und zwar persönlich und
bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe mit-
einander eingehen zu wollen, dah der Standes-
beamte zur Entgegennahme der Erklärung bereit ist
und daß die Erklärung nicht unter Bedingung oder
Zeitbestimmung abgegeben wird. Dabei gilt als
Standesbeamter auch, wer, ohne es zu sein, das
Amt eines solchen öffentlich ausübt (solche Fülle
kommen mehrfach vor), es sei denn, daß die Verlob-
ten den Mangel der amtlichen Befugnis bei der E.
kannten (§. 1319); trotz Formmangels ist die Ehe
auch dann als von Anfang an gültig anzusehen,
wenn die Ehe in das Heiratsregister eingetragen ist
und die Ehegatten nach der E. 10 Jahre oder, falls
einer von ihnen vorher gestorben lst, bis zu dessen
Tode, jedoch mindestens drei Jahre als Ehegatten
miteinander lebten; d. bei Geschäftsunfähigkeit, Be-
wußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der
Geistesthätigkeit eines Ehegatten zur Zeit der E.
(§. 1325), die Ehe würde denn nachher von ihm be-
stätigt; c. bei Verstoß gegen das Eheverbot der
Doppelehe, der Verwandtschaft und Schwägerschaft
und gegen das Verbot wegen Ehebruchs (§§. 1326
-1328). Bei d. und c. kann die Nichtigkeit nur im
Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden.
10) Die Ehe ist anfechtbar, d.h. die Ehe wird bis
zur erfolgten Anfechtung als gültig behandelt, ist
aber nach erfolgter Anfechtung als von Anfang an
nichtig anzusehen (8-1343) wegen Mangels der er-
forderlichen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters,
wegen des auf Irrtum beruhenden Mangels der
Übereinstimmung des wirklichen Willens mit dem
erklärten, wegen Irrtums über die Perfon oder über
solche persönliche Eigenschaften des andern Teils,
welche bei Kenntnis der Sachlage und bei verstün-
diger Würdigung des Wesens der Ehe von der E.
abgehalten haben würden, bei gleichartiger arglisti-
ger Täuschung (außer über Vermögensverhältnisse),
wegen Drohung und wegen Irrtums über das Leben
des für tot erklärten Ehegatten M. 1331 - 1335,
1350). Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn die Ehe
nachträglich vom Ehegatten bestätigt oder vom ge-
ietzlichen Vertreter genehmigt wird, oder wenn die
für die Anfechtung bestimmte Frist (fechs Monate)
verstrichen ist (tztz. 1337,1339 und 1350). Im all-
gemeinen liegt der Unterscheidung von nichtiger
und anfechtbarer Ehe der Gedanke zu Grunde: Nich-
tigkeit tritt ein, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe
mit dem Wesen der Ehe und der öffentlichen Ord-
nung nicht vereinbar wäre, Anfechtbarkeit, wenn ein
Mangel in Frage steht, bei dem wesentlich das
Interesse des verletzten Eheteils darüber entscheiden
muß, ob die Ehe bestehen bleiben soll oder nicht.
11) Das neue Eherecht wird auch in Helgoland in
Kraft treten, wo das Personenstandsgesetz vom
6. Febr. 1875 nicht gilt. Es entfällt damit die er-
leichterte Form der E., die dort zulässig ist und vor
allem darin besteht, daß das Aufgebot für Fremde
nicht an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte er-
folgen muß, sondern in Helgoland erfolgen kann.
Den in Romanen noch mehr als in Wirklichkeit be-
nutzten "Helgoländer Ehen" ist damit der recht-
liche Boden entzogen; denn alles fpricht eher da-
gegen als dafür, daß im 1.1900 noch die Helgo-
länder Ehen in Rücksicht darauf aufrecht erhalten
werden, daß in dem deutsch-cngl. Abtretungsvertrag
vom 1. Juli 1890 vereinbart ist: "Jetzt bestehende
Gesetze und Gebräuche bleiben soviel als möglich
unverändert." Das Einführungsgesetz zum Bürgert.
Gesetzbuch enthält wenigstens keinen Vorbehalt.
Die Eheschliehungsform des Bürgert. Gesetzbuchs
gilt, wie die des Personenstandsgesetzes bisher, für
alle im deutfchen Reichsgebiet aefchlossenen Ehen
(H. 1320), also auch für die von Ausländern da-
selbst eingegangenen, foweit nicht, wie in den Han-
delsverträgen mit Costa-Rica (18. Mai 1875) und
Salvador (13. Juni 1870) vereinbart ist, daß die
Ehe des Ausländers auch gültig sein soll, wenn sie
nach den Gesetzen seiner Heimat abgeschlossen ist,
oder, wie es mit Brasilien (10. Jan. 1882), Para-
guay (21. Juli 1887) und mit Italien (4. Mai 1891)
geschehen, daß die beiderseitigen Konsuln befugt
fein sollen, E. zwischen Angehörigen ihres Landes
in dem andern Lande vorzunehmen. Für die E.
Deutscher im Ausland gilt der Satz, daß für
die Eheschließungsform zwar die Beobachtung der
Gesetze des Ortes genügt, wo die E. vorgenommen
wird ("I00U8 i-LZir kcwin"), aber im übrigen (be-
züglich der Ehevoraussetzungen) die Eingehung der
Ehe, sofern auch nur einer der Verlobten ein Deut-
fcher ist, in Anfehung eines jeden der Verlobten nacb
den Gesetzen des Staates beurteilt wird, dem er an-
gehört (Einführungsgefetz zum Bürgert. Gesetzb.
Art. 11 und 13). Üm den Deutschen im Ausland
mühelose Garantie zu geben, dah ihre dort ab-
geschlossenen Ehen in Deutschland als solche in jeder
Richtung anerkannt werden, hat das Deutsche Reich
schon durch Gesetz vom 4. Mai 1870 Vorsorge ge-
troffen, daß vor Beamten des deutfchen diplomat.
oder konsularischen Dienstes in fremden Ländern von
Deutschen E. vorgenommen werden können. Vor-
aussetzung für ihre Thätigkeit ist selbstverständlich,
daß der auswärtige Staat die Vornahme von E.
durch fremdstaatliche Beamte überhaupt gestattet;
dies wird vorher durch völkerrechtlichen Vertrag
(Konfularvertrag) festgestellt. Aber auch dann find
die deutfchen diplomat. oder konfularischen Be-
amten im Ausland nicht sofort berechtigt, E. vorzu-
nehmen, sondern erst dann, wenn ihnen eine beson-
dere Ermächtigung hierzu durch den Reichskanzler
erteilt wird. Durch E. vor dem heimatlichen Be-
amten ist die Rechtsgültigkeit der Ehe nicht nur nach
deutschem Recht, sondern auch für das betreffende
Ausland gesichert. Für Ehchindernissc, Fonn der E.,
Eintrag ins Heiratsregister gelten analog die für das
deutsche Inland geltenden Bestimmungen; das Ein-
führungsgesetz zum Bürgert. Gesetzb. Art. 40 hat