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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fahrscheinbücher - Fälschung
einer geringen Selbstversicherung (3 M.) der volle
Schaden, bei Totalschäden also derjenige Wert er-
setzt, den das Rad zur Zeit des Unfalls hatte. Von
der Vergütung sind jedoch ausgeschlossen die Schä-
den, die der Versicherte durch Mutwillen oder offen-
bare Trunkenheit herbeigeführt hat oder welche wäh-
rend eines Krieges oder einer militär. Übung durch
militärische, auf Anordnung eines Befehlshabers
getroffene Maßregeln entstehen; ferner wird kein Er-
satz geleistet, wenn der Versicherte die für den Ver-
kehr der Fahrräder bestehenden Gesetze und Polizei-
vorschriften nicht beachtet. Die Versicherung erstreckt
sich nur auf das Fahrrad und nicht auch auf Zu-
behörteile, wie Glocken, Laternen, Gepäcktaschen
u. s. w. Bei der Versicherung gegen Fahrrad -
dieb stahl wird gegen eine jährliche Prämie von
1^/2 bis 2 Proz. der Versicherungssumme der Scha-
den vergütet, den der Versicherte durch Diebstahl an
dem versicherten Rade erleidet, gleichviel, wo sich
dasselbe zur Zeit des Diebstahls innerhalb der
Grenzen Europas befindet. Auch hier sind von der
Vergütung die genannten Zubehörteile und die
Schäden ausgeschlossen, welche während eines Krie-
ges durch militärische, auf Anordnung eines Befehls-
habers getroffene Maßregeln entstanden oder die
Folge eines Aufruhrs oder Landfricdensbruches sind.
Der Versicherte darf das Nad außerhalb eines Ge-
bäudes, in welchem er sich zeitweise aufhält, ohne
Aufsicht stehen lassen, ist aber gebeten, bei längerm
Aufenthalte die Unterstellung in den Hausflur oder
einen andern Raum des betreffenden Grundstücks
möglichst zu bewerkstelligen. Eine Gesellschaft schließt
in diese Versicherung gegen Diebstahl auch die Ver-
sicherung desRades gegen Feuersgefahr unter
den gleichen Bedingungen und ohne Prämien-
erhöhung mit ein. Bei Versicherung ganzer Vereine
(Kollektivversicherung) werden besondere Vergünsti-
gungen gewährt. Die Fahrradvcrsicherungsgesell-
i'chaften sind auf Gegenseitigkeit (mit Nachschusiver-
pflicbtung) errichtet, weil infolge mangelnder Echa-
denstatistik die Normierung einer steststehenden Prä-
mie nicht möglich war.
Fahrscheinbücher, s. Couponbücher.
*Faißt, Immanuel, starb 5. Juni 1894 in
Stuttgart.
Fattis, handelsübliche Bezeichnung für Kau-
tschuksurrogate, die durch Behandlung von trock-
nenden Älen mit Chlorschwefel gewonnen werden.
* Falke, Jak., Ritter von, starb 9. Juni 1897 in
Lovrana bei Abbazia.
*Falkenhayn, Julius, Graf von, behielt sein
Portefeuille als Ackerbauminister auch bei der Neu-
bildung des Ministeriums unter Windisch-Grätz im
Nov. 1893, trat aber mit diesem im Juni 1895 zurück.
* Fälschung. Ein weites Feld für ^'. bietet die
Litteratur und die Kunst, jene schon im griech.
Altertum, und zwar wurde hier die Lust am Fäl-
schen hauptfächlich hervorgerufen durch den Wett-
eifer der ügypt. und der pergamenischen Könige, ihre
Bibliotheken um möglichst viel Originalien zu be-
reichern. Diesem Bestreben verdanken z. B. zahl-
reiche Briefe berühmter Männer (Dichter, Philo-
sophen, Redner, Feldherren u. a.) ihren Ursprung.
Nicht immer war Gewinnsucht das Motiv; auch die
Religion spielt (z. B. bei den sog. Sibyllinischen Ora-
keln und schon in früherer Zeit bei den "Schriften"
des Mysteriensä'ngers Orpheus und ähnlichen Wer-
ken, in Rom bei den "heiligen Büchern" des Königs
Numa Pompilius, später in der Korrespondenz
zwischen dem Philosophen Seneca und dem Apostel
Paulus) eine Rolle. Das großartigste Beispiel
einer aus pseudo-religiösen Motiven hervorgegan-
genen F. ist neben den pseudoisidorischen De-
kretalen (s. Pseudoisidor, Bd. 13) die (von keinem
Kritiker mehr anerkannte) Urkunde, durch welche
Kaiser Konstantin dem päpstl. Stuhle die ?rovin-
cia. HomanH samt den Inseln Corsica und Sardi-
nien geschenkt haben soll. (S. Ilonatio ()0u8wntini,
Bd. 5.) Ein merkwürdiges Beispiel (weil man nicht
weiß, ob die Absicht zu fälschen oder nur eine un-
schuldige Schulübung zu Grunde liegt) liefern die sog.
"Briefe des Phalaris" (s. Phalaris, Bd. 13). Schon
im Altertum wurden polit. Flugschriften gefälscht,
d. h. von ihrem Pseudonymen Verfasser mit dem
Autornamen eines persönlichen oder polit. Feindes,
um diesen zu diskreditieren, von Stapel gelassen. Es
ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob die wirkliche
Absicht zu täuschen oder nur eine bloße schulmähige,
rhetorische Übung vorliegt, z. B. in dem Pamphlet
des Sallust gegen Cicero und der Antwort Ciceros
auf dasselbe, in der Anklageschrift gegen Milo, dem
Seitenstück zu Ciceros berühmter Verteidigungs-
rede, in den dem Horaz schon frühzeitig zugeschrie-
benen Elegien, in den sog. Anakreoutea, d. h. Tände-
leien in Anakreons Manier, in einzelnen der sog.
heroioenbriefe des Ovidius. Kaum zu bezweifeln ist
die Absicht des Fülschens in dem Lehrgedicht des
Pseudo-Phokylides, in den Elegien und Epigram-
men des sog. Cornelius Gallus, in den "Supple-
menten" des Petronius aus einem Belgrader Coder,
indem "Curiosum" des P. Victor (Festus Rufus)
und in zahlreichen Citaten des Mythographen Ful-
gentius Planciades.
In dieser Beziehung haben auch die sog. Huma-
nisten manches auf dem Gewissen. Sigonius hat die
verloren gegangene Schrift Ciceros "1)6 001130!^-
tionk" wiederhergestellt, d. b. in prächtigem Latein
und echt ciceronianifchem Geiste verfaßt. Wollte er
seine Zeitgenossen und die Nachwelt betrügen oder
ist nicht vielmehr bei ibm wie bei manchem dieser
begeisterten Wiederhersteller des Altertums bloße
naive Nachahmungslust anzunehmen? Ein anderer
Humanist wagte sich an die (teilweise) Restitution des
altröm. "Reichsanzcigers" <"^cta äiurua, popnli
Roniani"); ein dritter "fand", d.h. erfand zahlreiche
neue Fragmente des Ennius; ein vierter, Pirro Li-
gorrio, hat unter seinen nicht weniger als -10 Bänden
Manuskript ein Inschriftenmaterial sondergleichen
hinterlassen, dessen Originalien niemand gesehen hat;
ebensowenig hat jemand die alten verschollenen
Schriftsteller griech. und lat. Zunge, welche der Viter-
benfer Giovanni Nanni in sein Werk aufgenommen
hat, zu Gesicht bekommen. Viel feiner, aber um nichts
glaubwürdiger, hat der elegante Pomponio Leto, wo
es ihm gerade paßte, falsche Inschriften und Bruch-
stücke in fein Werk verwoben, während der Abt
Tritheim (s.d., Bd. 15) die Chronisten Mcginfrid und
Hunibald erfand. Aus dem 17. Jahrh, sind mehr als
nur verdächtig verschiedene Veröffentlichungen des
Philologen Kafp. Barth (z. B. sein V63triew8 8pu-
i-WnÄ). Im vorigen Jahrhundert hat der AlM und
Akademiker Fourmont seine Inschriftensammlung
massenhaft gefälscht, und in neuerer Zeit hat der be-
rühmte Franz Lenormant durch Inschriftenfälfchung
feinem Andenken ein Brandmal aufgedrückt.
Eine der merkwürdigsten F. in unferm Jahrhundert
war die Wagenfelds aus Bremen, der das Werk
des altphömz. Historikers Sanchuniathon (s. d.,