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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Finland
Bd. 5) auf die finanziellen Verhältnisse sowohl des
Reichs als der Einzelstaaten zu beseitigen. Das
Reich war, da ihm nachher neue ergiebige Steuer-
quellen nicht bewilligt wurden, auf Anlehen und
Erhöhung der Matrikularbeiträge angewiesen und
so von mancher notwendigen Ausgabe abgehalten.
Eine der notwendigsten Aufgaben, die unterblieb,
war die Inangriffnahme der Tilgung der Reichs-
schulden, die sich zum Teil infolge der Überweisungen,
also infolge der Franckcnsteinschcn Klausel, fortwäh-
rend mehrten. Gerade diese Folge der Franckenstein-
schen Klausel hat erheblich dazu beigetragen, ihre
bisherige weitverbreitete Wertschätzung nicht wenig
herabzumindern, und sie führte 1896 anläßlich der
Etatsberatung auf Antrag des Centrumsführers
Lieber zu dem Neichsgefctz vom 16. April 1896, wo-
nach von dem Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer
im I. 1895/96 behufs Verminderung der Reichs-
schuld dem Reich nicht bloß wie bisher 130, sondern
143 Mill. M. verbleiben und, wenn auch im I.
1896 97 die Überweisungen, und zwar nickt bloß die
aus Zollen und aus der Tabaksteuer, die Matrikular-
beitrage übersteigen, die .Hälfte des Überschusses zu
gleichem Zweck verwendet werden soll.
Der schädigende Einfluß der Franckensteinschen
>tlauset auf die Finanzverwaltung der Einzelstaaten
wird durch die erheblichen Schwankungen der Über-
weisungen verursacht. Diese gingen in ihrer reinen
Form, d. h. nach Abzug der zu leistenden Matriku-
lärbeiträge, z. V. von 1887/88 bis 1889 90 von 5,3
auf 139,7 Mill. M. hinauf, um sich von da bis
1893/94 auf -20,8 Mill. M., d. h. auf einen Über-
schuß der Matrikularbeitrage über die Überweisungen
zu mindern. Diese Schwankungen, die noch durch
die oft notwendigen Abänderungen der im Etat für
Überweisungen und Matrikularbeiträge veranschlag-
ten Beträge durch Nachtragsetats und durch die
vom Voranschlag abweichenden Ergebnisse der Zölle
und Überwcisnngssteuern vielfach gesteigert werden,
machen den Einzelstaaten eine ruhige geordnete Auf-
stellunH und Durchführung ihrer Etats unmöglich.
Jede Schwankung im Rcichshaushalt bringt auch
im Landeshaushalt Schwankungen hervor; insbe-
sondere besteht immer die Gefahr, daß einmal plötz-
lich die Matrikularbeiträge höher find als die Über-
weisungen. Der Grundgedanke der vorzüglich vom
preuft. Finanzminister Miquel betriebenen Reichs-
finanzreform, der seinen Ausdruck fand in den zwei
Vorlagen des Bundesrats an den Reichstag in den
Sitzungsperioden 1893/94 und 1894 95, ging deshalb
dahin, die Budgets der Einzelstaaten von diesen
Schwankungen zu befreien. Dies wurde in der Form
zu erreichen vorgeschlagen, daß die für jedes Reichs-
etatvjahr veranschlagten Beträge an Überweisungen
und Matrikularbeiträgcn für feste, d. h. unabänder-
liche erklärt und so ein bestimmtes Vcrdältnis zwi-
schen Überweisungen und Matrikularbciträgen her-
gestellt würde. Nach dem ersten Entwurf sollten die
Matrikularbeiträge immer um den festen Satz von
40 Mill. hinter den veranschlagten Überweisungen
zurückbleiben, nach dem zweiten Entwurf ebenso hoch
sein wie die veranschlagten Überweisungen, Matri-
kularbeiträge und Überweisungen sich also ausglei-
chen. Selbstverständlich mußte weiter für den Fall
Vorsorge getroffen werden, daß die veranschlagten
Matrikulall'l'itn'ige nicht zur Deckung der Rcichs-
ausgaben ausreichten. Zu diesem Zwecke waren zwei
Mittel vorgesehen, einmal die Ansammlung eines
Ausgleichungsfonds aus den sich etwa ergeben-
den Überschüssen einzelner Rechnungsjahre, der zur
Begleichung etwaiger rechnungsmüßiger Fehlbeträge
späterer Iabre und, sofern er über den zur Erfüllung
dieses Zweckes voraussichtlich hinreichenden Betrag
von 40 Mill. anwachsen würde, zur Tilgung der
Neichsschuld verwendet werden sollte, und dann, so-
fern dieser Fonds nicht ausreichen oder aufgebraucht
sein würde oder es sich nicht um Deckung rechnungs-
mäßiger, sondern etatsmüßiger Fehlbeträge, also um
Bilanzierung des Voranschlags, nicht der Rechnung
eines abgelaufenen Jahres handeln sollte, die Mög-
lichkeit der Erbebung von Zuschlägen auf die Reichs-
stempel- und Verbrauchsabgaben zur Deckung eines
Fehlbetrags für fortdauernde Ausgaben und ein-
malige Ausgaben des ordentlichen Etats. Es würden
dadurch dem Reiche eigene Einnahmen verschafft, das
umtausche Princip gefördert, das Reich finanziell
selbständiger gemacht, zugleich aber auch eine eigene
finanzielle Verantwortlichkeit des Reichs für seine
Aufgaben und Auegaben hergestellt, indem auf diese
Weise das in dem System der Matrikularbeiträge
liegende Princip, andere für Aufbringung der Mittel
für die Rcicksausgaben lorgen zu lafsen, geschwächt
und so ein wesentliches Hindernis einer planmäßi-
gen und sparsamen Reichsfinanzwirtschaft beseitigt
würde. Bisher war der Reichstag für diese Pläne
nicht zu gewinnen. Es wird dies erst dann der Fall
sein, wenn die Matrikularbeiträge einmal dauernd
die Überweisungen übersteigen werden, was um so
eher eintreten wird, je länger sich der Reichstag der
Erhebung neuer Steuern widersetzt. Dies muh eine
fortwährende Steigerung der Matrikularbeiträge zur
Folge baben. Betrugen die Matrikularbeiträge sür
1879/80: 89,44" Mill.M., so stiegen sie 1891 92 auf
326,734,1894/95 auf 397,490, 1895/96 auf 396 und
1896/97 auf 413,149 Mill.M. (1896/97: 387,472
Mill. M. Überweisungen). - Vgl. Kittel. Die
Franckcnsteinsche Klausel und die deutsche F. (Würzb.
1894); Preuß, Reichs- und Landesfinanzen (in den
"Volkswirtschaftlichen Zeitfragen", Heft 121 u. 122,
Verl. 1894,-, Laband, Die Wandlungen der Deut-
schen Rcichsverfassung (Tresd. 1895).
*Finland hatte 1594: 2483249 E. In Amerika
leben 60000 Finnen, und die Auswanderung dabin
betrügt in den letzten Jahren durchschnittlich jährlich
5000 (1891-94: 21986). Die Fabrikindustrie be-
schäftigte 1893: 55 926 Arbeiter, 591 Dampfmaschi-
nen zu 15276 Pferdestärken und lieferte Erzeugnisse
im Werte von 159 Mill. sinn. Mark. Die Einfuhr
ergab 1892: 145,3,1893: 126,2,1894: 138,7,1895:
150,3, die Ausfuhr 93,7, 114,8,136 und 141,2 Mill.
sinn. Mark. In der Ausfuhr ist die Butter (1894)
auf 13,34 Mill. kx gestiegen. Die Handelsflotte um-
faßte 1894: 1900 Schiffe mit 259025 t, davon sind
188 Dampfer mit 25 359 t und 1712 Segelschiffe
mit 233 666 t. In den Häfen F.s liefen ein 9584
beladcne Schiffe mit 1,68 Mill. t, und aus 12 741
Schiffe mit 2,49 Mill. t Gütern. Das Budget sür
1895 beträgt 67 635174 sinn. Mark, darunter in der
Einnabme ein Überschuß für 1894 von 4,39 MUl.
sinn. Mark und eine Staatsanleihe von 17,55 MiU.
sinn. Mark, in der Ausgabe ein Überschuß für 1896
von 13,92 Mill. sinn. Mark. Die Staatsschuld be-
trug 1. Jan. 1895: 73180430 sinn. Mark.
Geschichte. Mit den Jahren 1890-92 schienen
die Russisizicrungsbestrebungen in F. ihren Höhe-
punkt erreicht zu haben; darauf trat eine für F. vor-
teilhaftere Wendung der Verhältnisse ein. Die Ein-
mütigkeit, mit der alle Stände und Parteien den