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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mikroskopische Technik
dem Pflanzen- und Tierreich, weil hier alle aus dem
Zusammenhang des Ganzen herausgerissenen Teile
bald absterben, also zu einem Studium ihres nor-
malen Baues nicht mehr geeignet sind. Hier mutz
die M. T. darauf hinarbeiten, die Objekte für die
Dauer der Untersuchung vor Veränderungen zu
schützen, und sie thut dies auf verschiedene Weise.
Handelt es sich um direkt dem lebendigen Organis-
mus (dem Tiere oder der Pflanze) entnommene, sog.
frische Präparate, dann werden diese in Flüssigkeiten
untersucht, welche in ihrer Zusammensetzung den-
jenigen so gut als möglich nachgebildet sind, die
normalerweise die betreffenden Teile durchtränken
oder umgeben (indifferente Zusatzflüssigkeiten; bei
Pflanzenteilen meist Wasser, bei tierischen Geweben
Fruchtwasser, Augenflüssigkeit, Blutserum oder sog.
physiol., d. h. 0,?5prozentige, Kochsalzlösung). In
diesen Flüssigkeiten halten sich die Organteile wenig-
stens für einige Zeit nahezu unverändert: ihre ein-
zelnen Bestandteile können studiert werden, weniger
aber der gegenseitige Zusammenhang und die Be-
ziehungen dieser Bestandteile zueinander; diese sind
bei der Herausnahme des Objektes aus dem Körper
und der Anfertigung des Präparates meistens er-
heblich gestört worden. Handelt es sich daher um die
Untersuchung der gegenseitigen Lagebeziehungen der
Elemente des Tier- und Pflanzenkörpers, dann muß
ein anderes Verfahren angewendet werden.
Man bedient sich hier der Schnittmethode.
Mit Hilfe dieser Methode werden aus Teilen des
Tier- oder Pflanzenkörpcrs sehr feine Scheibchen
(Schnitte) nach beliebigen Richtungen ausgeschnit-
ten oder ganze Teile des Körpers in eine einzige fort-
laufende Reihe solcher Schnitte zerlegt. Die Schnitt-
methode, aus sehr einfachen Anfängen hervorgegan-
gen, hat sich heute zu einem wichtigen Zweige der
M. T. entwickelt und kennt nicht nur verschiedene
Verfahren zur Erreichung ihrer Zwecke, sondern hat
auch zur Konstruktion eines besondern Apparates,
des Mikrotoms (s. d., Bd. 11) hingeführt. Die ur-
sprünglichste und bei den Botanikern noch heute
vielfach geübte Schnittmethode ist die, daß man mit
einem scharf geschliffenen Rasiermesser in der beab-
sichtigten Richtung feine Plättchen von einem Pflan-
zenteile abtrennt. Ist dieser letztere zu klein, um mit
den Fingern der Hand direkt gehalten zu werden,
dann pflegt man ihn zwischen die Schenkel eines ge-
spaltenen Stückes Holundermark einzuklemmen und
von diesem Schnitte abzutrennen; in denselben be-
findet sich dann immer auch ein Schnitt durch den
kleinen Pflanzenteil. Ein ähnliches Verfahren übten
in früherer Zeit auch die Anatomen und Zoologen.
Da indessen die Organe des Tierkörpers meistens so
weich und schmiegsam sind, daß sie auf die angegebene
Weise keine brauchbaren Schnitte ergaben, mußte man
die Objekte vor dem Schneiden erst härten (s. unten);
zum Einklemmen benutzte man ebenfalls Holunder-
mark oder durch Einlegen in starken Alkohol erhärtete
Rindsleber sowie Rückenmark. Den gesteigerten An-
sprüchen der modernen histologischen Wissenschaft
konnte diese primitive Schnittmethode auf die Dauer
indes nicht genügen; es ließen sich mit freier Hand
weder ganz regelmäßige und vollständige, noch gleich
dicke, noch endlich ohne Ausfälle aufeinander folgende
Schnitte gewinnen. Diese Übelstände wurden zum
Teil durch die Konstruktion der Mikrotome beseitigt,
zu einem andern Teile aber lagen sie begründet in der
Beschaffenheit der zu schneidenden Objekte. Trotz der
durch das Härten erzielten fcstern Konsistenz waren
dieselben doch nicht stabil genug, um dem Drucke
des schneidenden Messers vollständig zu widerstehen.
Um ihnen diese fehlende Widerstandskraft zu ertei-
len, begann man sie in einen festen und dabei doch
leicht schneidbaren Stoff einzubetten (Ein bet tun gs-
verfahren) und fand bald in dem Stearin und
Paraffin sehr brauchbare Einbettungsmittel. Man
brachte die gehärteten und von der Härtungsstüssig-
keit durchtränkten Objekte in geschmolzenes Paraffin;
dasselbe drang zwar nicht nach innen hinein, legte
sich aber beim Erkalten allseitig dicht an und verlieh
den Objekten die gewünschte Widerstandskraft. Die-
ses Einbettungsverfahren führte bald zu dem heute
allgemein üblichen Einschmelzungsverfahren,
das eine specifische Härtung des Objekts entbehrlich
macht. Die fixierten und konservierten Organe wer-
den durch Behandlung mit absolutem Alkohol ent-
wässert; dann wird der Alkohol durch irgend ein mit
ihm sich mischendes Öl (Terpentin, Chloroform, Ben-
zin, Benzol, Lylol u. a.) ersetzt und die nunmehr
völlig von dem Ol durchtränkten Objekte in das ge-
schmolzene Paraffin gebracht. Beide Substanzen
mischen sich, und nach dem Erkalten erhält man jetzt
ein von Paraffin nicht nur umgebenes, sondern auch
durchtränktes Präparat, dessen feine und feinste Hohl-
räume mit demselben erfüllt sind, und das sich jetzt
infolge seiner Homogenität sicher und völlig gleich-
mäßig schneiden läßt. Außer dem Paraffin ist als
Einscymelzungsmittel heutigentags besonders noch
im Gebrauch das Celloidin in einer dicken Lösung
in gleichen Teilen von Alkohol und Äther. Die zu
schneidenden Stücke kommen vom Alkohol gleich in
diese Lösung, doch dauert das völlige Durchtränken
desselben zienüich lange, außerdem müssen die Schnitte
feucht angefertigt werden, d. h. das Objekt und das
schneidende Messer müssen stets mit Alkohol befeuch-
tet sein. Sollen die Schnitte untersucht werden, so
muß aus ihnen zuvor das Einbettungsmittel wieder
entfernt werden, was bei Anwendung von Paraffin
durch irgend eins der oben genannten Ole, bei
Celloidin durch Alkohol geschieht (hier ist übrigens
diese Entfernung nicht unbedingt nötig, da das
Celloidin durchsichtig genug ist, um das mikrosko-
pische Bild nicht zu stören). Um nun bei diesem Ver-
fahren ein sehr leicht eintretendes Auseinanderfallen
der feinen Schnitte zu verhindern, hat man verschie-
dene Methoden erfunden, um sie auf dem Objekt-
träger festzukleben (Aufklebemethoden). Unter
diesen Aufklebemethoden war die älteste die Gies-
brechtsche Schellackmethode; gegenwärtig be-
dient man sich verschiedener Aufklebemittcl, unter
denen besonders zu nennen sind das P. May ersche
Eiweißglycerin, das Schällibaumsche Col-
l o d i um nel ken ö l; ebenfalls empfohlen worden sind
einfaches Wasser, Eiweißalkohol u. a. Alle diese
Aufklebemittel befestigen die Schnitte dergestalt an
dem Objektträger, daß bei der weitern Behandlung
keine Loslösung einzelner Teile mehr eintritt. Sie
gestatten so auch die Anfertigung von Schnitt-
sericn, d. h. die Zerlegung eines Organs oderauch
eines ganzen Organismus in eine fortlaufende und
ununterbrochene Reihe von Schnitten und die Be-
festigung dieser Schnitte in ihrer natürlichen Folge
auf dem Objektglase. Um den außerordentlichen
Vorzug dieser einfachen Methode voll zu würdigen,
muß man bedenken, daß man früher, um nur einige
aufeinander folgende Schnitte zu erhalten, jeden ein-
zeln behandeln und auf einen besondern mit der
Nummer versehenen Objektträger auflegen muhte