Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chinarinde'
bezüglich des Namens dieser wichtigsten aller Arzneirinden dürfte für einige Leser
vorauszuschicken sein, daß derselbe mit dem Reiche China nichts zu thun hat; die
Fieberrinde ist vielmehr ein Geschenk des südlichen
Amerika und ihre Heilkräfte waren den Eingebornen schon längst bekannt, ehe noch die
Europäer dahin kamen; sie nannten sie hochschätzend quina quina, gleichsam Rinde aller
Rinden, was endlich zu China wurde. Indeß schreiben Engländer und Franzosen noch jetzt
quinquina. Die Rinde stammt nicht von einer
einzelnen Baumart, wie anfänglich geglaubt wurde, sondern von einer ziemlichen Anzahl
verwandter immergrüner Bäume, die indeß alle der Gattung Cinchona angehören und sämtlich
an den östlichen Abhängen der südamerikanischen Anden in einer Ausdehnung vom 10. Grad
nördl. bis 19. Grad südl. Br. und zwar in einer Erhebung von 800-3000 m über dem Meere
vereinzelt in Wäldern angetroffen werden. Die Sammlung und der Transport nach den
Ausfuhrhäfen des Stillen Meeres ist das mühselige Geschäft der Cascarilleros (Rindensammler).
Doch hat sich in jüngster Zeit ein direkter und weit kürzerer Kommunikationsweg eröffnet
durch die Erschließung des Amazonenstroms für die Dampfschiffahrt, und glücklicherweise
sind gerade die obersten Regionen dieses Stromes wichtig als Fundorte der Rinden. Sowohl
Holländer als Engländer haben schon seit Jahren diese wertvollen Bäume nach ihren
ostindischen Besitzungen verpflanzt und sich in dieser Beziehung von den südamerikanischen
Staaten unabhängig gemacht, besonders da zu einer Zeit auch viele Befürchtungen über
die mögliche Erschöpfung der amerikanischen Wälder laut wurden, die übrigens nach genauern
Ermittelungen ganz unbegründet sind, da weite Waldgebiete noch ganz unberührt dastehen.
Die Holländer haben auf Java die älteste Chinapflanzung in einer Erhebung von 1600 m über
dem Meere; die Übersiedelung erweist sich als vollständig gelungen und die von dort
exportierten Rinden bilden schon längst einen bedeutenden Handelsartikel. Jedes Vierteljahr
wird ein Bericht über den Stand der dortigen Plantagen herausgegeben und der Gehalt der
Rinden an Alkaloiden veröffentlicht. Auch die englischen Pflanzungen an verschiednen
Punkten, auf Ceylon, in den Blauen Bergen (Neilgherries), am Südabhange des Himalaya haben
sich gut entwickelt und lieferten schon reichlichen Ertrag (1877 bereits 6258 Kolli). Die
Rinden erscheinen, je nachdem sie von dicken Stämmen oder von Zweigen und jungen Bäumen
genommen sind, entweder als Platten oder zu Rinnen, Röhren und Röhrchen gebogen und gerollt.
Die Platten sind entweder von der äußern korkartigen Schicht befreit (nackte Rinden) oder
nicht. Die wertvollste Partie der Rinden ist die innere Schicht, der Bast; mit seinem
reichlichem oder spärlichem Vorhandensein steigt und sinkt der stets sehr schwankende
Gehalt an den wirksamen Bestandteilen der amerikanischen Rinden, während der der
javanischen Rinden weniger schwankend ist. Nach der Farbe der
Innenseite unterscheidet man herkömmlich
gelbe, rote und
braune Rinden, womit jedoch für die
↔
nähere Bezeichnung einer Handelssorte nicht viel gewonnen ist, da selbst die Rinden des
einzelnen Baumes, je nachdem sie von Stamm oder Zweigen kommen, verschiedene Farben zeigen
können. Es führen also die einzelnen Sorten noch besondere Namen, die entweder vom Distrikt
der Einsammlung oder vom Ausfuhrhafen hergenommen sind. Braune
oder graue Rinden (China fusca)
werden von mehren Arten der Cinchona geliefert. Sie kommen nur in dünnwandigen Röhren vor
und unter ihnen sind die gangbarsten die Huanaco aus
Peru und die Loxa aus Ecuador. Ausfuhrhäfen Lima,
Guajaquil. Die gelben Rinden
(China flava) charakterisieren sich durch zimtgelbe
oder gelbrötliche Färbung auf Innenseite und Bruch. Die vorzüglichste nicht allein unter
den gelben, sondern allen Rinden wegen ihres reichlichen Alkaloidgehaltes ist die
Calisaya oder Königschina,
teils aus Peru, teils aus
Bolivia. Neben dünnen Röhrchen enthält diese Sorte
ansehnliche Flachstücke, die nur aus der Bastschicht dickerer Stämme bestehen. Die
bolivianische Ware wird über Arica und Cobija ausgeführt.
Carthagena ist eine ähnliche, aber an Gehalt ärmere
Gelbrinde. Rote, d. h. in allen Schichten rotbraune
Rinden gibt es verschiedne; darunter befindet sich die am teuersten bezahlte echte rote
(China rubra), die von Alters her berühmte
peruanische Rinde; sie enthält das meiste Chinin und
Cinchonin und kommt in derben Platten und Rinnen über Guajaquil. Der Handel befaßt sich
mit viel mehr Sorten und Namen als hier aufgeführt werden können. Eine eindringliche
Kenntniß des vielseitigen Gegenstandes ist überhaupt nicht leicht zu erlangen und die
Beschreibung der Sorten nach ihren Unterscheidungsmerkmalen stößt neben der Menge derselben
noch auf die Schwierigkeit, daß die Sorten der Einfuhr in den meisten Fällen selbst
Gemische von mehrerlei verschiedenen Arten angehörigen Bäumen sind. Es werden auch noch
allerlei unechte Chinarinden aufgezählt, die zwar
bitter sein mögen, aber von andern Bäumen als Cinchoneen stammen und kein Chinin enthalten,
also auch die echte Rinde nicht ersetzen können. Diese wollen ebenfalls erkannt sein,
wenn sie sich unter der Handelsware gemengt vorfinden sollten, denn sie selbst bilden keine
Handelsartikel. Zur sichersten Würdigung einer Ware gelangt man durch die chemische Ermittelung
ihres Gehalts an Alkaloiden. Die europäischen Grosso-Droguisten sortieren darum meistens noch
einmal, indem sie Zusammenpassendes vereinigen und das Übrige als Gemenge, in sortis,
abgeben. Die Einfuhr der amerikanischen Rinden in Europa wird von den Engländern und Franzosen
betrieben; die Ware kommt teils in Kisten, teils in Seronen d. h. Ballen, die in Rindshäute
eingenäht sind. Die javanischen Rinden werden von den Holländern sehr zweckmäßig nach ihrer
botanischen Abstammung benannt und in den Handel gebracht, so z. B.
China Ledgeriana, Succiruba,
Haskarliana, Pahudiana
etc. Diejenigen Sorten Ch., welche in Apotheken direkt verwendet werden, heißen
Medicinalrinden oder
Droguistenrinden; es sind dies die besten:
China regia,
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 80.