Schnellsuche:

Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

79

Chinarinde - Chinarinde

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chinarinde'

bezüglich des Namens dieser wichtigsten aller Arzneirinden dürfte für einige Leser vorauszuschicken sein, daß derselbe mit dem Reiche China nichts zu thun hat; die Fieberrinde ist vielmehr ein Geschenk des südlichen Amerika und ihre Heilkräfte waren den Eingebornen schon längst bekannt, ehe noch die Europäer dahin kamen; sie nannten sie hochschätzend quina quina, gleichsam Rinde aller Rinden, was endlich zu China wurde. Indeß schreiben Engländer und Franzosen noch jetzt quinquina. Die Rinde stammt nicht von einer einzelnen Baumart, wie anfänglich geglaubt wurde, sondern von einer ziemlichen Anzahl verwandter immergrüner Bäume, die indeß alle der Gattung Cinchona angehören und sämtlich an den östlichen Abhängen der südamerikanischen Anden in einer Ausdehnung vom 10. Grad nördl. bis 19. Grad südl. Br. und zwar in einer Erhebung von 800-3000 m über dem Meere vereinzelt in Wäldern angetroffen werden. Die Sammlung und der Transport nach den Ausfuhrhäfen des Stillen Meeres ist das mühselige Geschäft der Cascarilleros (Rindensammler). Doch hat sich in jüngster Zeit ein direkter und weit kürzerer Kommunikationsweg eröffnet durch die Erschließung des Amazonenstroms für die Dampfschiffahrt, und glücklicherweise sind gerade die obersten Regionen dieses Stromes wichtig als Fundorte der Rinden. Sowohl Holländer als Engländer haben schon seit Jahren diese wertvollen Bäume nach ihren ostindischen Besitzungen verpflanzt und sich in dieser Beziehung von den südamerikanischen Staaten unabhängig gemacht, besonders da zu einer Zeit auch viele Befürchtungen über die mögliche Erschöpfung der amerikanischen Wälder laut wurden, die übrigens nach genauern Ermittelungen ganz unbegründet sind, da weite Waldgebiete noch ganz unberührt dastehen. Die Holländer haben auf Java die älteste Chinapflanzung in einer Erhebung von 1600 m über dem Meere; die Übersiedelung erweist sich als vollständig gelungen und die von dort exportierten Rinden bilden schon längst einen bedeutenden Handelsartikel. Jedes Vierteljahr wird ein Bericht über den Stand der dortigen Plantagen herausgegeben und der Gehalt der Rinden an Alkaloiden veröffentlicht. Auch die englischen Pflanzungen an verschiednen Punkten, auf Ceylon, in den Blauen Bergen (Neilgherries), am Südabhange des Himalaya haben sich gut entwickelt und lieferten schon reichlichen Ertrag (1877 bereits 6258 Kolli). Die Rinden erscheinen, je nachdem sie von dicken Stämmen oder von Zweigen und jungen Bäumen genommen sind, entweder als Platten oder zu Rinnen, Röhren und Röhrchen gebogen und gerollt. Die Platten sind entweder von der äußern korkartigen Schicht befreit (nackte Rinden) oder nicht. Die wertvollste Partie der Rinden ist die innere Schicht, der Bast; mit seinem reichlichem oder spärlichem Vorhandensein steigt und sinkt der stets sehr schwankende Gehalt an den wirksamen Bestandteilen der amerikanischen Rinden, während der der javanischen Rinden weniger schwankend ist. Nach der Farbe der Innenseite unterscheidet man herkömmlich gelbe, rote und braune Rinden, womit jedoch für die ↔ nähere Bezeichnung einer Handelssorte nicht viel gewonnen ist, da selbst die Rinden des einzelnen Baumes, je nachdem sie von Stamm oder Zweigen kommen, verschiedene Farben zeigen können. Es führen also die einzelnen Sorten noch besondere Namen, die entweder vom Distrikt der Einsammlung oder vom Ausfuhrhafen hergenommen sind. Braune oder graue Rinden (China fusca) werden von mehren Arten der Cinchona geliefert. Sie kommen nur in dünnwandigen Röhren vor und unter ihnen sind die gangbarsten die Huanaco aus Peru und die Loxa aus Ecuador. Ausfuhrhäfen Lima, Guajaquil. Die gelben Rinden (China flava) charakterisieren sich durch zimtgelbe oder gelbrötliche Färbung auf Innenseite und Bruch. Die vorzüglichste nicht allein unter den gelben, sondern allen Rinden wegen ihres reichlichen Alkaloidgehaltes ist die Calisaya oder Königschina, teils aus Peru, teils aus Bolivia. Neben dünnen Röhrchen enthält diese Sorte ansehnliche Flachstücke, die nur aus der Bastschicht dickerer Stämme bestehen. Die bolivianische Ware wird über Arica und Cobija ausgeführt. Carthagena ist eine ähnliche, aber an Gehalt ärmere Gelbrinde. Rote, d. h. in allen Schichten rotbraune Rinden gibt es verschiedne; darunter befindet sich die am teuersten bezahlte echte rote (China rubra), die von Alters her berühmte peruanische Rinde; sie enthält das meiste Chinin und Cinchonin und kommt in derben Platten und Rinnen über Guajaquil. Der Handel befaßt sich mit viel mehr Sorten und Namen als hier aufgeführt werden können. Eine eindringliche Kenntniß des vielseitigen Gegenstandes ist überhaupt nicht leicht zu erlangen und die Beschreibung der Sorten nach ihren Unterscheidungsmerkmalen stößt neben der Menge derselben noch auf die Schwierigkeit, daß die Sorten der Einfuhr in den meisten Fällen selbst Gemische von mehrerlei verschiedenen Arten angehörigen Bäumen sind. Es werden auch noch allerlei unechte Chinarinden aufgezählt, die zwar bitter sein mögen, aber von andern Bäumen als Cinchoneen stammen und kein Chinin enthalten, also auch die echte Rinde nicht ersetzen können. Diese wollen ebenfalls erkannt sein, wenn sie sich unter der Handelsware gemengt vorfinden sollten, denn sie selbst bilden keine Handelsartikel. Zur sichersten Würdigung einer Ware gelangt man durch die chemische Ermittelung ihres Gehalts an Alkaloiden. Die europäischen Grosso-Droguisten sortieren darum meistens noch einmal, indem sie Zusammenpassendes vereinigen und das Übrige als Gemenge, in sortis, abgeben. Die Einfuhr der amerikanischen Rinden in Europa wird von den Engländern und Franzosen betrieben; die Ware kommt teils in Kisten, teils in Seronen d. h. Ballen, die in Rindshäute eingenäht sind. Die javanischen Rinden werden von den Holländern sehr zweckmäßig nach ihrer botanischen Abstammung benannt und in den Handel gebracht, so z. B. China Ledgeriana, Succiruba, Haskarliana, Pahudiana etc. Diejenigen Sorten Ch., welche in Apotheken direkt verwendet werden, heißen Medicinalrinden oder Droguistenrinden; es sind dies die besten: China regia,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 80.