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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Flachs

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Flachs - Flachs

gilt wie von England und Frankreich namentlich von Deutschland. Hier, wo im vorigen Jahrhundert und bis in die zwanziger Jahre des jetzigen die Flachs- und Leinenindustrie im vollen Flor stand und deutsche Leinenwaren in Menge nach England, Frankreich und Amerika gingen, brachte die von den Engländern mit Energie ergriffene Maschinenspinnerei die heimische Industrie in so empfindlichen Rückgang, daß nicht nur die Ausfuhr fast ganz aufhörte, sondern Deutschland auch noch mit den wohlfeilen englischen Leinengarnen überschwemmt wurde. Die unmittelbare Folge war natürlich eine bedeutende Abnahme des Flachsbaues, der sich auf den Bedarf für die häusliche Weberei und für solche Fabrikate beschränkt fand, zu denen Handgespinst unentbehrlich war. Allmälig hat sich die deutsche Fabrikation in den Stand gesetzt, der englischen Maschinenkonkurrenz ebenfalls durch Maschinen zu begegnen; der inländische Flachsbau geht leider noch immer von Jahr zu Jahr zurück, vermag den Bedarf der Spinnereien nicht zu decken; große Quantitäten müssen vom Auslande, namentlich Rußland bezogen werden. Viel Anregungen sind gegeben worden zur Vermehrung und Verbesserung des deutschen Produktes, das bei der hergebrachten bäurischen Zubereitungsweise den Anforderungen der mechanischen Spinnerei nicht genügen kann; namentlich hat man durch Errichtung von Flachsbereitungsanstalten, die mit Warmwasserröste und allen neuen verbesserten Prozeduren arbeiten, günstigere Zustände zu schaffen gesucht. Diese Anstalten haben aber selten den gehofften Anklang und volle Arbeit gefunden; manche sind wieder eingegangen, andre vegetieren nur, da der kleine Landwirt (große bauen nur selten F.) gewohnheitsmäßig seine Stengel lieber selbst verarbeitet und beim Rohverkauf Schaden zu haben glaubt. Der beste deutsche F. wurde von jeher im Hannöverischen und Braunschweigischen gezogen, bekannt unter dem Namen Lüneburger, ebenso in Westfalen; eine gute Flachsgegend Preußens ist ferner die königsberger, dann Schlesien. In Sachsen ist der Flachsbau im Erzgebirge und der Oberlausitz heimisch; in Thüringen, im Schwarzwald und andren Berggegenden Südwestdeutschlands wird ebenfalls F. produziert. Im Jahre 1878 waren in Deutschland 196086 ha mit F. bestellt und lieferten 76446700 kg reinen F., 86715800 kg spinnbare Abfälle und 138365700 kg nicht spinnbare Abfälle; Ertrag pro ha rund 400 kg Reinflachs und 400 kg spinnbare Abfälle. -

In Belgien schreibt der Fabrikant dem Landwirt die Art des Anbaues für die verschiednen Gegenden vor und kauft nur die grüne Ware, um sie selbst herzustellen; in Deutschland gibt es nur 7 Röstanstalten mit 108 Arbeitern. - Österreich kultiviert F. fast in allen Provinzen, am meisten in Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien. Eine gute Ware kommt auch aus dem zipser Komitat in Ungarn. In Italien ist die Lombardei etwa zur Hälfte an der Produktion beteiligt. Der Export ist sehr bedeutend. Als außereuropäische Ware ist ägyptischer F. im Handel. Derselbe geht meist nach England und dient zu gröberen Geweben. In Algier nimmt der Anbau russischen und sicilianischen Flachses immer größere Dimensionen an (in den Provinzen Algier und Konstantine); Nordamerika (namentlich Ohio) produziert von Jahr zu Jahr mehr; in Australien hat man mit ausgezeichnetem Erfolge die Kultur begonnen und Brasilien scheint darin nachfolgen zu wollen. - Der Ertrag an F. wird angenommen: zu 180-780 kg gehecheltem F., nach Krause zu 4800 kg Rohflachs und 500 kg gebrechter F. nebst 11 hl Samen im Durchschnitt. Mayer rechnet:

Qual. Grün geröstet geschwingt beim Schwingen

I. 6120 kg 4500 kg 1080 kg 24%

II. 5120 kg 3840 kg 840 kg 22%

III. 2640 kg 3480 kg 696 kg 20%

IV. 4400 kg 3300 kg 528 kg 16%

Als Gesamtproduktion rechnet man für:

^[Liste]

Rußland 200000-250000 t.

Deutsches Reich 74500-57400 t.

Österreich 40400-40400 t.

Frankreich 39500-42600 t.

Belgien 29500-29600 t.

Großbr. u. Irland 35600-36700 t.

Italien 22800 t.

Holland 10000 t.

Schweden 4700 t.

Europa: 450000-493322 t.,

für die Ver. Staaten von Nordamerika 17480 t., für die gesamte Erde zwischen 500000 und 600000 t. Im Jahre 1880 zeigte Deutschland F. roh und geröstet 363691 m. Ztr. und 29095000 Mk. Einfuhr, 232300 m. Ztr. und 18584000 Mk. Ausfuhr. Die Preise waren: Breslau, guter russischer F. 39-41 Mk. für 100 kg, holländischer 60 Mk. Braunsberg, russischer 38-39 Mk., zuletzt 35 Mk. Insterburg, litthauischer 27 Mk., Hechelheede 26 Mk. Hannover, feinste Sorten gehechelt, 14.13-15.42 Mk., mittlere Sorte 12.27-14.50 Mk., ordinäre 10.29-11.83 Mk. pro Stein (5 kg). -

Eigenschaften. Feingehechelter F. muß rein ausgehechelt, seidenartig glänzend, hell, weiß oder grüngelblich, gelblichgrau oder stahlgrau sein, mild, weich und glatt im Anfühlen. Die Länge wechselt von 0.2 bis 1.4 m. die Breite der Faser von 0.045-0.620 mm. Die Marktware soll frei von Oberhaut-, Parenchym- und Holzgewebe sein, durch Jod und Schwefelsäure sich blau, durch Kupferoxydammoniak erst blau sich färben und dann lösen, durch schwefelsaure Anilinlösung farblos bleiben und nicht mehr wie 5.7-7.2% Wasser enthalten. Die genannten Gemengteile färben und verhalten sich anders als die reine Faser. In feuchten Räumen kann der Wassergehalt bis 23.4% steigen. Der F. muß daher an kühlen Orten in Fässern oder Kisten aufbewahrt werden und nicht stark geschichtet bleiben, bei zu trockner Luft wird er brüchig und spröde, bei feuchter zu sehr erhitzt, selbst entzündet. Gute Marktware soll längere Zeit gelagert haben, sich „zu Seide liegen“ -, da sie dadurch geschmeidiger wird. Die vorzüglichste Sorte ist der Irländer, lichtblau, sehr zart, nur in England verbraucht; als zweite gilt der holländische und belgische (flandrische), und der von der Picardie, lang, glänzend, braun, weiß, blond gehechelt;