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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Flachs

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Flachs - Flachs

Prozedur in sehr einfacher Weise so zu geschehen, daß die Flachsbündel in seichte Gewässer, Flüsse, Bäche, Teiche eingelegt und durch Steine unter der Oberfläche gehalten werden. Bei rationellerem Betriebe hat man bessere Vorrichtungen, so namentlich in Belgien und Holland gemauerte Gruben, in welche die Bündel eingestellt und unter Wasser gesetzt werden, das nach Erfordern gewechselt wird. Die Röste ist je nach der Witterung in 8-12 Tagen vollendet. Die dabei stattfindende Gärung der leimartigen Bestandteile entwickelt eine Menge stinkender, gesundheitswidriger Gase; das Röstwasser färbt sich von gelösten Stoffen mehr oder weniger braun, und diese Färbung nimmt auch die Faser an. Der Fortgang der Röste ist genau zu überwachen, da leicht eine Überröstung eintreten kann. Sie wird beendet und die Stengelmasse getrocknet, wenn die Faser leicht losgeht und der holzige Teil beim Biegen wie Glas zerspringt. Auch die Tauröste, bei welcher die Halme einfach auf einem Stoppelfelde, damit sie nicht unmittelbar den Erdboden berühren, ausgebreitet und bei öfterem Wenden den Einflüssen der Witterung ausgesetzt werden, steht bei kleineren Mengen in Anwendung. Ist die Witterung zu trocken, so muß man freilich mit Begießen nachhelfen. Hier unterliegt die Pflanzenmasse einer mehr trocknen geruchloseren Verwesung und es kann eine Überröstung nicht so leicht eintreten, aber der Prozeß dauert immer mehrere Wochen und außerdem fehlt es der Röste auch an der gehörigen Gleichmäßigkeit. Man verbindet zuweilen beide Methoden dergestalt, daß man erst die Wasserröste anwendet und dann bei annähernder Gare mit der Tauröste schließt. Weit bequemer, zuverlässiger und rascher zum Ziele führend sind die in neuerer Zeit angewandten Methoden, wobei die Auflockerung der Flachsstengel durch warmes Wasser oder durch Dampf bewirkt wird. Bei der am meisten in Aufnahme gekommenen Warmwasserröste wird das Wasser, in welches der F. in großen Behältern eingelegt ist, durch eingelassenen Dampf allmälig, sodaß die Temperatur in der Stunde höchstens um einen Wärmegrad zunimmt, auf 30-35° C. gebracht und in dieser Wärme erhalten. Schon nach 60 oder bei hartem Wasser 90 Stunden ist die Röstung vollendet, bei welcher anfänglich aromatische Gerüche entweichen, während später Schwefelwasserstoffgas auftritt. Bei der Dampfröste treten die Dämpfe zu den in einen geschlossenen Behälter gebrachten Stengeln und entziehen denselben noch rascher alle löslichen Teile, welche an das sich durch Kondensation bildende Wasser übergehen und mit ihm eine braune Schlempe bilden, die zum Viehfutter gebraucht werden kann. Natürlich eignen sich solche für Verarbeitung großer Massen berechnete Röstvorrichtungen nicht für einzelne kleine Wirte, sondern haben ihren Platz in Flachsbereitungsanstalten, die das Erzeugnis einer ganzen Gegend aufnehmen und verarbeiten. Die geröstete Masse ist zunächst gut auszutrocknen, am besten in der heißen Sonne, sonst in Trockenstuben bei gelinder Wärme, da eigentliche Hitze, wie wenn z. B. die Bauern sich dazu des Backofens bedienen, die Haltbarkeit der Faser bedeutend schädigt. Das nachfolgende Brechen, wobei die Stengelmasse zerbröckelt wird und stückweise abfällt, geschieht auf der bekannten Flachsbreche am unvorteilhaftesten, besser durch Schlagen der Stengel auf der Tenne mit dem sog. Bockhammer, einem gestielten Klotz, der auf der Schlagfläche riffelartig geschnitten ist. In den mit Maschinen arbeitenden Flachsbereitungsanstalten geschieht das Brechen dadurch, daß man die Stengel durch geriffelte Walzenpaare laufen läßt. Das nachfolgende Schwingen bezweckt das Abschlagen der noch anhängenden Stengelbruchstücke, deren letzte Reste nachgehends durch das Hecheln entfernt werden. Hierbei sondern sich auch die zu kurzen Fasern als Hede oder Werg ab, während die längeren, die häufig noch zu mehreren bandförmig zusammenhängen, aus dieser Verbindung gelöst und vereinzelt werden. Das Hecheln ist jetzt noch vielfach Handarbeit und zwar solche, die wie das Schwingen Übung und Umsicht erfordert. In fabrikmäßigen Anstalten gibt es für Schwingen und Hecheln Maschinen, die aber gute Handarbeit nicht ersetzen können; sie empfehlen sich aber durch Mehrarbeit. Die Schwingmaschine liefert nur die Schläge, während das Anhalten und Wenden des Flachses durch Arbeiter geschieht. Je länger das Hecheln fortgesetzt wird, um so feinerer F. wird erhalten, aber natürlich auch um so mehr Abfall an Werg. Durchschnittlich geben 100 kg lufttrockne Flachsstengel 9-10 kg Reinflachs, 12-15 kg Werg und 75-80 kg Abfall. Das aus den kurzen und verwirrten Fasern bestehende Werg ist ein ebenfalls nutzbares Nebenprodukt, das zu Garn versponnen wird, wobei es aber gleich der Baumwolle erst gekratzt oder kardiert werden muß. (Weiteres s. Leinengarn, Leinenwaren.) Übrigens steigt der Wert des Flachses mit seiner Länge, und gute Ware darf nicht viel Fasern enthalten, die nur 300 mm lang sind. Auf die bessere Haltbarkeit des Flachses in Vergleich mit Baumwolle läßt sich schon aus der mikroskopischen Betrachtung desselben schließen: die Flachsfaser hat nur eine sehr feine innere Höhlung, also eine stärkere Wandung, in deren Folge sie sich rund erhält, indes die Baumwollfaser infolge ihrer größeren Hohlheit beim Trocknen zu einem flachen Bande zusammenfällt. Die mikroskopische Prüfung eines Leinengewebes, in welchem Baumwolle vermutet wird, bleibt auch unter den zahlreich vorgeschlagenen Erkennungsmitteln immer das sicherste. -

Unter den flachsbauenden Ländern steht Rußland hinsichtlich der Menge seines Erzeugnisses und seiner Ausfuhr so entschieden obenan, daß die russischen Preise für den ganzen Markt maßgebend sind. Das Erzeugnis Irlands mit dem weniger bedeutenden von Schottland und England wird nicht allein von der englischen Fabrikation völlig aufgebraucht, sondern dazu noch große Mengen von auswärts (Rußland, Preußen, Belgien, Holland) bezogen. Die eigentlichen Ausfuhrländer für F. sind Rußland, Polen, die preußischen Ostseeprovinzen, Italien, da die anderwärts gewonnenen Erträge fast ganz dem inländischen Bedarfe dienen und ihn oft selbst nicht völlig decken. Dies