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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Flachs

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Flachs - Flachs

Lein, bekannter als Rigaer, Pernauer, Liebauer, Wiedauer Lein etc., selten rein genug, meist mit Leindotter vermengt, mit kleinem Kern, aus welchem ein schwachstengliger, fein bastiger, 35 cm langer F. erwächst. Der Rigaer wird am meisten zu Samenzucht verwendet; die erste daraus gezogene Saat heißt Kronen- oder Rosenlein, welche 4-5 Jahre lang gute Ernten gibt und so lange als „Saatlein“ geht; nach dieser Zeit wird der Samen nur zu Ölschlagen noch verwendet, „Schlaglein“. Eine sehr gute Sorte ist der Zeeländer, rein im Handel gebracht, mit gröberm Korn und stärkerem F.; ferner sind beliebt Königsberger, Memeler, Etschthaler, Axemer, weißblühender russischer, weißbl. amerikanischer und gemengter weißblühender, gelb und braun. Seltener angebaut sind der ewige Lein, L. perenne, ausdauernder, sibirischer Lein, 0.5-1 m hoch, mit grober, harter, schwer zu trennender Faser, angebaut in Sibirien; der schmalblätterige Lein, L. angustifolium Huds, mit guter Faser, in Südeuropa gebaut und in Australien; der österreichische Lein, L. austriacum, 0.3 m hoch, auch Zierpflanze; der Seelein, Meerstrandslein, L. maritimum, beide in Südeuropa, aber nur selten gebaut. Wichtig für den Anbau ist der Samen, Leinsamen, welcher zur Ölbereitung dient und einen sehr wichtigen Handelsartikel auch zu Saatgut bildet. Guter Samen muß oval, an einem Ende spitz, an der Spitze gekrümmt, grünlich, hellbraun, süß schmeckend, hell glänzend, in der Hand leicht gleitend, geruchlos, rein von Unkraut sein und in Wasser untersinken. Nach schlechter Ernte wird der Samen dunkel, glanzlos, schmutzig, gering an Keimkraft; zur Saat ist der zweijährige vorzuziehen, die Keimkraft dauert bis 4 Jahre und wird erhöht durch gelindes Erwärmen bis 30° C., aber nicht darüber, wodurch zugleich die Haltbarkeit sich erhöht. Der Bedarf an Samen ist lokal verschieden: in den Ostseeprovinzen von 1.35 hl an, in Deutschland bis 2.68 hl, in den andern Ländern zwischen diesen Extremen, durchschnittlich also 2.0 hl pro ha zu Samengewinnung, 3-4.6 hl für Bastgewinnung; 1 hl wiegt 67-68 kg. Als Durchschnittsbestellung gelten für Deutschland nur noch 200000 ha, für ganz Europa etwa 1.2 Mill. ha. Der Saatbedarf für das Deutsche Reich ist durchschnittlich mindestens 38 Mill. kg, für ganz Europa mindestens 200 Mill. kg. Der Ertrag von Samen ist 4-8 hl bei Bastgewinn, bis 16 hl bei vorzugsweiser Samenzucht. - Preise, bester Rigaer 50, beste deutsche Saat 44 Mk. pro m. Ztr. Originaltonnen à 85 kg pro m. Ztr. 70 Mk. Vergl. weiteres unter Leinöl. -

Die Leinpflanze bringt nicht in allen Ländern und Gegenden eine gleich gute Faser, aber selbst unter günstigen klimatischen Verhältnissen erfordert der Flachsbau schon von der Ackerbestellung an bis zur Ablieferung so viel Pflege und Umsicht, daß eine schöne feine Ware am Markte fast ebenso gut ein Kunst wie ein Naturprodukt genannt werden kann. Über die Witterung freilich vermag die Kunst nichts und von ihr hängt das Gedeihen des F. in so hohem Grade ab, daß es wenig Kulturpflanzen gibt, bei denen so große Schwankungen des Ertrags zwischen vollen Ernten und gänzlichem Mißraten vorkommen. Der Lein ist sowohl Öl als Spinnpflanze; beiderlei Nutzungen können nicht voll neben einander bestehen, eine muß zur Hauptsache gemacht werden. Man sät daher den hauptsächlich auf Fasern zu nutzenden F. dicht und um so dichter, je feiner die Faser werden soll, den zum Samentragen bestimmten viel dünner, wodurch der Same sich vollkommener ausbildet, der Stengel dagegen stark und ästig wird und nur grobe Fasern gibt. In Holland und Belgien nimmt man sich in Fällen, wo man die feinste Faser zu Spitzen u. dgl. ziehen will und daher sehr dicht sät, außerdem die Mühe, mit Pfählen und Stangen, oder mit Pfählen und Schnüren eine Art Gitter mit quadratischen Öffnungen über das Flachsfeld zu legen, durch welches die Pflanzen hindurch wachsen und darin eine Stütze zur Geradehaltung und gegen das Lagern finden. Man nennt diese Methode das Ländern; sie kommt auch in der Weise zur Ausführung, daß man das Flachsfeld mit sperrigem Reisig überdeckt. Ein öfterer Samenwechsel ist beim Flachsbau nützlich und zur Erzeugung besserer Qualitäten selbst notwendig. Sehr häufig ist bei uns die Verwendung von Samen aus Rußland (Rigaer). Wo die eigne Samenzucht gebräuchlich ist, so in Sachsen z. B., baut man gewöhnlich den Bedarf für die nächsten 3 Jahre auf einmal. Die mit F. bestandenen Felder müssen vom Unkraut sorgfältigst gereinigt werden. Das Ziehen oder Raufen des F. erfolgt, wenn es sich um Samenzucht handelt, zu der Zeit, wo die Kapseln sich zu bräunen anfangen, bei den zur Bastgewinnung bestimmten Pflanzen aber im noch grünen Zustande, sobald am Stengel die unteren Blättchen abfallen. Der Same ist dann noch nicht völlig ausgereift und zur Aussaat nicht, wohl aber zur Ölgewinnung brauchbar. Den richtigen Zeitpunkt der Ernte zu treffen ist wichtig, da zu frühes Ziehen zwar feine aber haltlose Fasern gibt, während die überreife Faser, da sie starr und brüchig geworden, auch wieder an Qualität verloren hat. Die gerauften Flachsstengel werden gewöhnlich in mäßige Bündel gebunden und auf dem Felde aufgestellt, bis sie völlig lufttrocken sind. Durch Riffeln, d. h. Durchziehen durch eine Reihe aufrecht stehender eiserner Zinken streift man die Samenknoten ab, und bringt das Stroh entweder sogleich oder im nächsten Frühjahr zur Röste. Die nutzbare Faser bildet den Bast des Flachsstengels, welcher den mehr holzigen inneren Kern umgibt und wieder von der äußeren Rindenhaut umschlossen wird. Diese sämtlichen Teile sind durch Pflanzenleim fest mit einander verbunden, dessen Zerstörung durch Fäulnis, Verwesung oder Auflösung Zweck aller Röstverfahren ist, weil dann erst die Bastfaser, welche jenen zerstörenden Einflüssen am längsten zu widerstehen vermag, von der übrigen Stengelmasse abgesondert werden kann. Die gewöhnlichste Art des Röstens ist die Wasserröste, wozu am besten fließendes, jedenfalls weiches Wasser benutzt wird. Im gewöhnlichen ländlichen Betriebe pflegt diese