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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Fleisch

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Fleisch - Fleisch

Fleisch höchst sorgfältiger und hauptsächlich ehrlicher Fabrikationsweise. In der Menge produzierter Fleischwaren von Rind und Schwein steht jedenfalls Nordamerika obenan; vorzüglich die Mississippi-Gegend, die Städte St. Louis, Chicago, Cincinnati ziehen und schlachten fortwährend erstaunliche Mengen von Schweinen, die als Salzfleisch und Schinken einen großen Absatz fast über ganz Amerika haben, auch in großer Menge jetzt nach Europa kommen. Die Engländer stehen in dem Rufe, in gesalzenen und geräucherten Waren das Beste zu leisten; sie behandeln aber auch den Gegenstand mit der möglichsten Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Auf gleicher Stufe stehen Hamburg und Bremen, die aus den vorzüglichen Rindern Holsteins und Mecklenburgs ebenso vorzügliches Pökel- und Rauchfleisch fabrizieren. Ebenso bekannte und beliebte Waren sind die Schinken von Westpfalen ^[richtig: Westfalen oder Westphalen], Thüringen, Mainz, in Frankreich die von Bayonne, die aber nicht in dieser Stadt bereitet werden. Von gesalzenem Schweinefleisch liefert Jütland eine besonders geschätzte Sorte. Hamburg macht große Geschäfte in ausgeschlachteten und gesalzenen Schweinen nach England und bezieht das Vieh hauptsächlich vom Berliner Markt. Einen großen Teil der Fleischwaren machen bekanntlich Würste aus. Sie müssen, wenn sie eine dauerhafte Handelsware bilden sollen, mit besondrer Sorgfalt gearbeitet und behandelt sein. In Form von Wurst kann F. auf mehrere Jahre haltbar gemacht werden. Es vereinigen sich dabei mehrere dem Zwecke günstige Umstände: feine Zerkleinerung, Mischung mit Fett, Salz und Gewürzen, festes Einfüllen in die luftdichten natürlichen Schläuche und mehr oder weniger Räucherung. Schweinefleisch ist das eigentliche Wurstfleisch, obwohl zuweilen auch bei manchen Sorten ein Zusatz andrer Fleischarten als Regel gilt, so z. B. Rindfleisch zur Cervelatwurst, etwas Kalbfleisch bei den Göttinger Fleischwürsten. Manche Wurstler verarbeiten die Schweine völlig zu Würsten, Schinken und Fett. Braunschweig, Göttingen, Frankfurt a. M. betreiben bekanntlich eine lebhafte Fabrikation verschiedner beliebter Wurstsorten, während Frankreich für seine Lyoner Trüffel- und andre feine Würste, Italien für seine Mortadelli, Salami etc. auch auswärtige Liebhaber findet. Vom Rind bilden die Zungen einen besondren beliebten Artikel; es kommen zu dem inländischen Erzeugnis noch Zuschüsse aus Rußland und Italien (Bologna), jetzt auch aus Südamerika. In den La Plata-Staaten wurden geschlachtet 1877: 1604000 Rinder, 1878: 1712500. Gänsefleisch von gemästeten Tieren bildet ebenfalls einen nicht unbedeutenden Handelsartikel entweder geräuchert (Spickgänse) oder gepökelt, in Gelée eingelegt etc. Meistens werden die Keulen eingelegt, die Bruststücke geräuchert. Die bekannten, meist von Berlin versandten ungemein fetten pommerschen Gänsebrüste kommen von einem besondren sehr großen Schlag Gänse. Westfalen versendet ebenfalls viel Rauchgänse. Eine Spezialität bilden die bei Feinschmeckern beliebten Gänseleberpasteten von Straßburg, zu welchen alljährlich gegen 150000 Gänse ihre Lebern hergeben müssen. Die dazu bestimmten Tiere werden von kleinen Leuten angekauft und mit gequelltem Mais gefüttert und schließlich gestopft, jedoch ohne alle die grausamen oder außergewöhnlichen Hilfsmittel, von denen Erzählungen umlaufen. Die Lebern werden an die Pastetenbäcker verkauft und je nach Größe und Beschaffenheit bezahlt. Durch das Straßburger Pastetengeschäft werden in dem Halbjahr des Betriebes gegen 2 Mill. Mk. in Umlauf gesetzt. Das gemästete Huhn liefert auch seinen Beitrag zu den Fleischwaren, ebenfalls mehr als Delikatesse, wie namentlich die Vierländer Hühner aus der hamburger Gegend, die steirischen und italienischen Kapaunen etc. In den letzten Jahren ist in bezug auf die Einfuhr von Fleischwaren aus überseeischen Ländern seitens der deutschen Landwirte, trotz ungenügender Produktion, viel Klage geführt und deshalb ein Schutzzoll verlangt worden; in allen andern Ländern begünstigt man die Einfuhr und überall klagen die Konsumenten über die große Steigerung der Preise. Die jetzigen Zoll Verhältnisse erschweren den Handel, mit der Wiederkehr von den Konsumenten günstigem Ansichten wird sich dieser Handel großartig beleben und mit der Wiederkehr guter wirtschaftlicher Zustände der Verbrauch wieder bedeutend höher kommen. Die Ausgabe für F. wird in kritischen Zeiten am ehesten beschränkt, trotz der Bedeutung des Fleisches für Kraftleistung und Gesundheit. England verbraucht fast dreimal so viel F. wie Deutschland, pro Kopf schon über 90 kg (London über 180 kg). Für Deutschland ist der Verbrauch noch nicht sicher berechnet; man nimmt jetzt etwa 30 kg als höchste Ziffer an (Sachsen 32 kg). Bei 45 Mill. Einwohnern ergibt sich demnach ein Gesamtverbrauch von 1350 Mill, kg, durchschn. zu 1.80 Pf., gibt 1485 Mill. Mk., ohne Wild, Geflügel, Fleischpräparate etc. Deutschlands Viehstand kann diese Menge nicht liefern. Im Jahre 1881 betrugen

die Einfuhr die Ausfuhr von

Stück Mk. Stück Mk.

Pferden 59722 = 59722000 17960 = 25144000

Kühen 53415 = 14956000 49826 = 14948000

Ochsen 16078 = 4823000 58896 = 23585000

Jungvieh 59958 = 3299000 104612 = 39965000

Schweinen 1272617 = 62086000 457949 = 37555000

Schafen 173677 = 2296000 1256584 = 24920000

Tiere: 1635566 = 147182000 1945827 = 166177000

Fleisch 239622 Ztr. 21575000 56453 Ztr. 5645000

Speck etc. 545987 " 49139000 380 " 36000

Zus.: 217896000 171858000