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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Glas

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Glas - Glas

schon in kleinen Mengen so intensiv, daß sie, der ganzen Glasmasse einverleibt, dieselbe zu dunkel und undurchsichtig machen würden. In solchen Fällen findet das Überfangen Anwendung, d. h. man plattiert eine weiße Glasschicht mit einer dünnen farbigen, was dieselbe Wirkung macht als sei die Masse durch und durch gefärbt. Die Gläser der bunten Glasfenster sind meistens in dieser Art erzeugt. Geschliffene Hohlglaswaren, namentlich solche in facettierten und kantigen Formen, werden in Menge hergestellt, abgesehen von den Mengen, bei welchen diese Modelung der Oberfläche nur durch Formbläserei erzeugt ist. Das Schleifen geschieht auf umlaufenden Scheiben von verschiednem Material und sehr verschiedner Größe. Zum Schleifen aus dem Gröbsten dienen eiserne Scheiben, auf welche Sand und Wasser rinnt; hierauf folgen solche von Sandstein, dann hölzerne, auf welchen anfänglich der Schleifschlamm von den vorigen, dann Schmirgel von zunehmender Feinheit als Schleifmittel dient, bis endlich die Politur mit Zinnasche und oft noch auf einer trocknen mit Wollstoff überzogenen Scheibe gegeben wird. Man benutzt je nach Umständen bald die breiten Flächen der Scheiben, bald die Umfangsfläche und die Kanten. Dadurch, daß man gewisse Flächen und Verzierungen an den Glaswaren anschleift und unpoliert läßt, kann man durch den Wechsel von matt und durchsichtig auch hübsche Effekte erzeugen. Beiläufig mögen hier die bekannten matten Lampenglocken erwähnt werden. Dieselben sind nämlich ebenfalls auf eigentümliche Weise im Innern matt geschliffen. Man thut eine Partie scharfen Sand hinein, verschließt die Öffnungen und spannt die Stücke in eine Art Drehbank ein, wo sie so lange umlaufen, bis die Mattierung erzeugt ist. Das Schleifen der Glaswaren erstreckt sich nicht bloß auf die Oberfläche, sondern geht auch in die Tiefe, und es werden gerade dadurch die reizendsten Dekorationseffekte erreicht, wie sie an manchen böhmischen Waren überraschen. Alle diese zierlichen und zarten Landschaften, ornamentale Zeichnungen etc. entstehen lediglich durch Anhalten an Schleifscheiben und werden von Leuten ohne jede künstlerische Bildung, meist ohne Vorlage wie spielend ausgeführt, was freilich nur nach langjähriger Übung möglich ist. Die Scheiben sind dabei von Kupfer, manchmal von Stahl, mit verschiednen Formierungen der Schleifränder. Jetzt wird ein sehr großer Teil der Glaswaren mit dem Sandgebläse oder der Sandblasmaschine geschliffen. -

Außer dem Schleifen wird ein Teil der Luxusgläser noch durch Malerei, Vergoldung etc. dekoriert. Farben und Gold werden dabei ganz nach Art der Porzellanmalerei bereitet, aufgetragen und in Muffeln eingebrannt; nur muß die unter die färbenden Oxyde gemischte Flußmasse bei der Glasmalerei viel leichtflüssiger sein. - Manche andre schöne Erzeugnisse der feinern Glasindustrie, Petinet-, Filigranglas, Millefiori, Inkrustationen, Alabasterglas etc. seien hier nur erwähnt. Eine Menge kleinere Glaswaren werden aus Röhren und Stäbchen hergestellt und zwar größtenteils in andern Werkstätten als den Glashütten, mittels der Gebläselampe. Die glühende weiche Glasmasse besitzt bei einer erstaunlichen Dehnbarkeit, die es gestattet sie bis zur Dünne eines Spinnenfadens auszuziehen, auch noch die Eigenschaft, dabei ihre ursprüngliche Form beharrlich festzuhalten. Von Wichtigkeit sind auch die Glasröhren, sie sind nicht allein als solche unentbehrlich zur Herstellung einer Menge physikalischer, chemischer und andrer Apparate, sondern dienen auch nebst den Stäben als Grundlage für die Herstellung der mannichfaltigsten Kleingebilde der Kunstbläserei. Glasschmelz und die vielgebrauchten Strick- und Stickperlen entstehen unmittelbar aus dünnen weißen und farbigen Glasröhrchen, die man bündelweise wie Häcksel auf die passenden Längen schneidet. Während der Schmelz damit fertig ist, müssen von den Perlen noch die scharfen Schnittkanten entfernt werden; man vermischt sie zu diesem Zweck mit Thonpulver und erhitzt sie bis zum beginnenden Schmelzen der Kanten, wodurch diese sich abrunden. Das Pulver dient dabei als Zwischenmittel gegen das Zusammenbacken und das Zufallen der Löcher und wird nachgehends wieder entfernt. Andre Sorten größerer Glasperlen oder Glaskorallen werden einzeln an der Lampe geblasen und geformt und in Böhmen, im Fichtelgebirge und Thüringen in großen Massen für den Export gearbeitet, da sie bei dem Handel mit den Negerstämmen die hauptsächlich gangbare Münze bilden. Andre facettierte und wie geschliffen aussehende Perlen werden in zangenartigen Formen mit einem einzigen Drucke gepreßt. Glasknöpfe in vielerlei Sorten, Köpfe zu Schmucknadeln, vielerlei wohlfeile Schmucksachen und namentlich die so mannigfachen hübschen Glasspielwaren, welche in großer Menge besonders auf dem Thüringerwalde gefertigt werden, sind alle Gegenstände der kleinen Fabrikation und Hausindustrie. -

Was die locale Verbreitung der Glasfabrikation anlangt, so sind Fabriken für grünes und ordinäres weißes Hohlglas wie Fensterglas jetzt überall nicht selten, da dieselben nicht mehr ausschließlich auf Waldgegenden angewiesen sind, sondern allgemein mit Stein- und Braunkohlen arbeiten. Am meisten findet noch Holzfeuerung in Böhmen statt, das bekanntlich der älteste Sitz der Glasmacherei ist und dessen Industrie lange Zeit die erste der Welt war. Böhmen zählt noch jetzt etwa 150 Glashütten, das übrige Österreich etwa ebenso viel. Die Fabrikation der böhmischen feinen Waren von geschliffenem weißen und bunten Kristallglas ist noch jetzt im Zunehmen, während weißes Hohl- und Tafelglas bei der vermehrten auswärtigen Produktion sehr zurückgegangen ist. Feine Waren werden jetzt auch im schlesischen Gebirge und den an Böhmen grenzenden bayrischen Gegenden erzeugt. Im Deutschem Reiche waren 1876: 575 Glasfabriken, von diesen fertigten 188 Grünglas, 126 Tafelglas, 18 Spiegelglas, 13 gegossenes Glas, 108 Hohlglas, 31 Medizinglas, 39 Cylinderglas, 13 Schirmglas, 5 Glas für chemische Apparate, 12 Glasperlen, 8 Kurzwaren von G., 4 Uhrgläser und 10 Kristallglas. In Sachsen, Bayern, Thüringen, Würtemberg, der Rheinprovinz etc. werden weiße Hohl-^[folgende Seite]