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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Kautschuk

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Kautschuk - Kautschuk

an die französische Akademie der Wissenschaften berichtete. Die Eingeborenen Brasiliens kannten und benutzten denselben für ihre verschiednen kleinen Bedürfnisse, z. B. zu Beuteln, Stöpseln für Kürbisflaschen, besonders auch zu Fackeln. Der Name K. stammt aus der Sprache der Eingeborenen. In Europa blieb das Naturerzeugnis lange Zeit unbeachtet und eine Kuriosität für Sammlungen, man benutzte es nur zum Entfernen von Bleistiftstrichen. Erst später, seit 1828, erhielt man denselben Stoff auch aus Ostindien und zwar hier ganz besonders als Kuriosität, denn er war häufig in merkwürdige Tier- und Götzengestalten geformt. Vereinzelte Versuche, dem Stoffe mehr abzugewinnen, gehen allerdings bis in den Ausgang des vorigen Jahrhunderts zurück. So wurden 1790 zu Paris chirurgische Binden und wasserdichte Überzüge daraus gemacht, wie auch Röhren zu chemischen Zwecken. 1820 gelang es Stadler in Wien zum erstenmale das Gummi zu Fäden auszuziehen. Es erschienen die ersten plumpen Gummischuhe, die ebenso wenig Glück machten als nachgehends Macintosh mit seinen Regenröcken. Die Verwendungen des K. vermehrten sich in dem Maße, wie man mehr Mittel kennen lernte, der Masse andre Formen zu erteilen, wie sie der Rohstoff hat, und als sie ihr durch Zerschneiden, Zusammenkleben frischer Schnitte und durch Anwendung von Lösungsmitteln gegeben werden konnten. Schmelzen aber wie Harz läßt sich bekanntlich das K. nicht; ist es in der Hitze so weit gebracht, daß es eine dicke Flüssigkeit bildet, so ist es auch schon zersetzt und bleibt für immer eine schmierige Masse. Lösungsmittel, die entweder eine wirkliche Lösung oder doch eine völlige Erweichung und Quellung bewirken und das Gummi nach dem Verdunsten unverändert hinterlassen, gibt es verschiedne, wie Steinkohlenbenzin, Terpentinöl, Schwefelkohlenstoff, Chloroform und dann auch das eigene flüchtige Öl, das durch trockne Destillation von K. und Guttapercha erhalten wird. Einzelne dieser Mittel sind wegen ihrer Kostspieligkeit von der technischen Anwendung ausgeschlossen, andre werden benutzt. Hauptsächlich aber dient zur Formgebung in der heutigen Kautschuktechnik nicht die Auflösung, sondern die Erweichung der Masse durch gewaltsames Kneten oder Walzen, womit meistens zugleich die Verbindung mit Schwefel, das sog. Vulkanisieren einhergeht, zwei Operationen, auf welchen die ganze jetzige Kautschukindustrie wesentlich beruht. Bevor wir auf diese etwas näher eingehen, sei zunächst noch einiges Nähere über die Herkunft und Gewinnung des Rohstoffs angeführt.

Das wertvollste K. kommt von Brasilien und heißt im Handel Paragummi. Die Wälder Brasiliens, besonders am Amazonenstrom und seinen Nebenflüssen, sind so angefüllt mit Gummibäumen, daß man ein Seltenwerden des Produkts für ganz unmöglich hält. Noch 1849 war nach den Mitteilungen von Spruce die Gewinnung von Gummi auf die nächste Umgebung von Para beschränkt, denn die Ware galt so wenig, daß die Eingeborenen zur Einsammlung keinen Antrieb fanden. Ein paar Jahre später standen die Verhältnisse bereits ganz anders; die Preise gingen rasch in die Höhe, da die Nachfrage sich von allen Seiten her steigerte, besonders von Amerika, wo inzwischen der große Kautschukmann Goodyear seine ersten Erfolge errungen hatte. Es ziehen seitdem so viele Tausende in die Wälder, daß selbst die nötigsten Kulturen liegen bleiben, und die Preise sind reichlich auf das Doppelte der frühern Höhe gestiegen. Die Gewinnung des Saftes geschieht überall durch Einschnitte in den Stamm der Bäume und Auffangen in Gefäßen. Man darf die Bäume nur in einer Hälfte des Jahres, nach Eintritt der Fruchtreife in Anspruch nehmen, da die Stämme in der Blütezeit keine Milch fließen lassen, weil sie sich fast sämtlich nach der Krone zieht. Beim Stehen an der Luft scheidet sich das K. an der Oberfläche rahmartig ab und kann dann durch Waschen und Kneten in Kuchen, Blöcke, oder durch Ausrollen in Platten und Blätter geformt werden. Zumischung von der vierfachen Menge Wasser zu dem Safte befördert die Ausscheidung, ebenso Aufkochen desselben, was in Ostindien gebräuchlich ist. Aus den Gegenden, wo der Cartagenakautschuk herkommt, verlautet, daß man dort die Milch mit einem gewissen Pflanzensafte mische, der die Ausscheidung sogleich bewirke. In Brasilien wird meistens noch die alte Weise befolgt, daß man den Saft in dünnen Lagen auf lufttrockne Thonkugeln streicht, die an einen Stock als Handgriff gesteckt sind, sie zum raschen Trocknen vorsichtig und unter raschem Drehen an ein Feuer hält und dies so oft wiederholt, bis die verlangte Dicke der Schicht erreicht ist. Die auf solche Art gebildeten Flaschen werden dann von dem Thon befreit, nachdem man diesen durch Einlegen in Wasser erweicht hat. In gleicher Weise wurden sonst auch die dicken naturellen Gummischuhe über thönerne Formen gebildet. Durch den Rauch des Feuers erscheint die Gummimasse geschwärzt, während sie sonst hell bräunlich oder gelblichweiß aussieht. Zuweilen läßt man in Brasilien die Milch, statt sie durch Feuer einzudicken, in Kästen oder Gruben freiwillig eintrocknen; es gehören aber zehn und mehr Tage dazu, bis die Masse konsistent genug ist, und sie muß dann auch in dünne Schnitte zerteilt und stark gepreßt werden, um Luft und Wasser daraus zu entfernen. Auf kaltem Wege erhaltenes K. ist immer wasserhaltiger als am Feuer getrocknetes, sieht auf dem Schnitte speckig aus und wird daher auch Gummispeck oder Speckgummi genannt. Aus Brasilien kommen außer Flaschen und Speck in runden Scheiben und viereckigen 4½-7 cm dicken Tafeln auch dünn ausgerollte Blätter. Unter Cartagenagummi wird die Ware begriffen, welche aus Cartagena, Guatemala, Venezuela, Neugranada kommt und der Menge nach etwa halb so viel austrägt als das Erzeugnis Brasiliens. Diese Ware heißt auch Ule- oder Castilloa-K. Sie erscheint in kleinern Kuchen und größern Blöcken bis zu Centnerschwere, die auf dem Durchschnitt sehr dunkel gefärbt aussehen. Die Ware steht in Qualität der brasilischen nach, wird aber in letzter Zeit besser und reiner als früher geliefert. Ostindisches K., von Ficus elastica und Ur-^[folgende Seite]