Schnellsuche:

Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Rettiche; Rhabarber

458

Rettiche - Rhabarber

entstandenen und niederfallenden schwefelsauren Kalk. Durch Zusatz von Soda zu jener Flüssigkeit wird das Kalksalz in das Natronsalz (benzoldisulfosaures Natron) umgewandelt, während sich kohlensaurer Kalk abscheidet, den man entfernt. Man dampft dann die Lösung zur Trockne und erhitzt unter beständigem Rühren mit starker Natronlauge auf 270°, bis die Masse zäh und fast fest wird. Letztere wird dann in kochendem Wasser gelöst und mit Salzsäure bis zur schwach sauern Reaktion versetzt; hierdurch scheidet sich etwas teerige Materie ab, die man durch Filtration trennt. Aus der wässrigen Lösung gewinnt man nun das R. durch Behandlung mit Äther, welcher dasselbe dem Wasser entzieht und durch Destillation wieder erhalten wird. Das hierbei zurückbleibende R. wird dann durch Erhitzen auf 215° C. von den letzten Spuren von Äther und Wasser befreit, die sehr hartnäckig zurückgehalten werden. Es stellt dann eine für die Farbenfabrikation genügend reine, harte, brüchige Masse dar, von ziemlich weißer Farbe.

Durch weitere Reinigung kann man es ganz weiß und in großen tafelförmigen Kristallen erhalten, die sich in Wasser, Alkohol und Äther sehr leicht lösen, dagegen in Schwefelkohlenstoff und Chloroform unlöslich sind. Dieses chemisch reine R. (Resorcinum purissimum) wird jetzt auch medizinisch verwendet. Die Farben, die man aus dem R. herstellt (Resorcinfarben) sind hauptsächlich: Eosin, Coccin, Nopalin, Phloxin, Mandarine, Resorcinblau, Jaune d'Orient, Ponceau d'Orient und Scharlach. - Zollfrei. Vgl. Anilinfarben.

Rettiche (Raphanus sativus L., engl. radish, frz. radis, holl. rammenas, rammelas, ital. rafano, ravanello, ravano und radice), Pflanzen aus der Familie der Kreuzblütler, 0,4-0,7 m hoch, mit den Hauptsorten: Ölrettich, Rübenrettich und Radieschen oder Monatsrettich. Der Ölrettich, aus China stammend, hat sich in Deutschland nicht verbreitet, weil er gleich anspruchsvoll wie Raps, aber nicht so einträglich und empfindlicher ist. Die Radieschen und die R. werden, ihrer Wurzeln wegen, im großen von Gärtnern kultiviert und zwar in vielen Sorten; sie bilden den Gegenstand eines lebhaften Handels, welcher aber meist nur Lokalhandel ist oder von den Produzenten selbst vermittelt wird.

Von Rettichen sind die besten Sorten Erfurter lange schwarze, Erfurter runde und Erfurter weiße, Wiener runde und schwarze; sie müssen zart sein und bleiben und nicht pelzig und hart, fleckig oder faul werden; man überwintert sie deshalb mit den Köpfen, am besten in Gruben oder Mieten. Bamberg, Ulm, Erfurt, Dresden, Braunschweig, Wolfenbüttel sind vorzügliche Bezugsorte.

Von den Radieschen sind die runden und länglich runden die zarteren und besseren, die vorzüglichsten die rosenroten runden Monatsradieschen, die scharlachroten runden Treib-Radieschen, die rosenroten mit weißer Spitze, die länglichweißen, ovalen und rosenroten Radieschen, am allerbesten die in Mistbeeten gezogenen. Sie werden in Bündeln verkauft und müssen sofort gegessen werden; der Verkauf der Radieschen ist fast nur ein lokaler. - Zollfrei.

Rhabarber (Rheum L., engl. Rhubarb, frz. rhabarbe, holl. rabarber, wormmiddel, ital. rhabàrbara), Pflanze aus der Familie der Polygonen, mit zahlreichen Arten, heimisch in China und Mittelasien, von welchen einige durch die Stengel (verwendet man besonders in England zu einem beliebten Gemüse, zu Kompots und Marmeladen), am meisten aber durch die medizinisch wirksamen Wurzeln nutzbar sind und deshalb auch angebaut werden, während andre Arten nur als Zierpflanzen und zwar wegen ihrer großen, bis 1,3 m breiten und zahlreichen Blätter, die zu stattlichen Büschen sich gruppieren, Verwendung finden. In vielen Gegenden kennt man überhaupt den R. nur als Zierpflanze und benutzt ihn gar nicht. -

Der kleinblättrige R. (R. Rhaponticum L.), auch Berg-englischer und pontischer R. genannt, und der Emodirhabarbar oder ostindische R., R. Emodi Wall (R. australe), liefern die adstringierend wirkenden Rhapontikawurzeln; erstere baut man besonders in Frankreich und Ungarn, von Sibirien bis zum schwarzen Meere und in Persien, und betrachtet die dem R. ähnliche Wurzel mehr nur als Surrogat der echten Rhabarberwurzel; die Pflanze liefert die Blattstengel zum Gebrauch -

Tartreum in Frankreich genannt. Dahin gehören auch der Gartenrhabarber oder der bandförmige R. (R. palmatum), englischer R., aus der Tartarei und Thibet (Hand-leaved rh., rh. palmé), dann R. compactum, aus der Mongolei, der wellförmige Rh., R. undulatum, in England gebaut, der Bastardrhabarber, R. hybridum, R. tangutinum etc. -

Die Rhabarberwurzel (radix Rhei, radix Rhabarbari; frz. racine de rhabarbe) als Artikel des Droguenhandels ist eins der ältesten und in seinen Wirkungen zuverlässigstes Heilmittel. Sie hat sich aus ihrer Alpenheimat wohl verpflanzen lassen und ist bei uns nicht selten in Anlagen und Gärten, aber die medizinische Wirkung der Wurzel, wo sie überhaupt in Anspruch genommen wird, ist abgeschwächt und es können solche Kulturerzeugnisse nur Nebensorten abgeben. Zum medizinischen Gebrauch soll nur die echte asiatische dienen, für welche es herkömmlich zwei Handelswege gab, über Rußland und über China. Der erstere Weg, auf welchem die beste und kräftigste Ware herangebracht wurde, ist aber gegenwärtig ganz weggefallen; die russische, rad. Rh. moscovitica, rossica oder coronalis (Kronrhabarber) fehlt seit Jahren im Handel, angeblich, weil ein darauf bezüglicher Lieferungsvertrag der russischen Regierung mit bucharischen Kaufleuten erloschen ist.

Zuweilen ist nur noch die Rede von Bucharischer Wurzel, welche von tatarischen Kaufleuten ans Kaspische Meer gebracht werden und nach Rußland gelangen soll, aber etwas problematisch und bestenfalls nur eine gelegentliche Erscheinung ist. Die von den Russen gekaufte Ware mußte durch sorgfältiges Auslesen von allem Schlechten befreit und diesem verbrannt werden. Gegenwärtig, wo nur der Bezug durch die Chinesen noch möglich ist, kann man die Ware in früherer Güte nicht, immer haben, denn die chinesische Ware ent-^[folgende Seite]