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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Stärke

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Stärke - Stärke

Spitzen. Die Körner werden zunächst in Bottichen oder Bassins mit Wasser eingequellt; nach drei Tagen sind sie so erweicht, daß sie sich zwischen den Fingern zerdrücken lassen. Sie kommen nun auf die Quetsche, wo sie durch zwei eiserne, gegen einander laufende und dicht neben einander liegende Walzen zu Mus zerdrückt werden. Dieses kommt zusammen mit Wasser wieder in Bassins. Hier tritt nach einigen Tagen die Gärung ein, die Masse steigt und muß, so oft dies geschieht, wieder niedergerührt werden. Die Gärung braucht im Sommer eine Zeit von etwa 14 Tagen, im Winter mehrere Wochen. Der Weizen bildet dann eine dickflüssige saure Masse, in welcher gelbliche Massen von Kleber schwimmen, die man, so weit thunlich, durch Abschöpfen entfernt. Das Ganze kommt nun in die Spülmaschine, eine Hohlwalze, deren Mantel aus eng neben einander stehenden Latten besteht und vermöge der schmalen Zwischenräume wie ein Sieb wirkt. Indem die Walze sich dreht, fällt beständig Wasser in Regenform auf, beziehentlich in dieselbe, und es werden dergestalt die S. und der Rest von Kleber ausgespült, indes die Hülsen in der Trommel bleiben.

Die von der Spülmaschine ablaufende milchähnliche Flüssigkeit fließt in die Quirlbassins, um hier durch eine stehende Flügelwelle bearbeitet zu werden. S. und Kleber werden also am Niederfallen gehindert, bis das Bassin voll ist und man den Quirl abstellt. Dann sinkt erstere fast sofort nieder, indes der letztere langsamer nachfolgt und auf dem Niederschlag der S. eine Oberschicht bildet, die nach Abheben des überstehenden Wassers sorgfältig abgenommen wird. Die S. wird wieder mit Wasser angerührt und in die Setzwannen gepumpt, wobei sie durch ein feines Haarsieb gehen muß. Hat sie sich hier gesetzt und ist das Wasser abgelassen, so wird sie durch eine Zentrifuge oder auch durch eine sog. Nutsche entwässert, in Stücke geschnitten und auf den Trockenboden zum Trocknen gebracht. Die im Quirlbassin abgehobene Oberschicht, das sog. Grobe, enthält noch viele Stärkekörnchen, die der Fabrikant nicht verloren gehen lassen kann. Es wird daher diese Masse gewöhnlich wieder mit Wasser gemischt und über breite hölzerne Rinnen geleitet, welche sehr geringen Fall haben, sodaß ein ganz langsames Fließen statt hat, wobei der Rest der S. sich absetzt.

Die abgelaufene Flüssigkeit heißt nun Schlempe, ein Stoff, der nur als Schweinefutter verwendbar ist, daher die Stärkefabriken gewöhnlich zum Schweinehalten veranlaßt sind. Einen besser zu verwertenden und gut verkäuflichen Abfall bilden die von der Spülmaschine kommenden Hülsen, welche auch von anderm Vieh, Schafen, Rindern, Pferden, gefressen werden. Wenn auf dem Trockenboden die großen Stärkestücke eine trockne Kruste von etwa 4 mm Dicke erhalten haben, so schabt man sie ab, weil sie in der Regel schmutzig geworden ist. Dieser Abfall bildet die Schabestärke, welcher hauptsächlich zu Kleister dient. Die großen Stücke werden nun in kleinere geschlagen und auf Horden weiter getrocknet, wobei die Masse von selbst in noch kleinere Teile zerfällt. Dies ist dann die gewöhnliche Waschstärke.

Manche Fabriken bereiten aus der gewöhnlichen S. noch feinere Produkte durch wiederholtes Schlemmen u. dgl., z. B. Strahlenstärke, Patentstengelstärke, Puderstärke, Spitzenstärke u. a. Ein Hauptsitz der Stärkefabrikation aus Weizen ist Halle, dann folgen Nürnberg, Augsburg, Neuwied, Köln, Koblenz, Mannheim u. a. Schlesien produziert außer viel Kortoffelstärke ^[richtig: Kartoffelstärke] auch solche aus Weizen. -

Kartoffelstärke. Die Darstellung dieser Stärkesorte ist ganz einfach und geschieht fabrikmäßig im wesentlichen ebenso, wie sie oft genug in häuslichen Wirtschaften zum Selbstgebrauch vorkommt. Die rohen gewaschenen Kartoffeln werden zerrieben, in Fabriken natürlich durch Maschinen, und aus dem entstandenen feinen Brei wird die S. auf Sieben oder in einer andern Weise mit vielem kalten Wasser ausgewaschen und mit diesem auf Kufen oder in Bassins gebracht, wo sich die S. zu Boden setzt. Nach Ablassen des überstehenden Wassers wird von der S. die oberste unreine Schicht entfernt, das übrige ausgestochen, an der Luft und nachgehends in künstlicher Wärme getrocknet. Die trockne Masse wird mit Walzen zerdrückt und gesiebt; sie bildet ein schneeweißes knirschendes Pulver. Der Stärkegehalt der Kartoffeln ist bekanntlich ziemlich verschieden und man gewinnt nach Umständen 14-24%. Ein unausbringlicher Rest bleibt in der rückständigen Masse, welche als Viehfutter verwendet wird. -

Reisstärke wird in England, Belgien und jetzt auch in Deutschland im großen bereitet, ist auch bei uns schon ein gewöhnlicher Ladenartikel und wird als das feinste Stärk- und Appreturmittel verwendet. Die meisten und größten englischen Fabriken für Reisstärke befinden sich in Norwich. Einige Reissorten geben 80-90% S., die Durchschnittsausbeute ist aber nur 73%. Im Reiskorn liegen die sehr feinen Stärkekörnchen im innigen Gemenge mit den übrigen Mehlstoffen und eine bloß mechanische Behandlung ist daher nicht hinreichend, die Trennung zu bewirken, welche vielmehr durch chemische Mittel gefördert werden muß.

Es ist demnach der Gang der Fabrikation etwa folgender: Der ungeschälte Reis wird mit Wasser, in welchem Ätznatron (man wendet eine Lauge von 1½ bis 2° Bé. an) gelöst ist, so lange gequellt, bis er zwischen den Fingern zerreiblich ist; dann wird der gequellte Reis zur Entfernung der Lauge mit Wasser zweimal ausgewaschen und unter Zusatz schwächerer Lauge zwischen Steinen gemahlen. Die milchige Flüssigkeit läuft in große tiefe Gefäße, wo sich Hülsen und Kleber am Boden absetzen. Zur rechten Zeit, welche durch Beobachtungen an kleinen Fensterchen, die in der Kufenwand angebracht sind, erkannt wird, pumpt man die Stärkeflüssigkeit ab auf andre Gefäße und versetzt sie mit noch mehr Wasser. Hier klärt sich die Flüssigkeit ab und die S. sinkt zu Boden. Der Rückstand der ersten Kufe wird ausgepreßt, während die Preßkuchen nach sorgfältigem Auswaschen mit Wasser als Viehfutter verkauft werden. Der Stärkebrei wird durch Siebe getrieben und so gereinigt, dann in leinene Tücher geschlagen oder in der Zentrifuge entwässert.