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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Chemikalien organischen Ursprungs.

verwandeln sich gleichfalls in Essig, doch erfordert die Umwandlung von grösseren Mengen einen Zeitraum von mehreren Wochen. Diese Methode wird daher wenig oder gar nicht mehr benutzt, sondern allgemein die sog. Schnellfabrikation in Anwendung gebracht; diese beruht im Wesentlichen darauf, die Alkoholmischung in möglichster Ausdehnung dem oxydirenden Einfluss der Luft auszusetzen. Zu diesem Zweck hat man eigene Fässer, sog. Essigbilder (siehe Fig. 201) konstruirt, welche etwa in 1/10 ihrer Höhe einen hölzernen Siebboden haben. Auf diesen bringt man mit Essig getränkte Hobelspähne aus Buchenholz, bis zu 9/10 der Fasshöhe; hier ist ein zweiter Siebboden genau eingefügt, dessen ziemlich kleine Oeffnungen mittelst Bindfadenendchen, welche durch einen oben angebrachten Knoten am Durchfällen verhindert werden, fast gänzlich verstopft sind. Direkt unterhalb des unteren Siebbodens sind rings um das Fass schräg nach unten gehende Löcher eingebohrt, welche den fortwährenden Zutritt von atmosphärischer Luft- ermöglichen, während durch den oberen Siebboden längere Glasröhre gehen, die den Austritt der Luft nach oben vermitteln. Da während der Essigbildung im Fasse eine höhere Temperatur entsteht, so ist die Zirkulation der Luft von unten nach oben eine fortwährende und sehr grosse. Auf dem oberen Siebboden lässt man nun die Mischung aus Sprit und Wasser in derselben Weise zufliessen, als sie aus einem am Boden angebrachten Hahn abfliesst. Sie sickert langsam an dem Bindfaden entlang und verbreitet sich so über die ganzen Hobelspähne. Auf diese Weise bietet sie der Luft eine viel tausendmal grössere Oberfläche dar, als wenn man das gleiche Quantum der Mischung einfach in einem Fass der Luft aussetzte. Da man die Mischung aus Sprit und Wasser zur Essigbildung nur sehr schwach verwenden kann, so pflegt das durch einmaliges Durchlaufen gewonnene Produkt noch nicht von der gewünschten Essigsäurestärke zu sein; um diese zu erreichen, lässt man es unter Zusatz einer neuen Menge von Sprit und Wasser durch einen zweiten, zuweilen sogar durch einen dritten Essigständer laufen. Der so gewonnene Essig wird gewöhnlich mit Essigsprit bezeichnet, er enthält 8-14 % Essigsäure und wird zur Herstellung des gewöhnlichen Speiseessigs auf 3-5 % Essigsäuregehalt verdünnt, zuweilen auch mit Zuckerkulör gefärbt, um ihm das Aussehen von Bieressig zu verleihen. Zum Rothfärben des in manchen Gegenden beliebten, rothen Tafelessigs darf kein Anilin verwendet werden; auch Cochenille eignet sich nicht dafür, sondern am besten der Saft von Heidel- oder Fliederbeeren.

Estragonessig, Vinaigre de l'Etragon, kann man sehr vortheilhaft selbst darstellen durch Zumischung von 4-5 Trpf. bestem Oleum dracúnculi zu 1 Liter starken Essig. Färbung nach Ortsgebrauch. Zur Prüfung des Essigs auf seine Stärke benutzt man sein Sättigungsvermögen alkalischer Flüssigkeiten nach volumetrischer Methode. Die hierzu nöthigen, auf einem bestimmten Prozentgehalt eingestellten (titrirten) Normalalkalilösungen kann man nebst den erforderlichen Instrumenten in allen Hand-^[folgende Seite]